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Jesus, der Christus

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„Was ist das für ein Mensch?” (Lk 7, 49). „Ist das nicht des Josefs Sohn?” (Lk 4, 22). - Staunen, Verwunderung und Unverständnis prägten nach den Berichten der Evangelisten das Verhältnis der umstehenden Menschen zu ihrem Zeit- und Volksgenossen Jesus von Nazareth. Wer ist dieser? Suchen nicht auch Menschen heute weiter Antwort auf diese Frage?

Lesen wir aufmerksam die Evangelien, begegnet uns Jesus zunächst als ein Kind seiner Zeit und seines Volkes, eingegliedert in die religiöse und Kulturelle Vorstellungswelt seiner Epoche und seiner jüdischen Umgebung. Bei genauerer Durchsicht der Texte wird jedoch deutlich, wie sehr sich Jesus in einzigartiger Weise für die Menschen einsetzt - nicht nur durch die Heilung ihrer äußeren Gebrechen und Leiden, vielmehr durch die in ihnen gewirkte Umkehr zum Guten, zu Gott hin (vgl. Lk 7,36-50; Joh 7,53 - 8,11).

Die Evangelien geben Zeugnis von der unerhörten Autorität,’mit der Jesus auftritt, und von dem Vollmachtsanspruch, den er besonders gegenüber der religiösen Oberschicht betont: Er heilt am Sabbat (vgl. z. B. lk 13,10-17), er interpretiert das Gesetz des Mose in einer neuen Richtung (vgl. Mt 5,17-48), die Aufsehen und Widerspruch erregt. Jesus wird uns dargestellt als einer, der allen Menschen nahe ist, zugleich aber doch auch so fern: wenn er im Haus des Vaters sein will anstatt bei seinen Zieheltern (vgl. Lk 2, 41-52), wenn er Verwandtschaft nicht als leibliche Beziehung versteht, sondern als Gemeinschaft derer, die den Willen des Vaters erfüllen (vgl. Mk 3,35). Ein Mensch also in einzigartiger Weise, aber doch auch ein ganz anderer, dessen Person geheimnisvoll und unnahbar ist in dessen Gegenwart die Menschen von Furcht ergriffen werden (vgl. Mk 10, 32). Jesu Tod scheint zu nächst die Frage zu lösen; er ist der, der „von sich selbst sagte: ,Ich bin der König der Juden” “ (Joh 19, 21).

Aber doch: Mehr als ein Mensch! Schon die ältesten Schriften der jungen Kirche überliefern das einhellige Zeugnis und die feste Glaubensüberzeugung, daß dieser Jesus von Nazareth nicht tot ist, sondern lebt: Gott hat ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zum „Sohn Gottes in Macht” (Röm 1, 4); er ist der Kyrios, der Herr über alle Schöpfung (vgl. Kol 1,13-20). „Kyrios” und „Christos” sind für Paulus, der hier auf noch ältere Traditionen zurückgreift, synonyme Aussagen über Jesus, Titel, die die ur- christlichen Gemeinden Jesus zugeschrieben haben und die untrennbar mit seiner Auferstehung verbunden sind (vgl. Röm 10, 9).

Die Evangelien sehen das Geheimnis um Jesus ebenso im Ostergeschehen verankert in dem sich Gott getreu erwiesen hat gegenüber seinem Sohn, dem nun „alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf der Erde” (Mt 28,18). Den mit Vollmacht ausgestatteten, wundertätigen Verkündiger einer frohen Botschaft vom Anbruch der Gottesherrschaft erkennen die Verfasser der Evangelien (und vor ihnen schon die ersten Gläubigen) nach Ostern als ihren Erlöser und Herrn.

Wer also ist dieser Jesus? Ein Mensch? Ja. Zugleich jedoch der in Macht erhöhte Sohn Gottes, den Gott aus dem Tod herausgeführt hat in neues Leben. Von ihm kann die junge Kirche gläubig bekennen, daß er der Christus, der Gesalbte Gottes ist, der teilhat an seiner Herrlichkeit.

Wir aber, die wir „auf Christus Jesus getauft sind, wir sind auf seinen Tod getauft” (Röm 6, 3). An ihn glauben, heißt Gemeinschaft haben, auch

Schicksalsgemeinschaft; im Tod ist uns Jesus über, werden wir ihm ganz ähnlich. Der Glaube darf aber nicht beim einzigartigen Menschen .Jesus stehenbleiben, so faszinierend und beeindruckend diese Gestalt auch sei. Denn in dem auferstandenen Jesus, der der Christus ist, wird für uns im Glauben die Hoffnung auf eine neue Wirklichkeit wahr. In Jesus, dem Christus, liegt unsere begründete Zuversicht, daß im Tod nicht „alles aus” ist, sondern darin ein Durchgang zu neuem Leben: Wir werden „mit der Gestalt seiner Auferstehung vereinigt” werden, sagt Paulus (Röm 6, 5). Das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus ist unser gläubiges Zeugnis für die lebendige Zuwendung Gottes zu uns Menschen, zugleich Anstoß zur Hoffnung auf Heil und Leben in ihm.

(Die einzelnen Folgen des ORF-Studienpro- gramms „Wem glauben” werden jeweils am Donnerstag um 19 Uhr im Programm O 1 gesendet und am selben Tag um 22.25 Uhr in O R sowie am folgenden Montag um 15.05 Uhr in O R wiederholt.)

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