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Journalist als Prophet

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Mensch zu sein heißt, eine Person zu sein und Beziehungen zu haben, sich mitzuteilen und in Gemeinschaft auszutauschen. Massenkommunikation zielt auf Kommunikation mit allen in der Gesellschaft, in der ganzen Welt, mit der Menschheit ab.

Communicatio und Communio, Austausch und Gemeinschaft, erwachsen aus Ganzheit und verwirklichen Fülle. Das gilt gewiß von Gott und sollte auch in den Beziehungen der Menschen untereinander gelten. Wo Fülle und Ganzheit wohnen, ist Frieden: auf der personalen, der gesellschaftlichen, der kosmischen Ebene.

Wenn Kommunikation die Welt bewegt, dann ist sie auch die Essenz des Lebens der Kirche. Die Kirche ist letztlich vor allem ein Kommunikator. Ihr Auftrag ist die Verbreitung der Frohen Botschaft, und die Gemeinschaft der Kirche ist die Frucht einer umfassenden Kommunikation...

Es ist Aufgabe katholischer Zeitungen, totalitären Regimen zu widerstehen, Gesellschaft konstruktiv zu kritisieren, demokratische Reformen zu ermutigen, Herrschaftssysteme zu demaskieren, für Gerechtigkeit, Religionsund Meinungsfreiheit zu kämpfen, menschliche und evangelische Werte hochzuhalten.

Aber in mancher Hinsicht ist die Kirche nicht besser als die Gesamtgesellschaft. Obwohl sie theoretisch die Welt durch Verbreitung von Frohbotschaft und Prophetie verwandeln sollte, wird sie in manchen Fällen selbst von der Gesellschaft beeinflußt und umgeformt, spiegelt sie bisweilen die Gesellschaft mehr als das Evangelium wider.

Es gibt auch in der Kirche Herrschaftskräfte: Hierarchien und Kleriker, Orden und gewisse Laienorganisationen, manche prestigebedachte Institutionen und Verlagsbesitzer, manchmal auch Herausgeber und Journalisten.

Einige der kirchlichen Journalisten sind servil, zweideutig, allzu kompromißbereit. Einige Di- özesan- und Regionalblätter können nur überleben, wenn sie sich dem Personenkult verschreiben, der Anhimmelung und dem Spei- chelleckertum gegenüber Kirchenfürsten.

Einige christliche Zeitungen meinen, sie müßten ausschließlich kirchenorientiert und kirchenzentriert sein und ihren Lesern ausschließlich „christliche“ Nachrichten vermitteln. Dabei werden sie introvertiert. Eine introvertierte Kirche aber verringert die Außenwirkung ihrer Medien und vergißt deren Verpflichtungen gegenüber Gesellschaft und Welt.

Es kommt auch vor, daß christliche Zeitungen gewisse Gruppen und Personen ignorieren, ihnen das Wort verweigern, nicht die Bandbreite der Meinungen und Geisteshaltungen widerspiegeln, die es gibt. Wenn die Medien sich nicht mit allen Situationen des Lebens, mit allen Nöten und Sehnsüchten, Problemen und Werten aller Bevölkerungsgruppen befassen, bleiben sie die Stimme nur weniger.

Bisweilen werden innerhalb der Kirche christliche Journalisten an der Ausübung dieser Freiheit des Wortes behindert. Oder diese Freiheit wird anerkannt, wenn es um Kritik an einer Regierung oder an Kräften der Linken geht, nicht aber dann, wenn Kirchenobere kritisiert, wenn christliche Institutionen unter die Lupe genommen oder im Namen des Evangeliums persönlichen Inter-essen einzelner widersprochen wird...

Jede echte und wirksame Kommunikation ist eine Zweibahnstraße. Sie findet nur statt, wenn die Beziehung wechselseitig und dialektisch wird. Kommunikation ist nur echt, wenn Antwort erfolgt, wenn es Meinungsrückfluß gibt.

Offenbarung verlangt Glauben. Wenn Gottes Wort Offenbarung ist, ist das Wort des Menschen Glaube. Wenn Gott die Initiative ergreift, ist es am Menschen, darauf zu antworten. Gottes Wort lädt zum Wort des Menschen ein. Gottes Offenheit verlangt nach einer Offenheit des Menschen ...

Aus einem im Gebet sich erschließenden Verständnis der göttlichen Offenbarung der Geschichte erwirbt der Christ sich ein christliches Weltbild, eine Vision, eine Züsammenschau der gesamten Wirklichkeit, eine Vision der Gesamtheit auf einen Blick.

Diese Vision ist strukturiert und organisiert und umschließt alle wichtigen Realitäten: Gott und Mensch, Welt und Kirche. Diese vier Realitäten sollten nicht in statischer Form nebeneinandergestellt werden.

Es sollte keine Trennung und keinen Gegensatz geben zwischen Welt und Kirche, Gesellschaft und Religion, Kultur und Kult, keine Kontakt- und Dialogmängel zwischen Journalist und Leser, keine Dichotomie (Zweiteilung) zwischen dem Heiligen und dem Profanen, dem Zeitlichen und dem Geistigen.

Eine negative und pessimistische Grundeinstellung der Welt, der zeitlichen Ordnung, dem Menschen, anderen Religionen gegenüber dürfte es nicht geben. In einem christlichen Weltbild müßten diese vier Realitäten als einander zugeordnet, als notwendige Bestandteile eines einzigen Ganzen Vorkommen.

Die Tatsache, daß die Christen wie alle übrigen Menschen zu einer einzigen, gemeinsamen Geschichte gehören, auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen und auf ein gemeinsames Ziel hingeordnet sind, müßte klar herauskommen. Der Mensch als Mitte und Gipfel, als Herr allen Geschehens, der Verantwortung für sein Schicksal trägt, müßte erkennbar werden ...

Ein Kommunikator, ein Journalist, ist seinem Auftrag nicht treu, wenn er seinen Lesern quasi von außen her und ohne persönliches Engagement berichtet.

Er ist Teil einer menschlichen Gruppe und ist zu Solidarität mit ihr verpflichtet. Er ist Erzieher, und als solcher wird er selber zum Zeichen und Medium der Offenbarung. Indem er diese interpretiert und seinen Lesern eine Reaktion darauf ermöglicht, erfüllt er eine prophetische Funktion.

Auszug aus einem Referat, das der indische Priester und Universitätsprofessor jüngst beim UCIP-Kongreß in Dublin hielt.

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