6995832-1987_09_02.jpg
Digital In Arbeit

Jetzt reicht's

Werbung
Werbung
Werbung

Das offizielle Österreich hat bisher gut daran getan, in der Verteidigung österreichischer Interessen gegen ausländische Kritik Maß zu wahren. Die Gegenwartsgeschichte ist zu komplex verlaufen, als daß wir uns nur als verfolgte Unschuldslämmer sehen dürften.

Aber schön langsam reicht es, was uns da immer wieder zugemutet wird. Wenn plötzlich der belgische König, angeblich unter dem Druck seiner Regierung, als Protektor des Österreich gewidmeten ,JZuropalia”-Festivals ausscheiden möchte, um nicht auf derselben Seite des Festkatalogs wie Kurt Waldheim ein Vorwort schreiben zu müssen, dann ist eine Reizschwelle erreicht, die zum entschlossenen Handeln zwingt: Entweder Österreich wird wie jedes bisher geehrte Land behandelt — oder wir steigen dankend aus der ganzen Ehrung aus!

Kurt Waldheim ist demokratisch gewählter Bundespräsident. Alle Versuche, ihn der Sympathie mit dem Nationalsozialismus oder gar eines Kriegsverbrechens zu überführen, sind kläglich gescheitert.

Alle demokratischen Staaten der Welt unterhalten auch mit Terror-Regimen und selbst Mörderpräsidenten diplomatische Beziehungen. Weil anders halt eine Weltgemeinschaft überhaupt nicht existieren könnte. Dann aber behandle man den Präsidenten Österreichs nicht wie einen Virusträger!

Er sei, argumentieren auch differenzierende Kritiker, in ihren Augen aber doch ein Opportunist, der mit der Wahrheit in eigener Sache nur stückweise herausgerückt sei.

Gegenvorschlag: Dann jage man alle Opportunisten aus allen Regierungen der Welt! Das Massaker muß man sich vorstellen! Das ist doch üble Heuchelei.

Wahr ist, daß Kurt Waldheim für Politiker in den USA, in Israel, aber offenbar auch in anderen Ländern zu einer Symbolfigur geworden ist, die man im innenpolitischen Schachspiel als Pfand verwerten kann. Das aber braucht sich Waldheim und kann sich vor allem Österreich nicht länger bieten lassen.

Daß 66.000 österreichische Juden in der Hitler-Zeit umgebracht worden sind, ist ein nie wieder gutzumachendes Unrecht. Es erlegt uns keine Kollektivschuld, wohl aber eine Pflicht zur Kollektivscham auf.

Uber 30.000 nichtjüdische Österreicher aber haben das gleiche Schicksal erlitten. Könnten wir mit dem Aufrechnen aufhören und gemeinsam zu jener Würde zurückkehren, ohne die auch eine Republik nicht existieren kann?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung