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Jubeljahr

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Gerade haben wir den hundertsten Geburtstag der Sissi mit viel Rührung, feministischem Tiefsinn und historischen Korrekturen hinter uns gebracht, da steht schon wieder das nächste Jubeldatum vor der Tür: 50 Jahre Anschluß im kommenden Jahr. Beide Jubiläen ergeben zusammen 150 Jahre österreichische Undankbarkeit gegenüber Bayern.

Wie 'man unsere flotte bayerische Prinzessin in das kaiserlich-diplomatische Korsett des Wiener Hof-schranzentums gezwängt hat, konnten wir jetzt in zahllosen Filmen nachvollziehen.

Die Reue über den undankbaren Umgang mit der bayerischen Blutauffrischung für die Habsburger kommt zwar zu spät; aber immerhin hat Otto als bayerischer CSU-Abgeordneter und Strauß-Untertan alle Sünden bereits demütig abgebüßt. Schwamm drüber!

Jetzt kommen die schwierigen historischen Kernfragen auf uns zu: Wurde Österreich in großmütiger Erhörung seiner zwanzigjährigen Sehnsucht 1938 an das deutsche Reich angeschlossen? Oder wurde Deutschland von einem Österreicher mit dem Ziel unterwandert, das Altreich an seine österreichische Heimat anzuschließen?

Eines können wir jedenfalls bereits als historisch gesichert annehmen: Es handelte sich um eine Angelegenheit zwischen Deutschland und Österreich. Bayern hatte mit dem Anschluß außer Ärger nichts zu tun.

Gegen eine Heimkehr der schon vor Jahrhunderten großmütig in die Freiheit entlassenen bayerischen Kolonien im Osten und Süden oder gegen eine einsichtsvolle Rückerstattung der von den Habsburgern geraubten bayerischen Stammlande wäre im Prinzip nichts einzuwenden gewesen. Aber dann: heim nach Bayern, nicht nach Deutschland!

Das war freilich 1938 schon zu spät. Wir hatten nämlich unseren Anschluß an das preußisch-deutsche Kaiserreich schon seit 1871 hinter uns und spätestens seit 1918 auch die Begeisterung.

Aber gutmütig wie wir sind, haben wir die frisch angeschlossenen Österreicher gleich mit warmen Mahlzeiten des bayerischen Hilfszuges aufgepäppelt und über die Segnungen der preußischen Eintopf-Küche aufgeklärt. Doch von Dankbarkeit keine Spur. Bis heute wird in Österreich nur abfällig daran herumgemäkelt.

Desgleichen gibt es heute keine Dankbarkeit der Österreicher dafür, daß Bayern inzwischen mit scharfen Grenzwachen jedem neuen Anschlußgedanken vorbeugt. Es gibt auch immer noch keinen österreichischen Hilfszug mit Wiener Rostbraten für die notleidenden Atomgegner in Wackersdorf.

Wie man sieht - es gilt 1988 viel wieder gutzumachen.

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