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Digital In Arbeit

Journalist & Politiker: Schlagseite muß sein

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Aus bekannten Gründen ist die aktive Politik, die Zusammensetzung und Struktur der Bevölkerung widerspiegeln soll — von Funktionären, Beamten und Männern dominiert. Nun zeigt sich in letzter Zeit eine gewisse Unterwanderung durch Journalisten. Es stellt sich die Frage nach dem Grund dieser Entwicklung.

Sicherlich ist es so, daß die beherrschend gewordenen Medien mehr und mehr das politische Geschehen mitbestimmen und daß mögbcherweise dadurch die zwar oft kritisierte Arbeit des aktiven Politikers für den Journalisten dennoch verlockender geworden ist. Und vielleicht erhoffen sich auch die Parteien manchen Vorteil für ihr Image von einem Mandatar, der Erfahrungen in der mediengerechten Öffentlichkeitsarbeit sozusagen als Mitgift einbringt.

Gemeinsam haben Politiker und Journalisten, daß ihre Tätigkeiten bei vielen Menschen nicht eben hoch im Kurs stehen, obwohl sie andererseits doch wieder gefragt sind.

Ich erinnere mich recht gut, wie ein Bekannter zu mir nach meiner Wahl in den Nationalrat sagte: „Also von einem diskriminierten Beruf in den anderen?“

Sowohl Journalisten als auch Politiker wollen die öffentliche Meinung für sich gewinnen. Und noch viel stärker als bei anderen Tätigkeiten — ich sträube mich noch immer, die politische Tätigkeit als Beruf zu bezeichnen — werden Qualität oder Unvermögen sichtbar, lesbar, hörbar — und dennoch?

Die manchmal vorhandene Intimfeindschaft von Politiker und Journalist dürfte also leichter überwindbar geworden sein — aber ergeben sich wirklich keine Schwierigkeiten, aus einem in den andern Mantel zu schlüpfen oder beide zu tragen?

Bei dieser Überlegung wird zu unterscheiden sein, woher der Journalist kommt. Ist er Parteijournalist — eine recht unschöne

Bezeichnung, die aber der Klarstellung gut dient —, wird es problemlos laufen. Ein Parteijournalist hat ja meistens schon politisch gearbeitet, ehe er Journalist geworden ist — im Bezirk, in der Jugendorganisation, eine Journalistin bei den Frauen und so weiter. Das politische Mandat bedeutet in diesem Fall eine Fortsetzung der vertrauten und immer schon vertretenen Linie.

Das war, grob umrissen, auch mein Weg.

In der soziaUstischen Parlamentsvergangenheit gibt es einige Beispiele von Journalisten, die als Abgeordnete tätig gewesen sind. So der legendäre Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung“, Friedrich Austerlitz, Schöpfer des Journalistengesetzes, oder Marianne Pollak, Chefredakteurin der „Frau“, eine meiner hochgeschätzten Vorgängerinnen.

Oscar Pollak allerdings, Chefredakteur der .Arbeiter-Zeitung“ nach dem Zweiten Weltkrieg, Symbolfigur des säuberen und mutigen Journalismus, für den er sein Leben lang kämpfte, lehnte es ab, ,4ns Parlament zu gehen“.

Für mich ist es schwer vorstellbar, daß ein Journalist, der vielleicht durch eine Art „außerparlamentarischer Opposition“ in seinen Beiträgen bekannt geworden ist (ich denke dabei natürlich nicht an die Wadlbeißer vom Dienst, die in eine andere Kategorie und nicht hierher gehören), bei der Ausübung seines Mandates nicht in Engpässe käme. Und ob er an Glaubwürdigkeit nach beiden Seiten hin gewinnt, bleibe dahingestellt (wie glaubwürdig oder weniger glaubwürdig er auch tatsächlich gewesen sein mag).

Ich vermeide auch hier die ohnehin schon umstrittene und angenagte Bezeichnung „unabhängiger Journalist“, denn es ist kaum denkbar, daß — sollte ein solcher tatsächlich existieren — er auf einer Parteienliste kandidiert. Allen Beteuerungen zum Trotz: Schlagseite muß vorhanden sein.

„Journalistisch“ betätigen kann sich übrigens jeder Pohtiker — er kann Artikel schreiben soviel er mag, und es wird auch mit der Veröffentlichung kaum große Schwierigkeiten geben. Aber das ist doch etwas völlig anderes als journalistisch arbeiten.

Ich zähle nicht zu denen, die meinen, man könne zum Beispiel neben der Abgeordnetentätigkeit noch einen Beruf, und den womöglich voll und ganz, ausüben. Ich jedenfalls konnte das nicht, und, von wöchentlichen Beiträgen und diverser redaktioneller Kleinarbeit abgesehen, gewann bei mir die Arbeit als aktive Politikerin voll die Oberhand.

Sicherlich hat sich manches seither verändert, manche Grenzen verfließen stärker, Leser, Hörer, Seher, Parteianhänger sind nicht die gleichen, Journalisten und Politiker auch nicht. Mehr Kritik und mehr Glamour in jeder Hinsicht sind gefragt - eine große Zeit für die Medien. Ihrem Einfluß hat sich der Politiker heute stärker anzupassen, er muß medienwirksam sein, muß „ankommen“. Auch das mag manche Öffnung zum Journalismus hin erklären.

Journalisten und Politiker haben vielfach regelmäßig persönlichen Kontakt, Interessen an der Arbeit des anderen sind notgedrungen gegeben.

Gelegentlich sind Mißtrauen, manchmal auch Ablehnung da, aber auch echte Sympathien finden sich nicht selten.

Interviewt ein Journalist einen Politiker, wird er dabei Jagdinstinkte entwickeln, um hinter die Worte zu kommen, der Politiker wird versuchen, überzeugend und unangreifbar zu sein. Ein Spannungsverhältnis, das in einer Personalunion verlorengeht.

Die Autorin war Abgeordnete zum Nationalrat und Staatssekretärin. Sie arbeitete zuvor als Chefredakteurin der Wochenzeitschrift „Die Frau“.

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