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Digital In Arbeit

Job-Killer unterwegs

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Nicht erst seit dem letzten Bericht des Club of Rome über den Einsatz der Mikroelektronik geistert die Angst vor noch nicht absehbaren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch Schlagzeilen und Gewerkschaftskongresse. Auch im Karl-Kummer-In-stitut Wien wurde jüngst zum Thema „Computer und Arbeitsplätze” diskutiert. Hier Ausschnitte aus den dazu angestellten Überlegungen.

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Nicht erst seit dem letzten Bericht des Club of Rome über den Einsatz der Mikroelektronik geistert die Angst vor noch nicht absehbaren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch Schlagzeilen und Gewerkschaftskongresse. Auch im Karl-Kummer-In-stitut Wien wurde jüngst zum Thema „Computer und Arbeitsplätze” diskutiert. Hier Ausschnitte aus den dazu angestellten Überlegungen.

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Im Büro von Dr. S., einem erfolgreichen Tiefbauer, arbeiteten seine Frau, eine Sekretärin und zwei Techniker.

Spezielle Berechnungen im Kanalisationsbereich dauern oft mehrere Tage. Eine sehr zeitraubende Tätigkeit.

Dr. S. hat sich für seinen programmierbaren Taschenrechner ein entsprechendes Programm geschrieben. Die erwähnten Berechnungen werden jetzt innerhalb eines Tages durchgeführt und geschrieben.

Diese Vorgangsweise, heute beinahe alltäglich, führte er bei anderen Berechnungsaufgaben ebenfalls durch und es wird eine Menge Zeit eingespart. Dadurch ermutigt, will Dr. S. bis zum Herbst die Anschaffung eines Mikrocomputers tätigen.

Mit den Anschaffungen von maximal 320.000 Schilling kann er neben allen technischen Berechnungen, den dazugehörigen Stücklisten, die gesamte Finanzbuchhaltung, die Lohnverrechnung, die Arbeitszeitenberechnungen, sämtliche Angebote, die Kundenkarteiverwaltung, die Bilanz und die gesamte Textbearbeitung und anderes mehr rasch und sicher durchführen.

Der Plotter und das bereits fertige Zeichenprogramm ermöglichen es ihm, einen Teil der Konstruktionsarbeiten automatisch ablaufen zu lassen.

Ab 1. Jänner sind in diesem Betrieb nur mehr seine Frau, ein Techniker und er selber tätig...

Die Studie des österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung und der österreichischen Akademie der Wissenschaften mit dem Namen „Mikroelektronik, Verbreitung und Auswirkungen am Beispiel Österreich” aus dem Jahr 1981 spricht davon, daß bei allmählicher Umstellung österreichischer Betriebe auf Mikroelektronik (1990 wären 25 Prozent aller dafür denkbaren Betriebe erfaßt) und einer entsprechenden Arbeitszeitverkürzung alleine durch diese Umstellung im Jahre 1985 etwa 100.000 Arbeitslose und 1990 zirka 80.000 Arbeitslose zu erwarten seien.

Hand- und Fließbandarbeiten, Montagearbeit, Maschinenbedienung, Schreib-, Buchungs- und Rechentätigkeit, Buchhaltung und Konstruktionsaufgaben — alles was schematisierbar ist, kann letztlich durch den Einsatz von mikroprozessorgesteuerten Maschinen automatisiert werden.

Das Wissen in den Programmen der Rechner und Automaten geht nicht verloren, ist raschestens abrufbar, steht Tag und Nacht zur Verfügung. Die Maschinen kennen außer ihrer Anschaffung und Wartung keinerlei Kosten, stellen keine Gehaltsansprüche, kennen kein Weihnachts- und Urlaubsgeld, keine Abfertigung und keine Rente und Pension.

Die Maschine hat keine schlechte Laune, kennt keinen Kranken- , stand, vom Karenzurlaub ganz zu . schweigen — und wenn einmal ein Defekt auftritt — die Maschine ist austauschbar, das Wissen bleibt erhalten — es .gibt keine Einschulungsphase.

Wenn die betriebswirtschaftlichen Überlegungen es erfordern, wird das Management jedes Betriebes die entsprechenden Rationalisierungen vornehmen müssen.

Das kostet im Bereich von Fach- und Hilfsarbeit, in Kon-struktions-, Techniker- und Laboratorienberufen, in Buchhaltungen und in Bereichen der Büroorganisation des Handels und der Verwaltung sicherlich eine Menge von Arbeitsplätzen.

Doch es gibt nicht nur „Opfer”. Zu bedenken ist, daß viele belastende, unangenehme, gefährliche, eintönige und gesundheitsschädigende Tätigkeiten von Maschinen ausgeführt werden können.

Außerdem werden Arbeitsplätze geschaffen. Jene, die in der Anlagenherstellung von Industrierobotern, die in der Computer her-stellung oder im Bereich der Software-Produktion tätig sein können — sie werden die Mikroelektronik keinesfalls als Job-Killer bezeichnen können.

Solidarität mit Opfern

Was aber geschieht mit denen, die den Sprung in die neuen Industrien, in die höheren Qualifikationen nicht schaffen, bei denen sich herausstellt, daß sich die „Umschulungskosten” aus Alters- oder Intelligenzgründen nicht .Johnen”? Jene, die bisher bestens geeignet waren, einfache Büro- und Routinetätigkeiten in Produktion und Verwaltung durchzuführen?

Viele von ihnen sind die eigentlichen „Opfer”. Vorerst sind sie gezwungen, Resttätigkeiten zu übernehmen. Diese können aber bereits beim nächsten Automatisierungsprozeß wieder verschwinden.

Die Antwort, daß sich bis dahin schon etwas gefunden hat oder daß das halt einmal so ist, befriedigt nicht, vor allem nicht die Betroffenen und ihre Familien.

Arbeitsplatzprobleme und Fragen zur Humanisierung der Arbeitswelt werden die Interessenvertretungen noch stärker als bisher beschäftigen müssen.

Ganz sicher werden sich Sozialpartner, Politiker und auch Wissenschafter damit auseinandersetzen müssen, wie der Ausgleich zwischen jenen Branchen hergestellt wird, die heute zwar immer mehr zur Produktion beitragen, dafür aber verhältnismäßig weniger Arbeitskräfte brauchen, und jenen Bereichen, die wohl arbeitskräfteintensiv sind, kaum aber echt befriedigende Kapitalbildungsmöglichkeiten haben.

Oer Autor ist als Angehöriger der Fraktion Christlicher Gewerkschafter Bildungsrefe-rent beim OGB.

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