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Jedermann ruft nach Brüssel...

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Die Diskussion um die Errichtung eines Europäischen Binnenmarktes 1992 und den eventuellen Beitritt Österreichs findet im Kulturbereich derzeit (noch) nicht statt. Jedermanns Ruf nach einer unbedingt notwendigen EG-Ankoppe-lung verhallt offensichtlich ungehört im Musentempel.

Robert Jungbluth beispielsweise, ehemaliger Chef der Bundestheater und jetziger Co-Direktor der Josef stadt, fürchtet keine gravierenden Veränderungen in der Kulturlandschaft, sollte der Alpenrepublik tatsächlich der Sprung nach Brüssel gelingen. Die Kultur, meint er, sei ohnehin schon längst unteilbarer Begriff und habe den politisch-wirtschaftlichen Überlegungen seit Jahrhunderten die Interna-tionalität voraus. Auch jetzt schon funktionieren etwa Gastspiele problemlos. Schnell und unbürokratisch werden Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen erteilt.

Rudolf Schölten, Generalsekretär der österreichischen Bundestheater, sieht ebenfalls die Kultur schon längst „europareif“. Mehr ausländische Schauspieler werde es auch im Falle des Binnenmarktes unter einer Einbeziehung Österreichs nicht geben.

Einflüsse und Umwandlungen ortet auch Gerhard Prosser vom Hauptverband des österreichischen Buchhandels eher nur in Randbereichen. Bereits heute stammt jedes zweite gebundene Buch in Osterreich aus der Bundesrepublik, weshalb die heimischen Autoren einem EG-Beitritt mehr oder weniger gelassen entgegensehen, beschreibt Gerhard Ruiss von der „Interessengemeinschaft österreichischer Autoren“ die Stimmung.

Zum Kampf gegen die Vormachtstellung der USA im Kino bläst hingegen der europäische Film. Die Zusammenarbeit der Filmindustrien wird schon seit langem propagiert, was das Europäische Film- und Fernsehjahr 1988 auch beweist. Die Schaffung eines Euro-Oscars, für den von österreichischer Seite,.Notturno“ von Fritz Lehner genannt wurde, dient zweifellos als Pendant zum in Hollywood vergebenen „Oscar“. Kaum beachtete Filme, so Georg Schallgruber, Pressechef des Constantin Filmverleihs in Wien, wür-

Euro-Oscar den durch einen solchen „Oscar“ enorm aufgewertet. Verleiher wären so in Hinkunft vielleicht eher gewillt, einen unpopulären, schwierigen Film zu vertreiben. Allerdings besteht, meint Schallgruber, die Gefahr einer allzu starken künstlerischen Zusammenarbeit, womit die Identität des einzelnen Filmlandes verlorenginge. Mit diesen oft ventilierten Gedanken konfrontiert, plädiert Veit Haiduschka, mit „Müllers Büro“ von Niki List der erfolgreichste österreichische Filmproduzent der Gegenwart, eher „nur“ für eine Kooperation in Produktion und Vertrieb. Dadurch würde Geld gespart, was für ein im Bereich Film so entwicklungsbedürftiges Land wie Österreich ein immenser Vorteil wäre.

Nach Einschätzung der Experten dürften sich die Einflüsse einer EG-Mitgliedschaft auf die heimische Kulturlandschaft also in Grenzen halten. Ihre Protagonisten haben diesbezügliche Überlegungen bisher offensichtlich hintangestellt.

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