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Jesus und seine Pfarrer

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Vor 31 Jahren wurde der Autor dieses Beitrags zum Priester geweiht. Im Seminar wurde betont, wie notwendig für den Priesterstudenten die ganz persönliche Christusbeziehung sei. In welcher Form ist sie geglückt, wie hat sie sich im Laufe der Zeit entfaltet? Darüber wird nur selten geredet, dann und wann vielleicht im Freundeskreis. Am Rande einer Priesterratstagung hatten wir einmal mit Kardinal König solch ein Gespräch: Wie erstaunt war selbst er über die Unterschiedlichkeit der Glaubenswege!

Nun ist ein erstaunliches Buch erschienen, das 45 evangelische Amtsträger, Männer und Frauen, über ihre ganz persönliche Jesusbeziehung erzählen läßt. Um es gleich vorwegzunehmen: Mag es auch zwischen der katholischen Kirche und den Kirchen der Reformation gerade auf dem Gebiet des Amtsverständnisses beträchtliche Meinungsverschiedenheiten geben, so ein Buch würde von katholischen Priestern verfaßt sehr ähnlich aussehen.

Freilich, es würde auch Verschiedenheiten geben: So fehl-

ten etwa vor allem die zehn Pfarrerinnen, die sehr viel Farbe in dieses wunderbare Christus-Mosaik bringen. Ein abweichender Akzent findet sich auch in der an vielen Stellen beschriebenen geistlichen Prägung der Autoren durch Liedtexte pietistischer Art, die in der Kindheit gesungen wurden, und im großen Einfluß alter Musik. Noch eine Divergenz: Viele Autoren kommen aus Pfarrerfamilien!

Das der katholischen Kirche so wertvolle Bekenntnis zu Jesus, dem Sohn Gottes, Gott und Mensch zugleich, wird von den evangelischen Amtskolleginnen und -kollegen klar und deutlich geteilt, wobei freilich auch bei. ihnen die Frage aufklingt, wie das dem Menschen von heute einigermaßen nahezubringen sei.

Andere Autoren lassen ein tief betroffenes Suchen erkennen, viele betonen, das Bild von

Jesus könne für sie nie fix und fertig sein.

Dieser so gar nicht einfach in den theologischen Griff zu bekommende Jesus wird auf höchst aktuelle Probleme hin befragt: Was sollte auch die Botschaft von der Liebe Gottes, von der Erlösung des Menschen bedeuten, wollte man etwa Fragen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung, Fragen der Gleichberechtigung der Frauen, kurzum politische Fragen aus dem gläubigen Denken ausklammern?

Spannungen zur traditionellen Theologie sind dabei unvermeidbar: Bemerkenswert sind viele griffige und deshalb angreifbare Sätze, etwa „Der Allmächtige in herkömmlichem Sinne ist für mich spätestens am Karfreitag endgültig gestorben. Der machtlose Jesus am Kreuz ist paradoxerweise das gültige Bild des ausschließlich in Liebe allmächtigen Gottes“, oder „Mein Jesus, denke ich immer, liebt das große Karo, nicht die Kleinkariertheit“.

WAS SAGEN DIE LEUTE, WER ICH SEI? Jesus und seine Pfarrer. Von Hartmut Weber (Hrsg.). Kreuz-Verlag, Stuttgart 1985. 350 Seiten, kart., öS 232,50.

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