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Jom-Kippur- Wahlen

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Ministerpräsidentin Golda Meir forderte, daß in der Zentrale der Arbeiterpartei, an deren Spitze sie steht, in einer geheimen Abstimmung ihr und ihren Kollegen in der Regierung volles Vertrauen ausgesprochen werde. Dies ist darauf zurückzuführen, daß in der Folge des Jom-Kippur-Krieges immer mehr Kritik gegen die Regierung laut wurde.

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Ministerpräsidentin Golda Meir forderte, daß in der Zentrale der Arbeiterpartei, an deren Spitze sie steht, in einer geheimen Abstimmung ihr und ihren Kollegen in der Regierung volles Vertrauen ausgesprochen werde. Dies ist darauf zurückzuführen, daß in der Folge des Jom-Kippur-Krieges immer mehr Kritik gegen die Regierung laut wurde.

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In einer Petition, unterzeichnet von einer großen Anzahl von Universdtätsprofessoren, ehemaligen Generälen, Schriftstellern und Persönlichkeiten der Wirtschaft, wurden die Parteien aufgefordert, ihre Kandidatenlisten zu „öffnen“. Gemeint ist da die Möglichkeit, einen Teil der Kandidaten mit Aussicht auf Wahl oder Wiederwahl ins Parlament auszutauschen, um auch jungen Kräften die Möglichkeit zu geben, sich zu beweisen. Ferner wurden die Parteien aufgefordert, die Wahlen vom 31. Dezember 1973 auf ein späteres Datum zu verschieben, so daß die Möglichkeit besteht, einen internen Wahlkampf zu führen und den jungen Kräften zu ermöglichen, den ihnen gebührenden Platz innerhalb der Wahllisten ihrer Parteien einzunehmen.

Sicherheitsminister Moshe Dayan verfolgte vor dem Jom-Kippur-Krieg eine Politik der stillschweigenden Annektierung. Er war zwar dagegen, die besetzten Gebiete offiziell zu einem Teil des Staates Israel zu proklamieren, doch verfolgte er eine Politik, die dies verwirklichte, ohne es offiziell zuzugeben. Es gelang Dayan, mehr oder weniger mit Hilfe von Drohungen, daß er die Arbeiterpartei verlassen werde, die Regierung dazu zu bringen, seine Politik zu unterstützen. Dayan erklärte, daß die Annektierungspolitik ein Teil seines Sicherheitskonzeptes sei. Die rechtsradikale Opposition „Likud“ verfolgte dieselbe Politik, im Gegensatz zu Dayan aber sprach sie offen darüber. Nun hat es sich durch den Krieg erwiesen, daß Dayans Sicherheitskonzept falsch war. Trotzdem ist weder er noch sind andere Minister zurückgetreten.

In der vergangenen Woche wurde in der Tageszeitung „Davar“ eine Anzeige folgenden Wortlauts veröffentlicht:

„Wenn Du glaubst, daß die Politik der israelischen Regierung, die von einer Mannschaft der Arbeiterpartei gegen den Willen der Mehrheit der Partei geleitet wird, und die Politik der Rechten verwirklicht, Schiffbruch erlitten hat; wenn Du glaubst, daß man deswegen die Wahlen verschieben muß, um der Arbeiterpartei zu ermöglichen, eine neue Politik auszuarbeiten und eine neue Parteileitung aufzustellen und einen israelischen Friedensplan auszuarbeiten — dann bist Du zu einer Kundgebung in den ,Jachdav'-Klub eingeladen.“

Die Anzeige war. unterzeichnet von Mitgliedern der Arbeiterpartei. „Da-var“ ist das offizielle Organ der Gewerkschaft, doch wird es zum größten Teil von Mitgliedern der Arbeiterpartei gelesen und gilt als deren Organ.

Um diesen Angriffen zuvorzukommen, erklärte Dayan, trotz der Verhandlungen am Kilometerstein 101 und der bevorstehenden Verhandlung auf der Friedenskonferenz, erneut, Israel werde nicht auf die Go-lanhöhen, auf Cisjordanien und Scharm-el-Scheich verzichten. Dayan betonte, daß Israel sich erst in der Anfangsphase des Krieges befinde.

Die israelische öffentlichkeit ist dementsprechend verwirrt. Sie will, daß die Verantwortlichen für die Versäumnisse, die im Jom-Kippur-Krieg zutage traten und die dazu geführt haben, daß die Verluste zu Beginn des Krieges zu hoch waren, zur Rechenschaft gezogen werden. Doch ist die Mehrheit der Israelis nicht imstande, auf die wahren Verantwortlichen hinzuweisen und eine bessere Führung vorzuschlagen. Jedenfalls hat die heutige Regierung viel von ihrer Popularität eingebüßt.

Bei einer Rundfrage, die für die Tageszeitung „Haarez“ von einem demoskopischen Institut durchgeführt wurde, erklärten 56 Prozent der Befragten, daß man personelle Konsequenzen aus dem Jom-Kippur-Krieg ziehen müsse, 24 Prozent waren dagegen, 20 Prozent hatten keine eigene Meinung. Nur die Hälfte jener, die personelle Konsequenzen bejahten, war auch fähig, Namen von Verantwortlichen zu nennen. 6,2 Prozent der Befragten waren für den Rücktritt Dayans, 5,3 Prozent für den Rücktritt Golda Meir». Nur 45,1 Prozent bejahten eine Wiederwahl Golda Mei'rs, im Gegensatz zu 65,2 Prozent, die vor dem Jom-Kiippur-Krieg ihre Wiederwahl wünschten. Als populärster Kandidat an Stelle Golda Meirs erwies sich der stellvertretende Ministerpräsident Jigal Alon, der 20,5 Prozent Ja-Antworten erhielt.

An zweiter Stelle folgt der Führer der rechten Opposition, Menachem Begin, mit 11,5 Prozent. Erst an dritter Stelle kommt Dayan mit 10,5 Prozent.

Trotz des Sinkens der Popularität Dayans sind auch heute noch 73 Prozent der Meinung, daß man ihn als Sicherheitsminister nicht austauschen solle.

Innerhalb der oppositionellen „Likud“, die ungefähr 30 Prozent der Wähler, und innerhalb der National-religiösen Partei, die ungefähr 15 Prozent der Wähler hinter sich hat und Koalitionsmitglied der Regierung ist, sind die gemäßigten Kreise im Erstarken. Doch die Parteiapparate mit ihren altgedienten Funktionären haben allesamt zuviel zu verlieren, um ohne weiteres eine neue Führungsmannschaft ans Ruder kommen zu lassen. Es besteht deshalb kaum Aussicht, daß die bevorstehenden Wahlen auf lange Zeit verschöben werden. Die Aussicht auf eine neue Führung ist aus diesem Grund sehr gering, denn die diversen Minister haben bereits erklärt, daß sie keinen triftigen Grund für einen Rücktritt sehen.

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