6834697-1975_07_13.jpg
Digital In Arbeit

Jenseits aller Konventionen

19451960198020002020

Boris Blachers Werkkatalog spiegelt und kennzeichnet die Epoche und den europäischen Raum seines Lebensweges. Er beginnt mit einem Opus, das verschollen oder durch Kriegseinwirkung vernichtet ist, wie etwa ein Dutzend seiner frühen Werke, darunter eine Symphonie, ein Streichquartett, ein Klavierkonzert und ein Concerto für zwei Trompeten und zwei Streichorchester. Besagtes erstes Opus war eine Kammeroper mit dem wunderlichen Titel „Habemeajaja“. Blacher schrieb sie 1929, also sechsundzwanzigjährig, denn er ist am 6. Jänner 1903 in der chinesischen Hafenstadt Njutschwang als Sohn eines Bankdirektor aus Reval und seiner ebenfalls baltisch-deutschen Frau zur Welt gekommen. Die chinesischen Götter der Zufallsheimat hatten keine allzu ruhigen Jahrzehnte für seine Kindheit und Jugend ausgesucht. Blachers trugen ihren großbürgerlichen Wohlstand nomadenhaft durch das zaristische Nordasien. Man lebte auf Reisen und konversierte polyglott zwischen chinesisch, russisch, deutsch und pidgin-englisch.

19451960198020002020

Boris Blachers Werkkatalog spiegelt und kennzeichnet die Epoche und den europäischen Raum seines Lebensweges. Er beginnt mit einem Opus, das verschollen oder durch Kriegseinwirkung vernichtet ist, wie etwa ein Dutzend seiner frühen Werke, darunter eine Symphonie, ein Streichquartett, ein Klavierkonzert und ein Concerto für zwei Trompeten und zwei Streichorchester. Besagtes erstes Opus war eine Kammeroper mit dem wunderlichen Titel „Habemeajaja“. Blacher schrieb sie 1929, also sechsundzwanzigjährig, denn er ist am 6. Jänner 1903 in der chinesischen Hafenstadt Njutschwang als Sohn eines Bankdirektor aus Reval und seiner ebenfalls baltisch-deutschen Frau zur Welt gekommen. Die chinesischen Götter der Zufallsheimat hatten keine allzu ruhigen Jahrzehnte für seine Kindheit und Jugend ausgesucht. Blachers trugen ihren großbürgerlichen Wohlstand nomadenhaft durch das zaristische Nordasien. Man lebte auf Reisen und konversierte polyglott zwischen chinesisch, russisch, deutsch und pidgin-englisch.

Werbung
Werbung
Werbung

Nach seinem ersten vergeblichen Versuch bestand Blacher sein Reife- examem und beschloß, zum Kummer seines Vaters, Künstler ziu werden. Man einigte sich auf das Architekturstudium in Westeuropa. Und so bestieg 1922 Frau Helene Blacher, geborene Wulff, mit einem mageren, blassen Jüngling von 19 Jahren ein Schiff, das sie über Schanghai, Ceylon, den Suezkanal und das Mit- teimeer nach Marseille brachte. Nach drei Tagen an Paris nahmen die beiden den Berliner Zug, der sie ans Ziel führte. Architektur und Mathematik waren die Studienfächer, die Blacher an der altehrwürdigen Technischen Hochschule in Charlottenbung belegte, in verführerischer Nähe der Hochschule für Musik.

Berlin 1922! Wer diese Zeit erlebt hat, der weiß, weiche Fülle von künstlerischen Eindrücken damals auf einen jungen Menschen einstürmte. Da gab es das Opernhaus Unter den Linden, wo Boris Blacher denn auch den ersten Abend verbrachte; um Tilla Durteux als Potiphars Frau in der „Josephs- legemde“ von Richard Strauss zu sehen. Da waren Philharmonische Konzerte unter Wilhelm Furtwängler, Schauspiefeufführungen in den Theatern Max Reinhardts, Filmpre- mieren in den Kinopalästen am Kurfürstendamm, interessante Ausstellungen im „Sturm“ oder in der November-Gruppe und kurzlebige Zeitschriften, deren Titelblätter die Ideen einer neuen Ästhetik farbig herausschrien. In Sibirien wußte man nichts von alledem und namentlich nichts von der modernen Musik, die Blacher jetzt kennen- lernte. Er fand Schönbergs und Strawimskys aufregende, hochdis-

sonante Klavierstücke und Partituren in den Musikläden und spielte fasziniert darin, bis die Nachbarn revoltierten.

