6811036-1972_34_07.jpg
Digital In Arbeit

Jetzt Anarchisten und Maoisten

19451960198020002020

Der Prozeß vor dem Militärgericht im ehemals britischen Militärlager von Sarafend (jetzt in Z'rifin = Baracken umgetauft) gegen den japanischen Terroristen Okamoto hat, als einziges interessantes Moment, die einstündige Bekenntnisrede des jungen Terroristen zur Weltrevolution gebracht — zur Weltrevolution „mit dem Ziel der Schaffung der klassenlosen Gesellschaft“, wie er sie versteht und für die seine Kameraden von der „Roten Armee“ in Japan und anderswo bereit sind, Blut zu vergießen. Blut, gleichviel wo, gleichviel von wem, bis zum „Endsieg“.

19451960198020002020

Der Prozeß vor dem Militärgericht im ehemals britischen Militärlager von Sarafend (jetzt in Z'rifin = Baracken umgetauft) gegen den japanischen Terroristen Okamoto hat, als einziges interessantes Moment, die einstündige Bekenntnisrede des jungen Terroristen zur Weltrevolution gebracht — zur Weltrevolution „mit dem Ziel der Schaffung der klassenlosen Gesellschaft“, wie er sie versteht und für die seine Kameraden von der „Roten Armee“ in Japan und anderswo bereit sind, Blut zu vergießen. Blut, gleichviel wo, gleichviel von wem, bis zum „Endsieg“.

Werbung
Werbung
Werbung

Die drei Japaner der „Roten Armee“ hatten kein besonderes Interesse an dem Kampf der Palästinenser gegen den Judenstaat. Okamoto hat das in seiner einstündigen Rede vor dem Militärgericht auch gar nicht behauptet. Daß er und seine Kameraden von der „Befreiungsvolksfront“ des Dr. Habasch angeworben, in einem libanesischen Übungslager ausgebildet wurden, das erzählte Okamoto ebenso sachlich wie den Verlauf seiner Reise nach Rom, wo er Waffen und Pässe erhielt.

Für König Hussein ist der Fall Okamoto eine neuerliche Rechtfertigung seines Kampfes gegen die „Feddajin“, die er vor zwei Jahren aus Jordanien vertrieb, weil sie

„nicht gegen Israel kämpfen, sondern In Jordanien Revolution machen wollten“.

Für die Israelis ist das nichts Neues. Sie wußten schon seit 1968, daß es den Palästinensern mehr um die Eroberung Jordaniens als Israels geht. Beweis dafür war, daß von 20.000 bis 25.000 Mitgliedern der Fatah nur etwa 3000 für Aktionen gegen Israel in Betracht kamen. Die anderen „kämpften“ in Jordaniens Städten und Dörfern gegen den König.

Die Terroristen konnten lediglich als ihr Verdienst buchen, daß sie die Juden teils direkt und teils indirekt, indem sie Israel zu Strafaktionen zwangen, innerhalb von drei Jahren 327 Tote gekostet hatten. Dafür zahlten sie selbst mit 1778 Toten und fast 4000 Gefangenen.

Die Palästinenser freilich ubertreiben sowohl ihre eigenen Verluste — um Spenden für Witwen und Waisen der Freiheitskämpfer zu verrechnen — als auch die der Israelis. Nach ihren Angaben müßten sie etliche Zehntausende Juden getötet oder verwundet haben. Aber schon im Herbst 1970, nach dem Tode Nassers, als Hussein den Endkampf gegen die Palästinenser aufnahm, wußten viele Araber die Wahrheit. Wußten, daß die Bevölkerung des Westjordanlandes nicht die geringste Lust hatte, sich in einem revolutionären Kampf gegen Israel zu erheben; daß es immer nur einzelne Gruppen von Verschwörern gab, die zu vereinzelten Sabotageakten fähig waren, daß aber Israel niemals ein Vietnam werden würde.

So kam es, daß seit dem De-facto-Waffenstillstand mit Jordanien vom 7. August 1970, und noch mehr seit der Vertreibung der Feddajin aus Jordanien, die Tätigkeit der Terroristen immer geringer wurde.

Keine ihrer Hoffnungen ging in Erfüllung. Sie hatten damit gerechnet, daß die Nachrichten über ihre Terrortaten, zumindest in der phantastisch übertriebenen Form, in der sie den diversen Nachrichtendiensten übermittelt und von diesen getreulich abgedruckt wurden, den Touristenverkehr nach Israel empfindlich schädigen würden. (Tourismus spielt für Israel eine ähnlich wichtige Rolle wie für Österreich.) Das Gegenteil war der Fall: die amerikanischen Gäste, die den Hauptteil der Touristen ausmachen, waren begeistert von der „Sicherheit“ auf den Straßen Israels, die nach ihrem Urteil unvergleichlich größer ist als in den Straßen New Yorks, Chika-gos oder Washingtons. Die Flut der Besucher schwoll derart an, daß die israelischen Hotels sie nicht bewältigen konnten.

Die Araber hofften, Attentate auf Flugzeuge würden Israel an seiner Lebensader treffen. Das Gegenteil trat ein: heute bewältigt EL AL nahezu die Hälfte des Touristenverkehrs von und nach Israel.

Die Palästinenser rechneten damit, daß der Terror die Stärkung Israels durch Einwanderer und durch Kapitaleinfuhr hindern werde. Nichts davon traf ein. Die Einwanderung hatte 1972 einen seit 1964 nicht mehr erreichten Höhepunkt. Im selben Ausmaß nahm der Kapitalimport zu. Die Dollarreserven des Staates stiegen von 377 Millionen gegen Ende 1970 auf 1000 Millionen im Juli 1972.

Es scheint, als ob dieses Scheitern ihrer Kalkulationen mehr und mehr dazu führt, die Kampforganisationen zu verlassen. Bei Straßendemonstrationen in Beirut und Damaskus können noch Tausende und sogar Zehntausende auf die Beine gebracht werden, aber immer weniger sind bereit, auch nur die Uniform der Guerilleros anzuziehen. In Israel schätzt man die Zahl der uniformierten Feddajin im Libanon auf höchstens 5000; in Syrien mag es noch 3000 geben; einige Tausend dürften im Irak und in Ägypten verfügbar sein. Das ist alles, was von der „Befreiungsarmee“ übrig geblieben ist.

Von dieser „Armee“ ist nur ein Teil noch palästinensisch. Algerien schickt nicht nur Artillerie, sondern auch Soldaten. Libyen wirbt in Griechenland und anderswo Freiwillige für Palästina an und schickt libysche Kämpfer nach dem Libanon; bei einem Luftangriff auf das libanesische Dorf Hasbeya töteten israelische Bomben einen Neffen des libyschen Staatspräsidenten Ghadafl. Für Terrorangriffe auf Flugzeuge und für Terror im Ausland, wo die Hand der Israelis nicht hinreicht, sind Nicht-araber begreiflicherweise besser geeignet als Araber, die immerhin Verdacht erregen, wogegen ein Grieche, ein Italiener, ein Deutscher oder Franzose nicht weiter beachtet wird. So sucht denn die palästinensische Befreiungsfront jetzt ihre Verbündeten unter den Anarchisten, Trotzkisten und Maoisten der freien Welt. Der Kampf gegen Israel soll von nun an nur einen Teil des Krieges gegen das „Establishment“ bilden. Die Führer der Fatah, der „Front“ und der anderen Organisationen, die auszogen, um Palästina zu befreien, überlassen jetzt diese undankbare Aufgabe den Fremden. Okamoto und Genossen waren die ersten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung