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,,Jodelsteirer" oder grüner Rebell ?

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Neue Forschungen und eine vom Klischee ungetrübte Betrachtungsweise klären das Bild des außergewöhnlichen Habsburgers, der für die Steiermark soviel bedeutet.

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Neue Forschungen und eine vom Klischee ungetrübte Betrachtungsweise klären das Bild des außergewöhnlichen Habsburgers, der für die Steiermark soviel bedeutet.

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Die Steiermark feiert am 20. Jänner den 200. Geburtstag des Erzherzog Johann, dem das Land nach ungeteilter Meinung der Bevölkerung zu dankbarem Gedenken verpflichtet ist Auch Kreise, in denen man an der vermeintlichen Heroisierung oder Heiligsprechung des steirischen Prinzen keine Freude hat, gestehen ihm den Anspruch auf eine gewisse Aufmerksamkeit zu.

So wird es nach der offiziellen Geburtstagsfeier des Landtages und der Landesregierung das Jahr über einen bunten Reigen von Festen und Feiern geben, in denen je nach dem Geschmack und der Gesinnung der Veranstalter das Lob des steirischen Prinzen gesungen werden wird: an den Stifter des Joanneums wird erinnert werden, an den Gründer der Landwirtschaftsgesellschaft und des Gewerbevereines, der Technischen Universität (Erzherzog-Johann-Universität in Graz) und der Montanistischen Universität in Leoben, an den Jagdherrn und Radmeister, an den Reichsverweser und schließlich an den Bürgermeister von Stainz.

Dabei werden sich die unbekümmerte Freude der einfachen Menschen, der Ernst der Gedenkreden hoher Amts- und Würdenträger mit der bekümmerten Sorge historisch-kritischer Gemüter vermischen, die dem Erzherzog empfehlen, seinen Steirerhut abzunehmen, damit das edle Haupt des aufgeklärten Menschenfreundes unbehindert betrachtet werden kann.

Schon in der Vorbereitung auf das Jahr hin zeichneten sich die Standpunkte ab, von denen aus man jeweils den richtigen Blick zu haben glaubt. Bühnenstücke, Fernsehfilme, Vortragszyklen, Aufsätze und Bücher wurden geschrieben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Objektiv betrachtend muß man gelten lassen, daß bei aller Verschiedenheit der Akzentuierung bestimmter Charakterzüge des Erzherzogs im Grunde eine gerechte Mitte in der Darstellung gefunden und eingehalten wurde.

Um das klare Bild des steirischen Prinzen und seine Zeit bemüht sich die vom Kulturreferat der Steiermärkischen Landesregierung unter der Leitung von Professor Grete Klingenstein veranstaltete große Landesausstellung, die im kommenden Mai im Schloß Stainz, einer von Johann besonders geschätzten Wirkungsstätte, eröffnet werden wird.

Wertvolles zur Einstimmung in das Gedenkjahr beigetragen hat schon jetzt Wolfgang Arnold in seinem mit Spannung zu lesenden Roman „Erzherzog Johann". Eine kenntnisreiche bewegende Geschichte des Menschen Johann, seiner Mitwelt und seines Wirkens.

Hans Magenschab gab seinem Erzherzog Johann den Untertitel „Habsburgs grüner Rebell". Ein solcher war er wohl im Widerstand gegen den Zeitgeist, gegen alles Verrostende, gegen alle Mißstände in der Politik, in der Gesellschaft, in der Welt der sozialen Ordnung. Aber als Grundmotiv leuchtet aus allen seinen Taten und Worten letzten Endes doch eine gläubige Menschlichkeit auf, in der seine oft von Zweifeln geplagte Sorge um die Zukunft beschlossen war.

Was immer sich Anekdotisches um seine Erinnerung rankt, unbezweifelt von allen wird er als der Notwender anerkannt, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Gründung von Institutionen des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens durch sein tätiges Beispiel als Bauer, Waldbesitzer und Hammergewerke einem armen, verdrossenen, zurückgebliebenen Land zu einem blühenden Gemeinwesen werden half.

