6887910-1979_35_02.jpg
Digital In Arbeit

Jedes Jahr - ein Jahr der Familie?

Werbung
Werbung
Werbung

Kinder, so heißt ein alter Spruch, seien ein Segen Gottes. Nun, entweder hat sich dieser Spruch abgenützt oder er hat niemals gestimmt - Kinder jedenfalls werden hier in Österreich und heutzutage sicher nur mehr von den allerwenigsten als Segen betrachtet. Eherais Belastung. Die Entwicklung der Geburtenziffer ist ein deutliches Signal.

Das Jahr des Kindes, das nach einigen anfänglichen Bemühungen nun im sommerlichen Urlaubsschlaf da-hindämmert, sollte eigentlich ein Anlaß sein, nach den Gründen für diese Ablehnung des Kindes zu fragen. Da kommt man sehr schnell zur Frage, wie es die Gesellschaft und auch die Kirche mit der Familie, mit ihren einzelnen Mitgliedern hält. Denn die Kinder, um die es in diesem Jahr angeblich geht, sind ja nicht irgendwelche isolierte Einzelindividuen -oder sollten es wenigstens nicht sein -, sondern Teil einer Gemeinschaft, die nur funktionieren kann, wenn alle ihre Mitglieder an einem Strang ziehen.

Tun das nun die Familienmitglieder, läßt man sie überhaupt? Ohne die Bedeutung des Vaters für die Familie, für die Kinder herunterspielen zu wollen - das allerwichtigste sind noch allemal die Mütter. Denn sie müssen sich, seit wir in Österreich die unselige Fristenregelung haben, ganz bewußt, ganz eindeutig für das Kind entscheiden. Will die Mutter dieses Kind nicht - nun, dann wird es eben nicht geboren. Und das passiert, soweit man dies abschätzen kann, wesentlich öfter als eine Geburt.

Warum aber nun diese Ablehnung des Kindes? Hinter den vielen vordergründigen Argumenten scheint mir eine Ursache die wichtigste zu sein: Wie nie zuvor sind sich die Frauen über ihre Aufgabe im Leben, ihre Rolle in der Gesellschaft unsicher. Da bekommen die jungen Mädchen - zum Glück - eine gründliche Berufsausbildung, erleben Erfolge in ihrem Beruf, erleben die wirtschaftliche Unabhängigkeit, haben alle Möglichkeit, auszugehen, zu reisen, ihr Leben zu gestalten. Und dann sollen sie - dies erhofft sich nicht zuletzt auch die Kirche von ihnen - dies alles aufgeben, um sich ganz und gar der wichtigen Aufgabe der Mutterschaft zu widmen.

Man kann kaum übersehen, daß auch und gerade in der Einstellung der Kirche zur Familie, zur Frau, ein großer Bruch klafft. Man kann von der - im landläufigen Sinn - voll emanzipierten Frau nur schwer verlangen und erwarten, daß sie sich mit der Geburt ihres ersten Kindes freiwillig in jene -Isolation begibt, die die Kleinfamilie heute meistens nach sich zieht, daß sie diese Isolation ebenso freiwillig verlängert, weil sie noch weitere Kinder bekommt.

Und man kann ihr noch weniger glaubhaft machen, daß sie dann nach zehn, fünfzehn Jahren, wenn die Kinder, wie es so schön heißt, aus dem „Gröbsten“ heraußen sind, wieder nahtlos den Anschluß an ihr früheres Leben in der Berufswelt finden wird.

Nun soll keineswegs übersehen werden, daß gerade im kirchlichen Raum viel mehr als anderswo geschieht, um die Isolation der Familienfrauen zu mildern. Mütterseminare, Familienurlaub, Müttererholung - um nur einige Beispiele zu nennen -sind sicher wertvolle Initiativen. Aber genügt das alles?

Solange es geschehen kann, daß die Taufe eines Kindes von einer Pfarre zwar registriert wird, für die junge Familie aber keinerlei weitere Angebote kommen, solange sich bei einer Ubersiedlung von einer Pfarre in eine andere zwar die Kirchensteuer, nicht aber die Pfarre selbst bei einer Familie mit spezifischen Angeboten meldet, wird man nur schwer den Vorwurf entkräften können daß für die Familien nach wie vor zu wenig gemacht wird.

Dem „Jahr des Kindes“ ist in Österreich ein „Jahr der Familie“, initiiert vom Katholischen Familienverband, vorangegangen. Die Familie wird aber erst dann wirklich zu neuem Leben erwachen, wenn jedes Jahr ein „Jahr der Familie“ ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung