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Jetzt nur ja nicht ausreizen

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Staatsrechtlich ist alles möglich. Das beginnt bei einer Minderheitsregierung und reicht — ohne daß eine Änderung der Verfassung notwendig wäre — bis zur Konzentrationsregierung.

Richtig ist, daß die Verfassung die im Parlament vertretenen Parteien nicht in eine Allparteienregierung zwingt, aber sie verhindert auch nicht, daß die Parteien freiwillig nach ihrem Stärkeverhältnis eine gemeinsame Regierung bilden. Sie müßten nur wollen.

Und SPÖ, FPÖ und die Grünen wollen nicht. Jeder weitere Gedanke an diese Variante ist Zeitverschwendung in Vorstandssitzungen der ÖVP.

Das andere Extrem, eine Minderheitsregierung, ist gegenwärtig staatspolitischer Unsinn. Jede der beiden Großparteien würde sich hilflos dem Wohlwollen der FPÖ ausliefern.

Ob stille oder deklarierte kleine Koalition: Einer so brustschwachen Konstruktion ist — unter welchen Vorzeichen auch immer— nichts zuzutrauen. Das gilt für ei-' ne Neuauflage eines rot-blauen Bündnisses ebenso wie für eine schwarz-blaue Koalition. Da würde der Schwanz mit dem Hund wedeln.

Bleibt die große Koalition der beiden Großparteien, die als Großverlierer der Wahlen vom 23. November nun praktisch gleich-auf liegen. Sie haben sich vor dem Wahltag zur Zusammenarbeit bekannt und dafür gemeinsam über vier Millionen Stimmen bekommen. Und Jörg Haider war erfolgreich, weil er — wie die Grünen — als Opposition auf- und angetreten ist. Die Ablehnung einer großen Koalition liegt insgesamt trotzdem nur bei etwas über 15 Prozent.

Keine Partei hat das Recht, die Wählerentscheidungen des vergangenen Sonntags x-beliebig umzudrehen. Und auch die ÖVP hat in dieser Stunde nicht danach zu fragen, was für sie opportun — vielleicht gar schwarz-blaue Koalition oder Opposition -, sondern was für das Land gut ist. Sonst reiht sie eben nicht „Österreich zuerst“.

Dieses Österreich muß nicht irgendeine Regierung bekommen, sondern eine so starke und handlungsfähige, die ohne Zittern tiefgreifende Veränderungen anpak-ken kann.

Um diese Veränderungen müssen SPÖ und ÖVP in den nächste Woche beginnenden Koalitionsgesprächen ringen, dürfen nicht um Machtsphären pokern, nicht das Vis-ä-vis auf- und ausreizen.

Jetzt schlägt, wie es Kurt Vor-hofer in der „Kleinen Zeitung“ formuliert hat, die Stunde der Patrioten. Und es ist auch eine Stunde der Bewährung für Kurt Waldheim, der als Bundespräsident staatspolitische Anliegen mit Auflagen verbinden kann. Jetzt ist er den Österreichern mit seinem Versprechen, aktiv agieren zu wollen, im Wort. Und dann kann er wohl nicht jedem windigen Experiment zustimmen.

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