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Jeden 2. Schilling gibt der Staat aus

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Was DIE FURCHE im Jahre 1978 als wünschenswert und notwendig bezeichnet und die Bundeswirtschaftskammer beim Wifo-Institut angeregt hat, ist nunmehr verwirklicht worden: Es wurde auch für Österreich eine Staatsquote als Anteil der Staatsausgaben am Sozialprodukt errechnet, und sie wird in Hinkunft laufend publiziert werden. , Während die für Österreich bisher publizierte Steuerquote als Anteil aller an die öffentliche Hand zu entrichtenden Abgaben am Sozialprodukt von 34 Prozent im Jahre 1964 auf 41 Prozent im Jahre 1980 gestiegen ist, hat sich die Staatsquote in derselben Zeit von 41 Prozent auf über 52 Prozent erhöht!

Das ist darauf zurückzuführen, daß die Steuerquote lediglich anzeigt, wie hoch der Anteil am Sozialprodukt ist, der zunächst durch die staatliche Abgabenordnung dem privaten Sektor entzogen und auf den Staat übertragen wird. Damit kommt jener Teil der Staatstätigkeit nicht zum Ausdruck, der im Kreditwege finanziert wird.

Seit die Defizite der Gebietskörperschaften beachtliche Dimensionen erreicht haben und präjudizierend wohl auch für die nächsten Jahre die Budgetvolumina bestimmen werden, gibt das Verhältnis der Staatsausgaben zum Sozialprodukt ein aussagekräftigeres Bild darüber, wie weit der Staat in den Einkommensund Wirtschaftskreislauf eingreift: Von jedem Schilling, der heute in Osterreich ausgegeben wird, sind es 52 Groschen, die nicht durch die Entscheidung eines privaten Verbrauchers, Unternehmers usw., sondern auf Grund der politischen Entscheidung eines Organes der öffentlichen Hand durch den Beamtenapparat ausgegeben werden!

Diese Berechnung hat der Budgetexperte des Wifo-Institutes, Gerhard Lehner, im eben erschienenen Heft 10 der monatlichen Berichte des österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung angestellt.

Da in Österreich die Ausgaben der Bundesbetriebe — vor allem Bahn und Post — im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern einer politischen Entscheidung unterliegen, hat das Wifo-Institut die Ausgaben dieser Betriebe berücksichtigt und eine modifizierte, „erweiterte" Staatsquote (erweiterte Ausgabenquote) errechnet, die von 47,5 Prozent (1964) sogar auf 57^ Prozent (1980) angestiegen ist!

Wenn auch die quantitative Berechnung der Einflüsse des Staates auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung keine umfassende Aussagekraft hat, lassen sich doch daraus einige wichtige Tendenzen im öffentlichen Sektor erkennen. Der Anstieg der Staatsquote ist zu einem erheblichen Teil der Sozialversicherung zuzuschreiben, auf die fast 40 Prozent der Zunahme der gesamten Staatsquote sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben entfallen.

Die Beobachtung des Anstiegs der Staatsquote läßt ferner erkennen, daß die Ausgabensteigerungen aus der Zeit der Konjunk-turabschwünge in den folgenden Zeiten der Vollbeschäftigung kaum mehr spürbar abgeschwächt wurden. Das gilt sowohl für die lange Aufschwungphase Anfang der siebziger Jahre als auch für die Periode 1976 bis 1980.

Immerhin unterscheiden sich die beiden Perioden dadurch, daß die Ausgabenquote von 1967 bis 1973 mit rund 43 Prozent stabil geblieben ist, während sie seither den beängstigenden Sprung um nicht weniger als neun weitere Prozentpunkte gemacht hat. Diese sogenannte „antizyklische" Steuerung der Konjunktur hat sich — abgesehen von ihrer problematischen, kurzfristigen Wirkung auf die Beschäftigung - finanzpolitisch als eine verhängnisvolle Einbahnstraße erwiesen.

Aus der Studie der Wirtschaftsforschung geht weiter hervor, daß die neuen Ausgaben (Programme), die zur Konjunkturankurbelung beschlossen wurden und damals im Kreditwege relativ leicht zu finanzieren waren, in späteren Jahren, vor allem in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, zu größeren Problemen führten.

Dazu gehört vor allem im Zusammenhange mit der Steigerung des Zinsniveaus infolge der weltweiten steigenden Anforderungen der öffentlichen Hände an die Finanz- und Kapitalmärkte die Verzinsung der Staatsschuld, die eine sehr spürbare Grenze für die Sinnhaftigkeit einer steigenden Staatsverschuldung erkennen läßt. Für Österreich beträgt sie für 1983 nicht weniger als 28 Milliarden Schilling, die ohne Rücksicht auf Tilgungsverschiebungen oder Umschuldungen Jahr für Jahr in voller Höhe aus den Steuereinnahmen bezahlt werden müssen und deren Steigerungsfähigkeit bei weitem übersteigen.

Die Studie läßt erkennen, daß schon das Steuersystem selbst durch eine abnehmende fiskalische Ergiebigkeit charakterisiert ist. Die Steuerquote hat in den letzten Jahren deutlich schwächer zugenommen als vor 1975, obwohl erhebliche Maßnahmen (Steuererhöhungen, schärfere Eintreibung usw.) ergriffen wurden.

Die Anpassung der Staatsausgaben an die verschlechterte Einnahmenentwicklung wird dadurch erschwert, daß die Quote der Staatsschuldzinsen stark steigt. Es wird daher vor allem bei der Erstellung der öffentlichen Güter, insbesondere bei den Investitionen und Investitionsförderungen (Subventionen und Kreditaktionen) gespart. Die Finanzierungsenge des öffentlichen Sektors bremst bei den Gebietskörperschaften damit zunehmend auf die Ausgabenquote, die Investitionsquote und damit das Wirtschaftswachstum. Somit ist der Teufelskreis nach unten in Bewegung gekommen, der in der steigenden Staatsquote einen beängstigenden Ausdruck findet.

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