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Je weniger Kinder — desto höhere Beihilfen

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Dem ersten Bericht über die Lage der Familie von Bundeskanzler Klaus im Jahre 1969 hat die Regierung Kreisky nun den Bericht 1979 folgen lassen, für den Staatsekretär Elfriede Karl verantwortlich zeichnet Er ist viermal so stark wie sein Vor- gänger’und keine Kosten wurden gescheut, um die fünf Dutzend Autoren gut zu bezahlen, wobei bei so manchem unerfindlich ist, warum er besten Kennern der Materie vorgezogen wurde. Der Bericht bietet eine umfangreiche Sammlung von Daten, die man sonst weit verstreut suchen müßte, zeichnet aber in wichtigen Bereichen ein wirklichkeitsfremdes Büd.

Ein Beispiel dafür ist der Teil über die wirtschaftliche Lage der Familie. Auf den ersten Blick fällt eine ausführliche Tabelle über die Anhebung der Beihilfen seit 1968 ins Auge. Daß früher die Beihilfe 14mal, 1978 nur 12mal bezahlt wurde und in den jetzt 880 Schilling auch 350 Schüling Absetzbetrag von der Einkommensteuer enthalten sind, muß Anmerkungen im Kleindruck entnommen werden. Bei Ausschaltung der steuerlichen Kinderermäßigung, die früher neben der Beihilfe anfiel und 1978 in die Beihilfe eingebaut wurde, errechnet sich eine nominelle Erhöhung der eigentlichen Beihüfe von monatlich 233 auf 530 Schilling.

Das sind beachtliche 127% mehr. Nicht im Bericht steht, daß diese Erhöhung nur auf die Einkindfamilie voll zutrifft. Eine Vierkinderfamilie muß sich mit 78% zufrieden geben, eine Sechskinderfamilie mit 75%, während die Preissteigerung in der gleichen Zeit 79% betrug.

Das Familienbericht 1969 beklagt, daß „selbst Mittelstandsfamilien tief unter den Lebensstandard der Kinderlosen, ja der Armut anheimfallen, wenn sie für drei oder noch mehr Kinder zu sorgen haben.”

Der Familienbericht 1979 müßte eine Verschlechterung für die Mehrkinderfämilie beklagen. Er tut es nicht. Er geht den wirtschaftlichen Problemen der Ein- und Zweikinderfamilie nach und sorgt sich um Steuergerechtigkeit für Ledige.

Als von 1973 bis 1975 die Preise um 18% gestiegen waren, mußte auch für die Familien etwas geschehen. Was geschah? Der Kinderabsetzbetrag von der Einkommensteuer wurde großzügig um 31% erhöht, aber nur für das erste Kind. Für alle übrigen Kinder einer Familie blieb der Absetzbetrag von 4200 Schüling trotz 18% Inflation auf dem Niveau von 1973, als ob die Mutter dem ersten Kind Wurstsemmeln und den übrigen Margarinebrot in die Schule mitgeben könnte.

„Der Bericht müßte eine Verschlechterung für die Mehrkinderfamilie beklagen.”

Unter den zwölf Autoren des einschlägigen Abschnittes fehlt der Name des wohl besten Kenners der wirtschaftlichen Lage der Familien. Der langjährige Experte im Familienpolitischen Beirat im Bundeskanzleramt, Dipl.-Ing. H. Danninger meldete sich just zur rechten Zeit mit einer Publikation „Zur wirtschaftlichen Lage der Familie in Österreich” zu Wort; ihre Lektüre ist bestens geeignet, den Jubelbericht von Frau Karl auf den Boden der Tatsachen herunter zu holen. Danninger weist nach, daß heute schon die Familie eines Durchschnittsverdieners mit zwei Kindern unter die Armutsgrenze gedrückt wird.

Auch der Laie weiß, daß die überwiegenden Kinderkosten aus dem Einkommen und nicht durch die Familienbeihüfe bestritten werden und daß dies ungleich schwerer ist, wenn mehrere Kinder das Haushaltsbudget belasten. 1954 wollte der Gesetzgeber wenigstens einen kleinen Ausgleich dafür dadurch erbringen, daß die Beihilfe pro Kind in der Mehrkinderfamilie höher bemessen wurde als in der Einkindfamilie.

Das war einmal! Zum ersten Mal in der Geschichte des Familienlastenausgleichs wurde 1976 die Beihüfe umso stärker angehoben, je weniger Kinder in einer Familie zu erhalten sind: für das erste Kind gab es eine Erhöhung um 24% und immer weiter fallend bis auf knapp 12% pro Kopf in einer Familie mit sechs Kindern.

.. nicht auf Ausgleich von Inflationsraten beschränken.”

Noch nie wurden die Beihilfen in so kurzer Zeit und so oft erhöht und stärker als die Preissteigerungen, rühmt die Regierungspropanganda. Sie übergeht geflissentlich, daß die Preissteigerungen auch noch nie so rasch und in solcher Höhe erfolgten wie im vergangenen Jahrzehnt und die Uberkompensation durch die Beihilfenerhöhungen nur dem Einzelkind voü zugute kommt.

An dieser Steüe muß aber nachdrücklich betont werden, daß sich Familienpolitik nicht auf Ausgleich von Inflationsverlusten zu beschränken hat. In den „Erläuternden Bemerkungen” zum Familienlastenausgleichsgesetz 1954 heißt es ausdrücklich: „Der Ausgleich der Familienlasten hat zwischen denjenigen zu erfolgen, die solche Lasten im Interesse der gesamten Gesellschaft tragen und jenen, die solche Lasten nicht zu tragen haben.”

Nicht im Familienbericht, sondern bei Danninger muß man nachlesen, um zu erfahren: Die durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen sind von 1970 bis 1977 um 215% nomineü gestiegen, die Behüfen für das erste Kind sogar um 227%; je mehr Kinder in der Familie umso geringer ist die Beihilfenerhöhung, um z. B. in der Sechskinderfamilie auf 175% zu sinken.

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