Gewiß hat es auch in anderen Ländern Männer gegeben, die sich an die Spitze ihres Berufsstandes gestellt haben und in der Zeit der beginnenden Industrialisierung die notwendige „Revolution" angeregt haben. In der Steiermark ist es eben er gewesen, von ringsum betrachtet der erste, dessen Werke weit hinaus über die Alpen als Beispiel gerühmt und nachgeahmt wurden.

Als er in das Land kam, war er ein junger Mann von 29 Jahren, kein resignierter, aber ein enttäuschter Soldat, ein gekränkter Mensch. Was er an Ämtern mitbrachte und was er vorläufig noch ' weiter wahrzunehmen hatte, war die Generaldirektion des Genie-und Fortif ikationswesens und die Direktion der Ingenieur- und Neustädter Militärkadetten-Akademie. Für beide Bereiche war er ein durch Erfahrung, Studium und Studienreisen erfahrener und bewährter Fachmann.

Seine Bildung aber reichte weit über das Technisch-Militärische hinaus. Seine bedachtsam angelegten botanischen und mineralogischen Sammlungen und seine Bibliothek weisen ihn als einen an den neuen Erkenntnissen der Naturwissenschaften brennend anteilnehmenden Kenner aus. Der Tradition seines Hauses verpflichtet, war sein Interesse der Geschichte und der Geographie des ganzen Kaiserstaates, vor allem auch den sozialen und wirtschaftlichen Zuständen in ihm zugewandt.

Er kam ohne Amt und Auftrag ins Land — noch an seinem Lebensabend hatte er es als bitter empfunden, daß man in der großen Politik seine Mitwirkung nicht brauchen wollte.

Es war nicht nur jugendlicher, ungestillter Tatendrang, es war, wie es von allen Biographen bestätigt wird und wie es aus seinen Aufzeichnungen glaubhaft immer hervorgeht, das sittliche Bewußtsein, als Angehöriger des durch das Gottesgnadentum verpflichteten Fürstenhauses für das Land und für seine Menschen sorgen zu mUssen.

In die Steiermark kam er mit seinem ganzen geistigen und materiellen Besitz, dieser Bestimmung gerecht zu werden. Hier war es ihm möglich, zu verwirklichen und zu vollenden, was in seiner Intention für das größere Reich und in seiner Gesinnung für die Menschheit schlechthin vorgegeben war.

Nun aber gibt es noch das Bild, das das Volk sich von ihm machte und lebendig erhält. Wieviel davon schon zu seinen Lebzeiten festgehalten war, ist kaum zu erforschen.

Gewiß ist, daß Peter Rosegger schon in seinem ersten Gedichtband „Zither und Hackbrett", 1869, zehn Jahre nach Johanns Tod, Dinge aufzuschreiben begann, mit der Freiheit des Dichters ausschmückte, Neues dazu ersonnen hat, was alles zusammen den Erzherzog zum Prinzen, zum „Liebling der Alpenbewohner" machte.

Man täusche sich nicht: in diesem von Rosegger verbreiteten, den „Sangesbrüdern" und Trachtenf reunden ans Herz gelegte und von ihnen dankbar angenommene Büd, fehlen die Züge, die in manchen trivialen „Dichtungen" überwiegen.

Er war nicht der „aufgeputzte Jodelsteirer", der im Veitscher Ochsengalopp über den Tanzboden trampelte. So lebt er nicht im Bewußtsein des Volkes, so vermarktet ihn die Unterhaltungsin-dustrie. Er weicht keiner Hochzeit aus, zu der man ihn lud, er geht auf Jahrmärkte und zu Almfesten —und überall erscheint er—in seinem Jägergewand von allen gleich erkannt - als der langsam Vorübergehende, als der freundlich den Gruß Bedankende, der beifällig sein Wohlgefallen an der Fröhlichkeit des einfachen Landlebens zeigt.

Der Autor iit Präsident des Steiermärkischen Landtages.

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