Nach zrwed Jahren war der Entschluß gefaßt’. Blacher hämigte die Architektur an den Nagel und wurde Privatschüler bei dem strengen Kompositonslehrer Friedrich Emst Koch, woran sich das Studium der Musikwissenschaft ln der Universität anschloß. Arnold Schering, damai® Ordinarius, Friedrich Blume und Erich Moritz von Hornbostel waren die Dozenten. Um ein Haar hätte sich Blacher mit einer Arbeit über die Geschichte der Instrumentationslehre den Doktorhut erworben. Aber die schöpferische Ader war stärker.

Von den Jugendwerken sind nur die Jazz-Koloraturen für Sopranstimme, Altsaxophon und Fagott aus dem Jahre 1929 «halten, rhyth-

misch-melodiische Miniaturen von hellem, man möchte sagen knusprigem Klang und geschliffener Form. Blacher erlebte den Synkopengeist des alten Jazz ganz naiv. Diese Musik entsprach seinem rhythmischen Impuls ebenso wie die tänzerischen Partituren Strawimskys, die zu bewundern er niemals aufgehört hat. Es ist wohl kein reiner Zufall, daß Blachers Weg ihn durch Vermittlung seines Freundes Rudolf Wagner-Regeny früh zu der Tanzschule Rudolf von Läbäns führte, ln dieser praktischen Arbeit liegen die Ursprünge seiner zahlreichen Ballettkompositianen, die 1936 mit einem surrealistischen Tanzspiel, dem späteren „Fest im Süden“, begannen und 1965 mit dem „Tristan“- BalOett endeten.

1933, als Hitler zur Macht kam, war Blacher noch ein unbekannter junger Musiker, von dem allerdings der alte Berliner Verlag Bote & Bock eine „Kleine Marschmusik“ für Orchester nach Melodien italienischer Opemkomponlsten gedruckt hatte. Die Arbeiten der folgenden Jahre waren höhere Gebrauchs- und Unterhaltungsmusik, oft nach folk- loristischen Modellen gearbeitet, heiter und brillant, wie das Divertimento für Blasorchester op. 7.

Anfang 1937 hatte die Ballettmei- sterie Ellen Petz in Kassel mit freundlichem Erfolg das „Fest im Süden“ herausgestellt. Ende 1937 kam das Wunder. Caiil Schuricht brachte in Berlin mit den Philharmonikern die Comcertamte Musik für Orchester zur Uraufführung. Der Beifall war so, daß das Stück da capo gespielt werden mußte. Nun wurde die Musikwelt auf Blacher aufmerksam. Man spielte mehr und mehr, auch außerhalb Deutschlands, sein Ballett und seine Orchesterwerke.

Die Jahre 1939/40 waren für Blacher von besonderer Wichtigkeit. Er hatte bei einer Aufführung auf den nazistischen Reichsmusiktagen in Düsseldorf 1938 so starken politischen Widerstand gespürt, daß es ratsam schien, den Wirkungskreis zu wechseln. Auf Empfehlung Karl Böhms bekam er am Dresdner Konservatorium eine Komposdtions- kfesse. Damals lernte er die junge Pianistin Gerty Herzog kennen, die seine Junggesellenzeit beendete und 1945 seine Frau wurde. Blacher selbst kommentierte später auf seine witzig bagatellisierende Art: „Seit der Zeit muß ich zwischendurch immer für Klavier schreiben.“

1940 war ein Jahr von außergewöhnlicher Fruchtbarkeit. Neben der schon genannten symphonischen Dichtung „Hamlet", die wieder Carl Schuricht mit den Philharmonikern uraufführte, entstanden zwei Sonatinen für Klavier, ein in Venedig bei der Biennale herausgebrachtes Streichquartett, eine Flötensonate, ein Konzert für Streichorchester und, als Hauptweih, die abendfüllende Oper „Fürstin Tarakanowa“. Sie kam im Februar 1941 erfolgreich am Wuppertaler Opernhaus heraus, eine Typenverschmeflzung von „Wozzeck“ und „Rosenkavaller“, die Blachers synthetisches Opernschaffen schon ganz klar kennzeichnet.

Sein rhythmisch-klanglich gebundenes musikalisches Denken reflek tieren ungemein deutlich die beiden Klaviersonaten mit ihrem scheinbar willkürlichen, in Wahrheit höchst organischen und formtoildenden Taktwechsel. In dieser wichtigen Entwicklungszeit lernte Blacher den damaligen Korrepetitor der Staatsoper, Gottfried von Einem, kennen, der kurze Zeit bei ihm Komposition arbeitete und sein Freund bis zum letzten Tage geblieben ist. — 1942 und 1943 entstanden zwei große Werke, die erst nach dem Zusammenbruch des Hitlerreiches zur Aufführung kamen: das Dostojewski- Oratordum „Der Großinquisitor“ und die Kammeraper „Romeo und Julia“, sehr frei nach Shakespeare.

1945 begann Blachers großer Aufstieg als Komponist und Lehrer einer Generation junger Musiker aus allen Ländern der Welt. Die Lehrtätigkeit, die in Dresden nur kurzfristiger Notbehelf gewesen War, wurde riün Schwerpunkt am Zehlendorfer Internationalen Musikinstitut und 1948 an der Berliner Staatlichen Hochschule für Musik. Aus dieser Berliner Blacher-Klasse sind so bedeutende und geistig verschiedenartige Komponisten hervorgegangen, wie Giselher Klebe, Francis Burt, Arabert Reimann und der Koreaner Isang Yun. Seit 1953 war Blacher Direktor der Berliner Hochschule, wo er seine Lehrtätigkeit fortsetzte und in deren Regime er 1967 auch das alte Stemsche Konservatorium eintoezog, bevor er in den Ruhestand trat. Er hat überdies Kompositionskurse in Salzburg, Süd-England und in den Vereinigten Staaten gehalten.

In den fünfundzwanzig Jahren nach dem Krieg sind in Blachers Werkstatt zahlreiche Arbeiten der unterschiedlichsten Art geschrieben worden. Neben den vielen Auftragswerken für Rundfunk, Schauspiel und Film vor allem Ballette wie die heitere „Chiarima“ und der tragische „Hamlet“, die pazifistische „Lysd- strata“ und der düstere „Mohr von Venedig“, das als „Der erste Ball“ wiedererstamdene „Zauberbuch von Erzerum“ aus dem Jahre 1941 und der keltisch-urhafte „Tristan“ von 1965, die wichtigsten in Zusammenarbeit mit der großen Choreographin Tatjana Gsovsky. Außerdem aber zwei Kammeropem, „Die Flut“ und „Die Nachtschwalbe“, eine heitere Ballettoper über den Stoff des Hauptmanns von Köpenick mit dem schönen Titel „Preußisches Märchen“, der Einakter „Abstrakte Oper Nr. 1“ auf einen Silbentext typisierter Affekte von Werner Egk und die tragisch-phantastischen Dramen „Rosamunde Floris“ und „Zwischenfälle bei einer Notlandung“, Schließlich 1969 eine jüdische Komödie nach Schoten Alejchem, „200.000 Taler“.

Es gibt kaum eine radikalere Abkehr von den Konventionen des Singdramas als die Blachers. Seine Opernfiguren haben nichts mit der edlen Helden und raffinierten Schurken der traditionellen Bühn« zu schaffen. Sie alle sind Außenseiter der Gesellschaft oder doch Menschen, die durch die ungewöhnlicher

Verhältnisse, in die sie gestellt werden, seltsame Eigenschaften entwickeln, ungewöhnliche Entscheidungen henbeiführen. Oft spiegelt schon die äußere Form solche Extravaganz, wie bei dem alten Ehepaar im „Preußischen Märchen“, wo der Vater Sopran, die Mutter Baß singt. Außenseiter ist der Schuster in Hauptmannsuniform nicht minder als alle seine Gegenspieler. Fremdkörper im BürgeridyH ist die junge Rosamunde Flonis, die aus Liebe zur Mörderin und Betrügenin großen Stils wird und bei alldem die uneingeschränkte Sympathie des Zuschauers zu wecken versteht. Außenseiter schließlich auch der geheimnisvolle Gastgeb«, der die Insassen einer notgelandeten Maschine in seinem neontoeleuchteten Haus, mitten im Urwald, zu Luxusgefangenen macht und am Ende den nächtlich herannahenden Raub- ‘ Heren ausliefert.

Auch Blachers musikalische Mittel stehen jenseits aller Konvention. Es ist die Besonderheit seines höchst individuellen Modernismus, daß er sich aller radikalen Dogmatik entzieht. Blacher hat an so heterogene Vorbild« wie Skrjabin und Stra- winsky angeknüpft, hat die modernsten Techniken des Satzes angewandt und virtuos seinem Stil angepaßt, wo immer « sie brauchte. Es gibt Zwöilftomrei’hen in der „Ly- sistrata“ von 1950, aber sie stehen neben tonalen Strecken, ohne daß ein Stiltoruch spürbar wäre. Blacher entwickelte damals aus der freien Metrik seiner älteren Werke, namentlich der Klaviersonatinen, eine Technik des methodischen Taktwechsels, die auf arithmetischen Reihen beruht und die er unter dem Namen „variable Metren“ in seinen Klavieromamenten ein- führt und kommentiert.

Wer den Klang seines Orchesters einmal gehört hat, wird ihn nie mehr mit dem irgendeiner anderen Musik verwechseln. Es ist das äußerste Minimum an stimmigem Gewebe und an Farbe, eine wahrhaft entkleidete Musik im Geiste von Erik Sattes „stile dėpou’illė“, oft nur eben noch Kontur oder Andeutung eines Kontūre; Sparsamkeit, die aus revidiert« und unermüdlich zusammengefeilter Fülle kommt. Man kann ihre großartige Dürftigkeit allenfalls mit den radikal eingeschränkten Formen vergleichen,

. die um 1910 bei Schönb«g und * Webern auftreten. Doch im Werk Blachers setzt der Prozeß der Entfleischung bei den Elementen der Linie und des Akkords selbst an, nicht bei der zeitlichen Ausdehnung der Formen. Seine klingenden Gestalten bekommen so ein Element von Drahtigkeit, das sie van den leisen Seufzern Weberns distanziert. Die Einzigartigkeit deT Orchestrierung beruht ebenfalls auf dem Grundsatz radikaler und unüberbietbar« Ökonomie. Dabei verbinden sich die reinen, trockenen Farben der überlieferten Palette gelegentlich mit neuen Zutaten, wie der Jazz-Combo in „Rosamunde Floris“.

1960 übernahm Blacher einen Lehrauftrag für elektronische Musik an der. Technischen Universität. Der Umgang mit der neuen Materie hat ihn stark beeinflußt. 1962 wurden Studien an elektronisch verfremdetem Klang von Klavier, Singstimme und einem Posaunenglissando in der Akademie der Künste und in der Kongreßhalle vorgeführt. Schon bei dieser Musique concrete spielten die räumlichen Wirkungen einer Verteilung auf mehrere Klangkanäle eine wichtige Rolle. Si« wurden zum formenden technischen Mittel in der abendfüllenden Oper „Zwischenfälle bei einer Notlandung“ 1966. Es spricht für die Kraft von Blachers schöpferischer Eingebung, daß sie sogar den Stilkonflikt dieses Werkes zu überwinden vermochte. Denn an der Naturalistik der Science Fiction in Heinz von Cramers Libretto fand Blachers angeboren« Wille zu radikaler Stilisierung ein bedenkliches Gegengewicht.

Neben so reicher dramatischer Produktion nimmt die Musik für den Konzertsaal einen etwas g«ingeren Raum ein. Doch ist die Beschäftigung mit kleineren Formen vokaler und instrumentaler Art stets für Blach« ein wichtiges Stimulans geblieben. Wie sein erster durchschlagender Erfolg die kurze Concertante Musik für Orchester van 1937 war, so trugen zehn Jahre später seine Orchestervariationen über das berühmte Thema van Niccolö Paganini Blachers Namen um die Welt. Das zwanzig Minuten lange Stück ist nicht nur eine Bravourarbeit im Freistil der Variationstechnik zwischen Figūrai- und Charakterstück, sondern obendrein ein Dėfilė der Orchestervdrtuosität, das sich auf gleichem Niveau nur mit einigen Werken Paul Hindemiths und den Puroell-Variationen von Benjamin Britten vergleichen läßt. Die Reihe der reinen Orchesterwerke zeigt noch zahlreiche Miniaturen wie das Orchester-Ornament, die Studie im Pianissimo, die seinem Freunde Rufer gewidmete Orchester-Fantasie iind die Music for Cleveland, die George Szell mit dem berühmten Orchester dieser Stadt aus der Taufe gehoben hat. Jedes der Werke stellt einen Sond«£all gedrängten und ausgesparten Orchestersatzes dar, jedes zeigt die brillante, ich möchte sagen: windspielhafte Magerkeit einer Kunst, im der sich Geist und Muskulatur zeugend verbinden.

Von den drei Konzerten für Klavier und Orchester, die Blacher 1947, 1952 und 1961 für Gerty Herzog geschrieben hat, ist das dritte ebenfalls in Variationenform. Das Thema stammt von demselben Murdo Clementi, dessen Klavierstücke die Träume klavierspielend« Kinder beunruhigen. Doch Blacher sublimiert den Amgsttraum in eine Sphäre vollkommener Heiterkeit. Das winzige und nichtssagehde Thema wird sozusagen durch eine Galerie von Vexierspiegeln geschickt, die es rhythmisch, melodisch, harmonisch- und formal zu immer wieder überraschenden Verzerrungen bringen.

In deutschen Landen herrscht manches Vorurteil gegen heitere Kunst. Die Philosophen, die unsere Ästhetik ln so strenge Zucht genommen haben, wollen den Künsten das Recht nicht mehr zugestehen, tanzend und scherzend auf das Trauerspiel d« Geschichte zu antworten. Sie stellen sich damit in Gegensatz zu den größten schöpf«i- schen Kräften aler Zeiten. Mag auch der Streit über die Hierarchie von Spiel und Emst müßig sein, so ist doch das moralische Veto für eine bestimmte Form künstlerischen Reagieren® in jedem Fall ein Armutszeugnis für den, d« es ausspricht Die Welf war damals, als Aristophanes, Shakespeare und Moliene ähr den Lachspiegel vors Gesicht hielten, nicht harmloser als heute. Heiterkeit ist kein Zeichen mangelnd« Verantwortung, so wie es keine Ablenkung von wichtigeren Problemen bedeutet, wenn ein Dichter einen blühenden Baum besingt. Blacher kannte die Tragödien seiner Zeit, auch die sozialen. Er hat in einem Requiem von außerordentlicher Sprachkraft und in seinem Beitrag zu der kollektiv von west- und ostdeutschen Musikern komponierten „Jüdischen Chronik“ bewiesen, daß in ihm das tragische Grundgefühl der großen Kunst lebte. Doch wir wollen dankbar sein, daß sein luzider Geist einige Formen von der tiefen Heiterkeit hervorgebracht hat, die heute im Bereich höherer Geistigkeit selten geworden ist. Blacher liebte solche heitere Gelassenheit nicht nur in der persönlichen Haltung, sondern auch in den künstlerischen Formen, die sein Gesicht tragen. Dieses Gesieht wird uns unvergeßlich sein.

Der Autor dieses Beitrags, Professor H. H. Stuckenschmidt, hat bereits 1963 im Verlag Bote & Bock eine Blacher-Monographie veröffentlicht und auch in seinem Buch „Die Komponisten unseres Jahrhunderts — Deutschland- Mitteleuropa“, das bei Piper & Co. in München erschien, dem Komponisten, mit dem er durch viele Jahre persönlich verbunden war, ein ausführliches Kapitel gewidmet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung