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Digital In Arbeit

Jeder ist seines Glückes Schmied

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Nicht wenige Menschen erleiden beim Eintritt in die Arbeitswelt einen Praxisschock. Gezielte Planung der eigenen Laufbahn kann eine berufliche Bauchlandung verhindern.

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Nicht wenige Menschen erleiden beim Eintritt in die Arbeitswelt einen Praxisschock. Gezielte Planung der eigenen Laufbahn kann eine berufliche Bauchlandung verhindern.

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„Macht Arbeit krank? Macht Arbeit glücklich?“ fragte 1985 die Mainzer Demoskopin und Professorin für Kommunikationswissenschaft Elisabeth Noelle-Neu-mann. Sie stellte darin unter anderem fest, was Menschen am Arbeitsplatz unglücklich sein läßt: Es ist der Mangel an Entscheidungsfreiheit und der Mangel, Verantwortung mittragen zu dürfen.

Anders formulierte es ein österreichisches Wirtschaftsmagazin

Anfang der achtziger Jahre mit der Feststellung: „Zuviel Freizeit macht uns krank. Der Mensch ist zum Arbeiten programmiert.“

Arbeit wird auch wieder hoch geschätzt, kam vor kurzem bei einer Podiumsdiskussion zum Ausdruck. Vor allem von jungen Menschen. Und sie bringen auch wieder sogenannte altmodische Werte wie Leistung, Fleiß und Anständigkeit mit der Arbeit in Verbindung. Einstellungen, die vielleicht auch in den vergangenen Jahren gar nicht so tief verschüttet waren, wie es immer den Anschein hatte.

Was die persönliche Lebensgestaltung betrifft, sehen sich dieselben jungen Menschen aber einer wachsenden Orientierungslosigkeit gegenüber. Kein Wunder. Sie müssen den Sprung ins Berufsleben vor einem Hintergrund ansetzen, der dies wirklich nicht einfach macht.

Natürlich erfolgen die ersten beruflichen Prägungsphasen schon früher. Im“ Elternhaus, in der Schule. Spätestens dann, wenn es darum geht, ob private . oder öffentliche Schule, die Allgemeinbildende Höhere Schule oder eine technische oder kaufmännische Ausbildung (FURCHE-Serie „Privatschule gesucht?“ in den Nummern 14 bis 18/1985) bis hin zu der Frage „Matura, was nun?“ (FURCHE-Serie Nummern 17 bis 24/1984).

Aber was die Entscheidung heute für den jungen Menschen so schwer macht ist, daß der Leitsatz früherer Generationen „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“ vielfach so nicht mehr gilt:

Es häufen sich Klagen über eine praxisferne Ausbildung. Schul-und Studienabgängern wird prognostiziert, daß ihr fachliches Wissen von heute in einigen Jahren ohnehin „verjährt“, überholt sein wird. Die Arbeitsgesellschaft gleitet langsam in eine Freizeitgesellschaft hinüber, frohlocken die einen. Durch die neuen Technologie werden allmählich unsere Arbeitsplätze wegrationalisiert, orakeln die anderen. Politiker feilschen um gefährdete Arbeitsplätze und sind sich über die 35-Stunden-Woche in die Haare geraten. Uber den Sinngehalt der Arbeit wird indessen wenig diskutiert, obwohl soviel von Humanisierung der Arbeitswelt die Rede ist. Personalchefs und Unternehmer legten oft die Mentalität an den Tag „Wenn Sie nicht den Job haben wollen... Draußen warten genug ändere.“

Und dann hält man den Anwärtern für das Berufsleben auch noch Untersuchungen unter die Nase, nach denen es mit der Arbeitszufriedenheit der Österreicher nicht zum besten steht. Die beweisen, daß nicht wenige Menschen schon nach kurzer Zeit einen „Praxisschock“ erleiden. Die feststellen, daß es nur in den seltensten Fällen möglich ist, berufliche Wunschvorstellungen zu realisieren. Nicht wenige haben das Gefühl, bei der Berufsentscheidung etwas falsch gemacht, zu wenig nachgedacht zu haben. „Bestenfalls wurden bei der Berufswahl noch Zukunftsüberlegungen angestellt, wie man am schnellsten zu mehr Geld, Ansehen und was sonst noch so zählt im Leben in den Augen Dritter, kommt“ (Werner Beutelmayer vom Linzer Institut für Markt-und Sozialanalysen).

Dazu setzt der Zeitgeist auf Sicherheit, wenig Leistungsdruck, und Risiko. Den Österreichern wird nicht zu Unrecht Immobilitat, Mangel an Entschlußkraft, Risikobereitschaft und Dynamik nachgesagt. Andererseits haben Untersuchungen vpn Wirtschaftswissenschaftern gezeigt, daß ein beträchtliches Potential an Energien, Talenten und Wünschen in Hobbys, in die Schattenwirtschaft oder karitative Bereiche abfließt, also Arbeitslust und schöpferisches Geschick vorhanden sind.

Auch die Prioritäten haben sich vor allem bei jungen Menschen gewandelt. Die Arbeit, der Beruf werden nicht mehr als „bloße Pflichterfüllung“ gesehen. Einen Job anzunehmen, nur um Geld zu verdienen, erscheint manchen nicht mehr lukrativ. Das Wochenendhaus im Grünen auf Kosten unzähliger Uberstunden hat an Anziehungskraft verloren.

Persönliche Identifizierung und Befriedigung, ökologische Gesichtspunkte rücken in den Mittelpunkt der Überlegungen einer Laufbahnplanung. Der Beruf soll mit Sinn gefüllt werden. Die Ver-

änderungen sind vielfältig und werden auch in Zukunft vor dem Berufsleben nicht haltmachen. . Unternehmer und Personalchefs klagen indessen, daß ihre Mitarbeiter sich so schlecht motivieren lassen, kaum selbst initiativ werden.

Dabei ist längst bekannt, was Arbeitnehmer motiviert: Persönliche Anerkennung gehört dazu (es sind nicht nur die Künstler, die Applaus brauchen!). Die Miteinbeziehung in Entscheidungen und sei es nur durch rechtzeitiges Informieren. Das Gefühl, es gibt kein absolutes „oben“ und „unten“ in der betrieblichen Hierarchie. Das Anbieten von längerfristigen Zukunftsperspektiven, die zeigen, daß man nicht nur ein austauschbares Rädchen im Arbeitsprozeß ist.

Kluge Personalmanager, aber auch Chefs in Kleinbetrieben haben das schon erkannt. Sie sind sich darüber im klaren, daß sie ohne Entfaltungschancen für die Mitarbeiter manche ihrer Ziele nicht mehr erreichen können. Nur engagierte Mitarbeiter sind fähig, den technologischen Wandel mitzumachen, innovativ zu sein. Anders formuliert: Die Firmen werden es sich aufgrund der hohen Personalkosten in Zukunft gar nicht mehr leisten können, sozusagen den ganzen Menschen zu bezahlen, aber nur einen geringen Prozentsatz seiner Fähigkeiten zu nutzen.

Der alte Slogan „Der richtige Mann am richtigen Platz“ gewinnt wieder an Bedeutung. Gemeint ist damit die bestmögliche Ubereinstimmung von vorhandenen Anlagen eines Mitarbeiters und dem jeweiligen Anforderungsprofil eines Arbeitsplatzes. Personalentwicklung nennen das die Wissenschafter und Personalmanager. Durch gezielte Maß-

nahmen soll das vielfach brachliegende geistige Potential der Mitarbeiter entdeckt und zum beiderseitigen Vorteil gefördert werden.

Aber nicht jeder, der heute vor der Entscheidung steht, wie er am besten ins Berufsleben einsteigt, wird das Glück haben, auf diese Art aufgebaut zu werden. Man kann und muß selbst die Weichen stellen, sein Leben und den Beruf selbst in die Hand nehmen und entscheiden, ob der Lebensweg eine Fahrt ins „Blaue“ wird oder ob man sich persönliche Ziele stecken und sie verwirklichen möchte.

Natürlich gibt es unzählige Menschen, die auf die Butterseite des Lebens fallen, mit ihrem Job und ihrem Leben zufrieden sind, ohne sich jemals genaue Gedanken über die Richtigkeit ihrer Entscheidungen gemacht zu haben. Und es gibt ebenso viele, die es sich ganz schlau überlegt und trotzdem im Beruf Schiffbruch erlitten haben.

Laufbahnplanung heißt, sich mit sich selbst beschäftigen, mit seinen Eigenschaften und Fähigkeiten. Sich die Frage zu stellen, was bedeutet die derzeitige Lebenseinstellung für das Arbeitsleben. Welche Schwerpunkte will man im Leben und im Beruf setzen.

Das festzustellen, wird nicht immer leicht sein (siehe Kasten). Aber es gibt viele Wege, allein oder mit Hilfe eines anderen oder einer Institution, sich intensiver mit sich selbst zu beschäftigen, wenn man es ernst genug meint. Von Check-Listen über Fragenkataloge, die man selbst durcharbeiten kann, einfache Techniken bis zu-Lebensplanungsseminaren reichen die Möglichkeiten. Egal, ob man gerade dabei ist, sich die ersten Sporen im Beruf zu verdienen oder sich schon etabliert hat.

„Jeder hat sein eigen Glück unter den Händen, wie der Künstler die rohe Materie, die er zu einer Gestalt umbilden will. Aber es ist mit dieser Kunst wie mit allem: Nur die Fähigkeit wird uns angeboren, sie will gelernt und sorgfältig geübt sein.“ (Johann Wolf gang von Goethe).

Jeder kann diese Chance auch wahrnehmen!

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