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Jelzin: Menschenrechte im Vormarsch

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Die Tatsache, daß Boris Jelzin die letzten zehn politischen Gefangenen freigelassen hat, darunter auch solche, die wegen Desertion, also eines nicht rein politischen Deliktes, das aber unter den früheren politischen Zuständen immerhin politisch motiviert war, einsaßen, zeigt, daß die Dinge in Rußland in Sachen Menschenrechte eine erfreuliche Wendung genommen haben.

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Die Tatsache, daß Boris Jelzin die letzten zehn politischen Gefangenen freigelassen hat, darunter auch solche, die wegen Desertion, also eines nicht rein politischen Deliktes, das aber unter den früheren politischen Zuständen immerhin politisch motiviert war, einsaßen, zeigt, daß die Dinge in Rußland in Sachen Menschenrechte eine erfreuliche Wendung genommen haben.

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Auch schon vorher war eine spürbare Besserung zu verzeichnen, Gorbatschow räumte, solange die Sowjetunion noch existierte, mit den schlimmsten Mißbräuchen und Ungerechtigkeiten auf. Schon unter seinen Vorgängern hatten sich Aktivisten und Menschenrechtsgruppen geregt, deren Schutzherr und Symbolfigur Sacharow war. Und diese mutigen Vorkämpfer dessen, was heute langsam Gestalt annimmt, konnten sich auf die Dokumente der KSZE-Konferenz von Helsinki berufen, durch deren Unterzeichnung sich die sowjetische Regierung wenigstens am Papier zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtete. Von der Unterzeichnung zur tatsächlichen Verwirklichung war noch ein langer Weg, aber der erste Schritt war damals getan worden, wenn auch nicht im Bewußtsein der Tragweite und der Eigendynamik, die diese Erklärung gewinnen sollte.

So unzureichend mündliche und schriftliche Erklärungen zunächst auch sind, sie stellen in der Welt von heute Anknüpfungspunkte des Einhakens dar, die man nicht geringschätzen sollte. Die schriftliche Verankerung der Menschenrechte, die schon nach dem Zweiten Weltkrieg von den Vereinten Nationen als weltweite Verheißung vorgenommen wurde, hat eine Beispielswirkung und Ansteckung entwik-kelt, die bei weitem nicht zum Abschluß gelangt ist, die aber auch nicht mehr zum Stillstand gebracht werden kann.

Es wäre eine verfrühte und die Realität verkennende Euphorie, wollte man, wie der amerikanisch-japanische Politologe Fukuyama, den Siegeszug der Demokratie, den Triumph der Menschenrechte ausrufen und für unvermeidlich erklären. Noch überwiegen die Staaten, in denen die Menschenrechte mißachtet oder nicht voll gewährt werden, und auch in den demokratischen Ländern mit liberalem Rechtsstaat sind Rückfälle nicht ausgeschlossen. Aber die Tendenz, daß Menschenrechte zunehmend festgeschrieben, und, einmal festgeschrieben, auch eingemahnt und durchgesetzt werden, ist unverkennbar steigend und ermutigend.

Was unter Präsident Carter noch als die Naivität eines guten, aber praxisfernen Menschen belächelt wurde, wird heute von der amerikanischen Regierung, aber nicht nur von ihr, ernstgenommen und zur Bedingung auch wirtschaftlichen Entgegenkommens gemacht. Die Einheit des Menschengeschlechtes manifestiert sich zunehmend in der Effektivität der Menschenrechte.

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