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Jugend ist anders

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Das ist (leicht gekürzt) das Gewinnerreferat im Bundesredewettbewerb der katholischen Privatschulen Österreichs: überzeugt, überzeugend, auch anfechtbar, typisch.

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Das ist (leicht gekürzt) das Gewinnerreferat im Bundesredewettbewerb der katholischen Privatschulen Österreichs: überzeugt, überzeugend, auch anfechtbar, typisch.

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Es ist sicher keine allzu große Bildungslücke, wenn Sie nicht wissen, wo auf der Landkarte die Fidschi-Inseln zu finden sind. Es ist noch viel verzeihlicher, wenn Sie über die letzten Skandale irgendeines Filmstars nicht Bescheid wissen. Aber es ist fast unverzeihlich, wenn Sie sich für die Hoffnungslosigkeit unserer Zeit nicht interessieren.

Wir haben schon genug geschossen. Wir haben uns nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommen, uns an keinem Krieg mehr zu beteiligen. Seither ist der Friede dauernd im Mittelpunkt des Interesses, vielleicht gerade deshalb, weil er stets in Gefahr ist. Der Mensch sehnt sich nach Frieden. Aber in vielen Teilen der

Welt herrscht Krieg, und was an Frieden überhaupt da ist, das ist bedroht…

Ein Krieg entsteht nicht von selbst. Er entsteht auch nicht aus Versehen oder aus geringfügigen Anlässen. Er entsteht, weil Menschen mit ihm gerechnet haben. Weil irgendjemand ihn wollte. Weil Menschen oder ganze Völker an seine Notwendigkeit und seinen Sinn glaubten.

Frieden heißt nicht: ungestört in seinen vier Wänden sitzen, sondern: begegnen, antworten, verstehen. Daß man sich in eine Front einreiht, ist üblich. Aber es ist kein Weg zum Frieden. Daß man in Schwarz und Weiß denkt, ist üblich. Aber es ist kein Weg zum Frieden.

Daß man sagt: wir müssen das christliche Abendland schützen, ist üblich. Aber auch das ist kein Weg zum Frieden. Man verteidigt weder die christliche Kirche noch das „christliche Abendland“ mit

Waffen. Sobald man zu Waffen greift, kann das doch nicht mehr im Sinne Christi sein.

Frieden schaffen heißt aber auch keineswegs: jedem Recht geben! Nirgends anecken! Im Gegenteil: Frieden schaffen heißt kämpfen, und nur die Mittel stehen dabei zur Diskussion. Es gibt eine Zauberformel für alles, was heute nach allgemeiner Meinung richtig sei. Sie heißt „Ausgewogenheit“. Alles, was wir sagen und tun, muß ausgewogen sein, so daß niemand sich ärgert, daß alle Interessen gewahrt und alle Vorurteile bestehen bleiben.

Aber Jesus sagt nicht: Ich bin die Ausgewogenheit. Er sagt auch nicht: Ich bin die Anpassung. Sondern: Ich bin die Wahrheit. Und wer sich zu ihm bekennen will, wird einsehen, daß er diese Zone, in der alles gleich möglich, alles gleich richtig, alles gleich christlich ist, verlassen muß.

Wer gewaltlos gegen Gewalt kämpft, führt seinen Kampf nicht gegen Menschen, sondern um Menschen. Er will den Feind zum Freund gewinnen. Er ist nicht gegen ihn, sondern für ihn.

Vielleicht ist die junge Generation in diesem Land anders, als viele glauben, besser als ihr Ruf. Ein junger Mensch, der sich an die Ungerechtigkeit des Lebens in dieser Welt noch nicht gewöhnt hat, wird hinüberschauen über seine Grenzen, und er wird Diktaturen, Unterdrückung, Gefängnisse und Folterkeller sehen.

Und wenn er sein Leben bewußt lebt, dann wird er wissen: Hier muß man eingreifen! Sich widersetzen mit ganzer Kraft! Er wird begreifen, daß es in dieser Welt Gut und Böse gibt, Gewalttat und Wehrlosigkeit. Er wird sehen, daß hier Licht ist und dort Finsternis, und er wird versuchen, dem Recht zum Sieg zu verhelfen.

Als Jesus die Menschen und das Elend, das unter ihnen herrschte, sah, stieg er mit seinen engsten Freunden auf einen Berg. Die Bergpredigt ist ein Ruf an eine vom Schlaf befangene Menschheit. Schlafen heißt sagen: Es ist alles in Ordnung, wenn nur Ruhe herrscht! Arbeiten, Genießen, Schlafen — das ist wichtig. Nach dem Tod ist sowieso alles aus. Ich bin gut. Böse sind nur die Feinde. Wer mächtig genug ist, der überlebt, denn er hat Gott auf seiner Seite.

„Gott mit uns“, das ist der Traum einer schlafenden Menschheit. Alles ist gut, wenn es nur bleibt, wie es ist. Wenn nur die Wirtschaft wächst. Wenn nur die Währung stabil bleibt. Wenn wir nur genug Panzer haben. Gott ist mit der stärkeren Währung und der größeren Armee. Hilf dir selbst, sc hilft dir Gott. Wir alle reden so im Traum, und da wir so gut schlafen, trösten unsere Träume uns über unsere Angst hinweg.

Man sagt, mit der Bergpredigt könne man die Welt nicht regieren. Möglich, daß „man“ nicht kann. Aber vielleicht können wir, die wir nach Jesus Christus heißen, den einen oder anderen Schritt mit ihm gehen, um zu erkennen, nach welchen Werten wir unser Leben gestalten sollten.

Mit diesem Text siegte Christiane Stokrei- ter in der Gruppe B (Jahrgang 1966 und älter), in der Gruppe A (Jahrgang 1967 und jünger) gewann Angelika Draxler. Beide besuchen das Gymnasium der Dominikanerinnen in Wien-Hacking.

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