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Jozef Tiso: Ein seltsamer Heiliger

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Die jüngsten Entwicklungen in der Slowakei (auch in anderen Ländern) zeigen, wie schnell üble Vergangenheit zu neuem Leben erwachen kann. 1990 wird dort angeknüpft, wo die kommunisti­sche Diktatur nach 1945 national­antisemitisches Gedankengut schockgefroren hat. Die „neue Frei­heit" motiviert zu antisemitischen Parolen und Schmieraktionen. Offen werden Hitlers slowakischem Vasallenstaat und seinem Staats-präsidenten Jozef Tiso Sym­pathien einge­räumt.

Auch wenn die Gedenktafel für Tiso schnell wieder entfernt wurde, gibt das Ganze doch sehr zu denken. Umso mehr, als sie sogar vom Vorsitzenden der regionalen Bischofskonfe­renz, Jan Korec, eingeweiht worden war.

Die nationale Verblendung wird auf die Spitze getrie­ben, wenn be­stimmte katho­lische Slowaken im In- und Aus­land die Heilig­sprechung eines Mannes betreiben, der die Slowakei von Hitlers Gnaden regierte und die 60.000 Juden in Nalager zumindest z.

Jozef Tiso war kster. Vom 26. Okto5. Mai 1945 regierkischen Staat", dgigkeit er im Märzzender der Slowaktei (Hlinka-Parteite. Diese steuerte Garde eine nach SA organisierte paramilitärische Einrichtung. Diese Einheit diente dem radikalen und separatistischen Flügel als Druckmittel gegen Prag. Nach der Ausrufung der Unabhän­gigkeit wurde Tisos eigene Linie als zu gemäßigt empfunden und der Druck der Hlinka-Radikalen rich­tete sich gegen ihn selbst. Nach dem Krieg wurde er von den Alliierten an die neue Tschechoslowakische Regierung ausgeliefert und am 18. Mai 1947 wegen Hochverrats hinnen. Noch im Brief vom 5. Dezem­ber 1939 nennt er ihn „dilecto filio" - geliebter Sohn. Ein Jahr später, in der Antwort auf Tisos Gratulation zum neuen Jahr, heißt es nur mehr „S. E. Präsident der Slowakei" unter absichtlicher Weglassung des Namens.

Der Vatikan hat sich zwar nie, weder mündlich noch schriftlich, gegen die Präsidentschaft Tisos geäußert, doch hat er die Befürch­tung ausgesprochen, ob es nützlich sei, daß auf diesem ver­antwortungs­vollen Posten „unser Prie­ster Tiso" ste­hen solle. Was würde passie­ren, wenn „der Staat, an dessen Spitze ein Priester ist, den Wohl­stand und das Glück seines Volkes nicht zu sichern wüßte oder es nicht könn­te"?

Eine ge­rn i s c h t e Kommission soll sich ge­nauer mit den Intentionen und Folgen von Tisos Po­litik beschäf­tigen, doch die Ergebnis­se werden noch einige Jahre auf sich warten lassen.

Indessen wird der Name Tiso weiter Mittelpunkt nationalisti­scher Aktionen sein, die das Ge­sprächsklima zwischen Prag und Bratislava vergiften.

Der slowakische Klerus wird sehr darauf achten müssen, die Kirche nicht ins falsche Dorf zu tragen. Tiso trug sie ins Führerhauptquar­tier.

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