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Jubilare und ein Junger

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In Wien gibt es derzeit zwei äußerst sehenswerte Ausstellungen, die zwei Malern gelten, von denen der eine heuer das 75., der andere sogar das 90. Lebensjahr vollenden konnte. Im einen Fall handelt es sich um Oskar Matulla, den die Wiener Secession als eines ihrer Mitglieder durch eine große Kollektive ehrt, im anderen um Alfred Wickenburg, dem heuer bereits an Graz eine umfassende Gesamtausstellung galt und von dem nun die „Galerie Würthle“ Aquarelle und Zeichnungen aus seinem Gesamtschaffen zeigt. Seine Ausstellung umfaßt an die 70 Blätter, die einen Bogen von 60 Jahren künstlerischen Schaffens umgreifen und ein geschlossenes homogenes Oeuvre zeigen, für das die Begegnung mit der französischen Kunst schicksalhaft wurde. Wickenburg hat bereits vor dem Ersten Weltkrieg in Paris an der Academie Julian studiert, zu einer Zeit (1906—1909), als schon Roger de la Fresnaye, Dunoyer de Segonzac, Derain, Leger und Duchamp zu ihren Schülern gezählt hatten oder noch zählten. Von 1910 bis 1914 in der Kompositionsklasse von Adolf Hoelzel an der Stuttgarter Akademie nahm er von diesem berühmten Lehrer dessen Abstraktionsverfahren und Farbtheorien auf, um schließlich nach dem Ersten Weltkrieg — und nach Studium in Florenz und Rom — seine großflächige und großzügig stilisierte malerische Form zu entwickeln, in die später auch Elemente der Volkskunst eingingen und die eine sehr imaginative poetische Verwandlung der Wirklichkeit in Malerei bedeutet.

Die in der Galerie Würthle gezeigten großen und bildhaft aufgefaßten Aquarelle demonstrieren vorzüglich, wie er seine großflächigen Kompositionen aus einer oft starken Farbigkeit, den Farben des Farbkreises, entwickelt und dabei wesenhafte Dinge oder Details ähnlich wie Max Beckmann, groß gesehen in einen Schichtenraum stellt, sie in einem labilen und doch gefestigten Gleichgewicht miteinander formal konfrontiert, sie zur poetischen Verdichtung einer Aussage oder Situation gewissermaßen zitiert.

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Auch die Ausstellung Oskar Matullas, des um 15 Jahre jüngeren Jubilars, in der Wiener Secession, macht mit einem eindrucksvollen Lebenswerk bekannt. Die ersten Arbeiten zeigen den Maler um 1928 noch im Banne der Wiener Secession, dem dann die kurze Zeit eines sehr persönlichen Pointiiiismus folgt, aus dessen tektonischen Formen sich dann eine aus sachlichen Farbflächen aufgebaute Malerei entwickelte, die bereits den späteren entscheidenden Weg des Malers nach dem Zweiten Weltkrieg ahnen läßt. Damals läuterte sich seine Ölmalerei aus einer anfangs sehr reichen Farbigkeit mit graphischen Einsprengseln zu immer einfacheren kristallinen Farbkomplexen, die, auf der Fläche dynamisch ineinandergreifend, die tektonischen Gegebenheiten eines Motivs abstrahieren, die zum Teil in Hell-Dunkel-Werte aus der Farbe heraus übersetzen und bei straffer flächiger Gliederung auch starke räumliche Suggestion besitzen. Nach einer vielfältigen Befassung mit der menschlichen Figur sind so vorwiegend Landschaften entstanden, für die die zarten leichten und schwebenden Aquarelle eine erste und unmittelbare Auseinandersetzung bedeuten. Ölbilder und Aquarelle machen verständlich, warum dieser äußerst vielseitige Maler 1965 mit mineralogischen Studien begann und seit sieben Jahren in Griechenland und Kreta maßstäbliche Architekturaufnahmen fertigte, von denen ein Beispiel — das einer venezianischen Festung — zu sehen ist. Zeichnungen und Druckgraphiken, die sehr eigenständig und mit einem vollkommenen Eingehen auf das jeweilige Material entstanden, bestätigen die Beherrschung der Form.

Claus Pack

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Innerhalb weniger Jahre hat sich Karl Korab auf dem internationalen Kunstmarkt seinen festen Platz erobert. Die „Marke“ Korab wirkt wie ein Magnet. So sehr, daß etwa auf dem Kölner Kunstmarkt bereits bis zu 65.000 Schilling für eine Korab-Gouache geboten wurden. Allein bis Ende 1975 sind von Korab eine Großausstellung in Mannheim mit über 130 Gemälden und Gouachen, eine repräsentative Schau in der New Yorker Aberbach-Gallery ab Ende November, soeben eine kleine, aber sehr sehenswerte Graphik-Kollektion in der Wiener Galerie Wolfrum, eine Beteiligung an der Schau „La jeune gravure“ im Pariser Musee d'ATt Moderne zu sehen. Die Albertina verhandelt mit ihm über eine Personalschau. Und Anfang Dezember erhält er vom Wiener Sandoz-Forschungsinstitut den Kunstpreis. Die „Marke“ Korab hat Zugkraft...

Allerdings verhält sich Korab diesen Erfolgen gegenüber eher reserviert. „Das Markendenken kann viel zerstören! Man muß den frühen Erfolgen widerstehen, wenn man nicht dessen Opfer werden will.“ Also versucht er von allem Gängigen, von den „Korab-Charakteristika“ eher wegzukommen. „Mancher, der meine Bilder länger nicht gesehen hat, staunt, wieviel sich in den letzten zwei Jahren verändert hat“, bestätigt Korab. Hatte er früher seine Ta-bleaus mit den kühlen, morbiden Arrangements gefüllt, mit rostenden Schaufelgebilden, brechenden Kulissenteilen, kaputtgegangenen Masken, die er zu Stilleben der Verwesung komponierte, so zwingt er sich jetzt zur Einfachheit. Seit seinem „Roten Insekt“ läßt sich ein Vereinfachen der Formen, ein Klären der Hell-Dunkel-Werte in der Farbgebung feststellen. Alles scheint in permanenter Reduktion begriffen. Und man merkt deutlich, daß Korab sich vor allem für räumliche Probleme interessiert, für Raumillusionen, die durch die Gegenüberstellung von ein paar Grundformen erzielt werden.

Allerdings hält Korab trotz zunehmender Abstraktion streng am Naturstudium fest: „Das Reservoir an Phantasie scheint mir einfach zu klein, zu eng“, meint er, „die Gefahr der Wiederholung wäre zu groß. Nur durch das Naturstudium kann man die Phantasie provozieren, das Formenrepertoire ständig erweitern! Und auch der Einfall stellt sich doch nicht ununterbrochen ein. Man muß ihn oft erst durch das .Erarbeiten' zwingen.“

Deshalb befaßt er sich auch immer wieder mit neuen technischen Bereichen. Durch seine Siebdrucke, Insgesamt an die 60 Arbeiten, bewältigt er erst richtig die klare, einfach gestaltete Fläche. Nun, da er sich mit Raumproblemen auseinandersetzt, versucht er sich auch im Bereich der Plastik. Und noch immer beschäftigt er sich mit Buch-Illustrationen, freilich im weitesten Sinne. Nach seinem „Waldviertel“-Buch und einer vor kurzem fertiggewordenen Radierungsserie zu Stifters „Mappe meines Urgroßvaters“ will er bis Herbst Irland-Impressionen zu Heinrich Bolls „Irischem Tagebuch“ fertigstellen.

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