6906279-1980_45_05.jpg
Digital In Arbeit

Jugend sucht Alternativen

Werbung
Werbung
Werbung

Der Sickerprozeß zeigt Wirkung. Die von Meinungsforschern seit einigen Jahren zutage geförderte Demokratieverdrossenheit und Suche nach neuen Werten bei der Jugend von heute scheint nun auch die etablierten Parteien wachgerüttelt zu haben.

Neben der Furcht vor einer Ausbreitung der Drogensucht und zunehmender Kriminalität plagt die Jugendführer aller Couleurs insbesondere die Sorge um die politischen Aussteiger in den Jugendzirkeln: ohne Jungwählerstimmen geringere Chancen auf Wahlerfolge.

Was der Wiener ÖVP-Parteiobmann und Vize-Bürgermeister Erhard Busek schon vor einigen Jahren als Rezept für den Jugend-Wiedergewinn seinen Parteimannen verschrieben hatte, findet nunmehr engagierte Nachahmung.

Bald nach seinem Amtsantritt als Wiener ÖVP-Chef war Alternativdenker Busek durch die Bezirke der Gemeinde Wien gezogen und hatte junge Leute aus allen Schichten und Randzonen der politischen Lager um sich geschart.

öko- und Bio-Kultur, Rad- statt Autofahren, selbst aktiv sein statt auf anonyme Hilfe durch staatliche Großinstitutionen zu warten: Diese neue Jugendszene war attraktiv und zog Umweltschützer, Kernkraftgegner und Zi-vilisationsflüchtlinge gleichermaßen an.

Der Zugriff auf junge Andersdenkende irritierte freilich Österreichs linke Reichshälfte in hohem Maße: Von Fall zu Fall rotteten sich denn auch sozialistische und kommunistische Teenager, Twens und Dreißigjährige zusammen, um Störmanöver vom Stapel /u lassen.

Während nun in der Grünen Mark Alfred Grinschgl, Landesobmann der Jungen ÖVP, mit seinem Modell-Steiermark-Beitrag „Jugend und Politik” Alternativen unter die Juhg-Stei-rer bringen will, machen sich in Niederösterreich neuerdings der designierte Landeshauptmann Siegfried Ludwig und Alfred Kager, Obmann der „Jungen Volkspartei Nö”, fürs Anderssein stark: Der vergangene Nationalfeiertag war einer Alternativ-Schau gewidmet: Der „Anders-leben”-Bogen spanntesich von Sozialem, Bürgerinitiativen, Dritte-Welt-Problemen, Umweltschutz und Energie über Bauen, Wohnen biszu Bio-Ernährungundkrea-tiver Freizeitgestaltung,

Kagers Philosophie: „Wir wollen eine völlig freie und offene Jugendorganisation sein, die etwas zu sagen hat.”

Und in seinem Bemühen um Abgrenzung zur SPÖ-Jugend: „Aus dem grundsatzpolitischen Verständnis vom selbständigen Menschen heraus wollen wir die Dinge in die Hand nehmen und uns im Gegensatz zu den Sozialisten nicht staatlich vereinnahmen lassen.”

Die jugendliche Bundesorganisation mit Josef Höchtl an der Spitze spielt ebenfalls auf diesem Klavier. Unter der Devise „Selbständigkeit - eine neue Emanzipationsbewegung” will der ÖVP-Jugendchef eine inhaltliche Neuorientierung in das Denken seiner Jung-Funktionäre bringen. Die damit landesweit werben:

• Abkehr von der Dominanz der Wohlstandsvermehrung,

• Ablehnung von Großtechnik, Zentral-Bürokratie und Gigantomanie,

• Gleichgewicht von Freizeit, Muße und Leistung,

• Aktionen für Randgruppen: Behinderte, Süchtige, Drogen- und Alkoholabhängige, Gastarbeiter, kinderreiche Familien, Nichtorganisierte.

Ein ähnliches Programm bieten die Jugendorganisationen der Regierungspartei feil. Jung sein verbindet. Die beiden Großparteien unterscheiden sich in ihren Jugendaktivitäten wenig voneinander. Divergierende Leit-Strukturen markieren freilich den Abstand.

Auch Josef Cap, SPÖ-Jugendchef, und seine Riege wollen künftig mehr über alternative Lebensformen, Wirtschaftswachstum, Ökologie und Umweltschutz nachdenken.

Caps Motiv: „Neben Überlegungen über die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen müssen nun Forderungen gegen die Ausbeutung der Natur durch den Menschen Platz greifen.”

Während die Volkspartei ihren politischen Grundsatz des selbständigen Menschen als konkrete Trennlinie zur SPÖ-Ideologie postuliert, spricht SPÖ-Nachwuchsmann Cap den ÖVP-Jun-gen jeden Realitätsbezug ab: „Bis jetzt sind das nur Ideen aus ihrer Strategieküche. Das heißt nicht, daß sich das schon niederschlägt. Davon ist mir nichts bekannt.”

Die ÖVP-Schau in Zeillern (Nö) am 26. Oktober- mit 4000 Interessierten bewies allerdings das Gegenteil: Es war - so Alternativ-Auguren - ein voller Erfolg.

Aber auch die kleine Oppositionspartei will ihr Jugend-Potential stärken. Mit der Neuwahl von Hubert Gorbach zum Obmann und einer neuen Kompetenzverteilung (Gorbach hat drei Stellvertreter, die selbständig und eigenverantwortlich agieren sollen) hofft das freiheitliche Jungvolk auf Stimmenzuwachs.

Zudem machen sich die Jungen auch innerparteilich auf den Vormarsch. Gorbach aufmüpfig: „Wir müssen in der Partei stärker vertreten sein. Es geht nicht an, daß wir unseren Jugendreferenten nicht selbst bestimmen können.”

Die Schuld an der jugendlichen Polit-Abstinenz sieht das blaue Jungfähnlein in der Regierungspolitik: „Ein Skandal nach dem anderen. Das ist frustrierend für die Jugend (Gorbach).”

Sein freiheitliches Allheilmittel: „Keine Partei alleine schalten lassen.”

Als inhaltliche Begleitmusik zum langfristigen Koalitionstango wählte die FPÖ-Jugend

• Aufklärung über das Drogenproblem,

• Kampf gegen die Fortsetzung der Schulversuche,

• Reaktivierung des politischen Engagements der jungen Bevölkerung.

Der politische Jugend-Cocktail ist gemixt und wird herumgereicht. Mit dem Ziel, durch Offenheit und Alternativaktivitäten die Erst- und Jungwähler auf Demokratie einzustimmen.

Politischer Nebenzweck: Stimmenwerben für die eigenen Reihen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung