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Jesus hat midi nicht gewollt.. .“

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Diesen lapidaren Satz hat Adolf Holl in sein Tagebuch geschrieben, nachdem er einen Artikel von Professor Plank gelesen hatte, dessen These war: „Jesus hat den Priester nicht gewollt.“

Holl sagt darüber weiter, Plank habe aus den Schriften des Neuen Testamentes nachgewiesen, daß Jesus den Ausdruck „Priester“ äußerst selten gebrauchte — und dann im negativen Sinn. In seinem „Bestseller“ („Jesus in schlechter Ge,sell-schaft“) führt Holl die „Beweise“ für die These, die ihn so sehr beeindruckte, weiter aus: „In den Äußerungen Jesu... findet sich nicht die Spur einer Absicht, neue priesterliche Ordnungen zu stiften ... Um genau zu sein: das Wort Priester

alles. Diese Art von Priestern hat Jesus allenfalls hingenommen, niemals positiv bewertet... Kurzum: die Priesterschaften der heutigen Großkirchen, ihr Klerus also, können sich von Jesus her nicht legitimieren. Jesus selbst hatte andere Dinge im Kopf, soviel steht heute fest. (S. 77 f.)“ Und auf Seite 84 heißt es: „Die frühen christlichen Gemeindevorsteher (presbyteroi — wovon unser heutiger Ausdruck .Priester', dann episcopoi — wovon unser .Bischof stammt) hatten keinerlei sakrale Funktionen inne... sie glichen eher Bürgermeistern, nicht aber Kultpriestern.“

Zu diesen Ausführungen ist einiges zu bemerken. Pfarrer Nedbal sagte im letztwöchigen TV-Gespräch: „Ich habe damals auch den Artikel von Plank gelesen, aber nichts in mein Tagebuch geschrieben... So einfach nur mit dem Plank zu beantworten ist die Frage ja nicht.“ Man könnte Adolf Holl zum Beispiel empfehlen, einmal in Herders Theologischem Taschenlexikon, Band 6, S 75—80 unter dem Stichwort „Priester, Priestertum“ nachzulesen. Vielleicht bekäme er heilsame Zweifel, ob Professor Planks Artikel, den er vor Jahren las, wirklich „der Weisheit letzter Schluß“ gewesen ist. Man könnte ihm empfehlen, vielleicht einmal die Stichhaltigkeit der Argumente kritischer zu prüfen, die etwa gegen die Echtheit jener Bibelstellen vorgebracht werden, die uns von der Uber-tragung der wesentlichsten priesterlichen Vollmachten und Funktionen an die Apostel durch Jesus Christus selbst berichten: der Vollmacht und des Auftrags, das Abendmahl weiter zu feiern (Lk 22, 14—20) — der Vollmacht, den Menschen in der Kraft des Heiiiigen Geistes ihre Sünden nachzulassen (Jo 20, 21—23) — der Vollmacht und des Auftrags, das Evangelium allen Völkern zu verkünden, sie zu taufen und zu lehren,

alle Gebote Jesu Christi zu befolgen (Mt 28, 16—20).

Die Behauptung, die „presbyteroi“ der Heiligen Schrift glichen etwa Bürgermeistern, liest sich besonders interessant, wenn man sie mit dem Jakobusbrief konfrontiert, wo diese „Bürgermeister“ den Gläubigen das Sakrament der Krankenölung spenden (Jak 5, 14 f.)

Vielsagend — und eindrucksvoll — war Holls Vergleich seines Konfliktes mit der Kirche mit einem Ehestreit: „Ein Mann, der seine Frau mag, sagt (weil es leider wahr ist): Du kochst aber wirklich schlecht! Und sie totalisiert das gleich: Dann laß dich halt scheiden! Er hat doch nur die Kochkunst kritisiert... Mir scheint, mir geht's geradeso: ich habe in umschriebenen Punkten Kritik geübt und Zweifel geäußert und das Echo ist: Na, dann verschwind halt, dann laß dich scheiden!... Ich will mich nicht scheiden lassen ...!“

Die Oberflächlichkeit des Vergleichs ist erschütternd. Pfarrer Nedbal rückte auch da die Dinge ins rechte Licht: „Die Kirche lebt von ihrer Lehre. Wenn sie diese nicht mehr hat, dann hat sie nichts. Es wird ihr grundsätzlich der Boden weggezogen.“

Es geht bei Gott nicht bloß um das „Gut-oder-schlecht-Kochen“ — es geht um den lebendigen Glauben, jenen Glauben, den Christus immer wieder unabdingbar gefordert hat, als er etwa dem Volk verkündet hatte: „Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, welches ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt. Da sagten sie: Wie kann uns der sein Fleisch zu essen geben?! Er aber bleibt dabei: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohns nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in

euch. Von da an zogen sich viele seiner Jünger zurück ...“ Was tut nun Jesus? Widerruft er? Schwächt er ab? Beginnt er eine große Diskussion? Versucht er seine Jünger zu überreden, daß sie doch um Gottes willen trotzdem bei ihm bleiben sollen? Nichts von alledem. Er ist bereit, auch sie alle zu verlieren, wenn sie sich nicht im Glauben beugen wollen: „Wollt auch ihr fortgehen?!“ (Jo 6, 51—54 und 66—68.)

Wie todernst es Jesus um den Glauben ist, lesen wir bei Matthäus: „Wer aber einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, dem wäre es besser, es würde ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er würde in die Tiefe des Meeres versenkt werden!“ (Mt. 18, 6.) Und wie sieht Jesus selber seine Kirche? Sieht er sie „holl-isch“?! Zu den Aposteln sagt er: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“ (Jo 20, 12.) — Er identifiziert sich mit ihnen: „Wer euch hört, hört mich. Wer euch verachtet, verachtet mich. Wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat.“ (Lc 10, 16.) „Ich werde euch den Geist der Wahrheit senden, daß er in Ewigkeit (also durch alle Zeit!) bei euch bleibe.“ (Jo 14, 16 f.)

Und noch ein Wort zum Schluß: Der Bischof trägt einen Ring. Ob kostbar oder nicht, ist Neben-, weil Modesache. Dieser Ring ist in den Augen Unwissender ein bloßer Schmuck, eine Eitelkeit, ein Relikt alter Zeiten, die für immer vergangen sind. Für den aber, der sich noch den urmenschlichen Sinn für Symbole bewahrt hat und der überdies in der Heiligen Schrift bewandert ist, hat dieser Ring eine tief3 Bedeutung: er symbolisiert die Lebens- und Liebesgemeinschaft, die „Ehe“ zwischen dem Bischof, dem unmittelbaren Vertreter Christi, und dem ihm anvertrauten, in der Bischofsweihe „angetrauten“ Volk. Der Bischof muß bereit sein, nach dem Vorbild seines

Herrn als guter Hirt für sein Volk zu leben, zu arbeiten, zu kämpfen, seinen Glauben zu kräftigen, zu schützen, zu verteidigen. Bei einem Kardinal wird diese Tatsache noch besonders unterstrichen durch das Symbol des Roten Hutes, der ihn mahnen soll, im Kampf für seine Gläubigen — wenn nötig — auch sein Blut zu vergießen, seinen Kopf zu riskieren. Nur für Ungläubige sind solche Gedanken überspannt und lächerlich — für jene Menschen, die zwar auf den Christen-Namen nicht verzichten wollen, aber alle Märtyrer der Vergangenheit und Gegenwart letztlich für Narren halten, weil sie selbst eben keinen lebendigen Glauben, keine persönliche Liebe und Begeisterung für Christus und seine Kirche aufbringen.

Aus solchen Erwägungen heraus hat der Kardinal-Erzbischof von Wien schon vor Jahren traurigen Herzens erklärt, er fühle sich durch die Verantwortung seines hohen Amtes gezwungen, gegen Holl als öffentlicher Leugner wesentlichster Glaubenswahrheiten Sanktionen zu verhängen — täte er's nicht, dann würde er als Bischof unglaubwürdig. Daß er im Falle Holl so lang Geduld gehabt hat, daß er immer die mildeste Form suchte, die ihm möglich schien, sollte man ihm jetzt weder mit „sittlicher Entrüstung“ noch mit Spott und Hohn vergelten. Er hat wahrhaftig nur seine Pflicht getan.

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