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Jetzt fallen die Würfel

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Sozialforscher nahmen jüngst den „Homo ludens" in Österreich unter die Lupe. Gleichzeitig geht der Expertenstreit pro und kontra Videospiele munter und heftig weiter.

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Sozialforscher nahmen jüngst den „Homo ludens" in Österreich unter die Lupe. Gleichzeitig geht der Expertenstreit pro und kontra Videospiele munter und heftig weiter.

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In der Adventzeit rollte das Spielgeld. Werden nämlich Spielwaren während des Jahres eher stiefmütterlich be- und gehandelt, so verändert sich die Situation gegen Jahresende: Spielwaren stehen plötzlich hoch im Kurs. Psychologen und Alternative wehren sich mittlerweile gegen Kriegsspielzeug und verurteilen Videospiele. Uberhaupt wollen Marktbeobachter eine Spielfeindlichkeit des Österreichers bemerkt haben.

Aber es stimmt alles nicht. Kürzlich präsentierte das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) eine Untersuchung, der-zufolge Spielen einen wesentli-chen'Bestandteil unseres Alltagslebens darzustellen scheint. Untersuchungen über das Spielverhalten sind ja eine Seltenheit, und umso interessanter ist daher das von den sozialistischen Kinderfreunden in Auftrag gegebene Werk.

So wurde beispielsweise von Ernst Gehmachers Mannschaft gefragt, wie oft eigentlich gespielt werde. Uberraschend die Antwort: Jeder dritte Österreicher will „in der Vorwoche etwas getan haben, was man als Spiel bezeichnen würde" (Fragetext).

Nach Alter aufgeschlüsselt zeigt sich, daß Jugendliche öfter spielen als ältere Menschen, doch ist der Unterschied nicht gravierend: Bei den 16- bis 24jährigen sind es 46 Prozent und bei den 25-bis 39jährigen immerhin 39 Prozent. Auch die Generation darüber amüsiert sich noch durch Spiele aller Art: Jeder vierte Senior spielt. Und seien es Karten.

Aufschlußreich ist ein Detailergebnis. Das soziale Gefälle unter den Spielern war nämlich auch ein Punkt der ein Sample von rund 2000 Personen aufweisenden Untersuchung. Kernaussage: Die „A-Schicht" (Akademiker und Großverdiener) spielt lieber als Angehörige der sogenannten „E-Gruppe" am unteren Ende der Bildungs- und Einkommensskala.

In Österreich wird in erster Linie Karten gespielt: Schnapsen und Tarock scheint — schon aus Tradition — Spielhobby Nummer eins zu sein. Zu Brett- und Gesellschaftsspielen fühlen sich schon weniger Leute hingezogen: Nur ein Drittel der Spieler greift darauf zurück. Ein gravierender Nachteil der IFES-Forschungsar-beit ist freilich die Tatsache, daß auch Sport als Spiel bewertet wurde und somit das Ergebnis verfälscht.

Während nun erstmals Meinungsforscher in diese Richtung forschen, wettern Psychologen schon seit einer kleinen Ewigkeit gegen den Videospiele-Boom. Keine Woche vergeht ohne neue Untersuchungen pro und kontra Video. Während die Mehrzahl der Psychologen die oftmals überzeichnete Brutalität der Spiele verurteilt, vergißt man gleichzeitig, daß eine wirklich objektive Untersuchung über viele Jahre hinaus durchgeführt werden müßte, um tatsächlich konkrete Ergebnisse zu liefern.

Der Computerhersteller Com-modore präsentierte ebenfalls kürzlich eine deutsche Untersuchung, die von einem der deutschen Tabakregie gehörenden Meinungsforschungsinstitut erstellt wurde. Das Ergebnis: Telespiele seien — natürlich — positiv und würden den Jugendlichen die sinnvolle Einführung in die Computerwelt erleichtern.

Dennoch kracht es am Markt. Während die Österreicher heuer Videospiele wie noch nie kauften, wissen die großen, internationalen Hersteller nicht, wie ihnen geschieht. Der weltweit größte Hersteller von Videospielen, Atari, geriet wegen unvorsichtiger Transaktionen in pekuniäre Probleme. Der Spielkonzern Mattel, auf der Nürnberger Spielwarenmesse noch massiv Videospiele auf den Markt werfend, zog sich nun endgültig vom Elektronikmarkt zurück. Texas-Instruments soll sich ebenfalls, Branchengerüchten zufolge, diesbezüglich stark eingeschränkt haben.

Das sind Probleme, die den jüngst blindwütig kaufenden Konsumenten auf den Kopf fallen könnten: Geht jemand in Konkurs, dann ist die Lieferung von Spielkassetten zur Hardware, also zur bereits gekauften Spielkonsole, nicht mehr gesichert.

Hersteller von herkömmlichen Brettspielen sind zwar alle mit dem abgelaufenen Weihnachtsgeschäft zufrieden und haben außerdem ab 1. Jänner die Preise umi fünf Prozent erhöht, dennoch kracht es auch da. Der Große unter den Spielanbietern, Ravensburger, überlegt sich sehr gut einen Einstieg in den Markt der Elektronikspiele.

Die Nummer zwei auf diesem Sektor, Piatnik, spricht zwar von „keiner Krise", dennoch scheint man den Import von Fernostware zu Dumpingpreisen allgemein zu fürchten. Vor allem Plüschtiere und Elektronikspiele machen es dem heimischen Markt schwer.

Mensch ärgere dich nicht: Einer der deutschen „Großen", der Buchholz-Verlag, ging im Februar pleite. Manche fragen sich deshalb: Wer wird als nächster einmal aussetzen und zurück zum Start müssen?

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