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Jugend über Jugendbücher

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„Das Buch ist schon gut, aber es gibt viel zu lange Beschreibungen über Probleme, die man eh schon kennt; eigentlich ist es nicht besonders interessant Inhalt 5, Stil 6".

Mit diesem Urteil endet die Rezension eines Jugendbuches, das die Sechzehnjährige innerhalb einer Woche zu lesen und zu bewerten hatte. Die Notenskala reicht von 1 bis 10, Bewertungen über 8 kommen nur selten vor. Die Mitglieder des „Klub der Jugend für Jugendbuch-Kritik" (KJuJuK), derzeit noch durchwegs AHS-Schüler und Schülerinnen im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren, lassen sich weder von berühmten Namen noch durch Gespräche mit Jugsndbuchautoren beeinflußen. Ihr Urteil entspricht dem Leseerlebnis.

Begonnen hat es mit einer Uber-legung im Internationalen Institut für Jugendbuchliteratur und Leseforschung: Wer eigentlich sollte besser beurteilen können, welche Bücher Jugendliche ansprechen und damit Gleichaltrigen das Lesen schmackhaft machen, wenn nicht Jugendliche selbst? Seit etwa einem halben Jahr kommen nun die Mitglieder des KJuJuK (für neue Leser jederzeit offen) jeden Montag abend in den Räumen und unter Betreuung eines Mitarbeiters des Institutes (Wien 6., Mayerhofgas-| se 6, Telefon 65 03 59) zusammen, lesen ihre in der Freizeit mühsam im Zweifinger-System getippten Rezensionen vor, diskutieren über Inhalt und Bewertung.

Je besser eine Bewertung ausfällt, desto mehr Mitglieder des KJuJuK sollen das Buch lesen. Ziel der Gruppe ist nämlich auch, jeden Monat ein „Buch des Monats" auszuwählen. Diese Auswahl soll möglichst durch alle und möglichst einheitlich erfolgen. Die Rezension, die der Vorstellung aller Gruppenmitglieder am nächsten kommt, wird dann in der Vierteljahreszeitschrift „Jugend und Buch" abgedruckt und das Buch monatlich in der TV-Sendung „Wir" vorgestellt.

Die Vorgangsweise der Gruppe hat etwas Fachmännisches. Mit Hilfe des Instituts fordern sie von den Verlagen die Neuerscheinungen an. Die Auswahl der zu lesen-

den Bücher erfolgt eher „sinnlich": nach Titel und Bild des Einbandes. Je nach Bucheinlauf übernimmt jedes KJuJuK-Mit-glied eines oder mehrere Bücher, liest, rezensiert und bewertet. Die schriftlichen Beurteilungen werden an die Verlage zur Information geschickt, die Rezension des „Buches des Monats" an die Buchhandlungen, diei sie im Schaufenster aushängen oder im Geschäft auflegen.

Viel Arbeit also nicht nur für die Schüler (innen), sondern auch für das Institut, insbesondere für Institutsmitarbeiter Kupfer, der die Gruppe betreut. Jugendbuchautoren werden regelmäßig eingeladen, Journalisten und andere Interessenten beginnen sich selbst einzuladen. „Eigentlich ist alles viel zu schnell gegangen", meinte einer der Schüler. Die Gefahr der nicht nur arbeitsmäßigen, sondern auch psychischen Uberforderung ist nicht von der Hand zu weisen.

Einen besonderen Erfolg bedeutet die monatliche „Wir"-Sen-.dung; Diese bietet die Möglichkeit, das „Buch des Monats" einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und auch zu erklären, warum es ausgewählt worden ist.

Allerdings bedeutet die „Wir"-Sendung auch einen bestimmten Druck. Es muß zu einem festen Termin ein „Buch des Monats" genannt werden. Fällt die Wahl nicht so eindeutig aus, wird abgestimmt, die Mehrheit entscheidet, man einigt sich auf ein Buch, bei dem die positiven Aspekte gegenüber den Einwänden weit überwiegen. In der veröffentlichten Rezension — und auch in „Wir" — werden die Einwände dann nicht mehr erwähnt: „Das würde die Leute nur verwirren. Und außerdem: die Kritiker in den Zeitungen machen es ja auch so. Entweder ist ein Buch gut oder schlecht, ohne Einwände oder Pluspunkte. Warum sollen wir es dann anders machen?"

Ob es in dieser dezidierten Form nun stimmt oder nicht. Der Vorwurf der Schwarz-Weiß-Malerei, die nicht nur unter Kritikern, sondern in unserer^ ganzen Gesellschaft verbreitet ist, scheint nur allzu berechtigt. Er sollte vor allem Eltern, Lehrern, Erziehern, aber auch den Medien zu denken geben. Feind-Freund-Schemen bilden den Anfang aller Vorurteile.

Mein Wunsch für den KJuJuK: Bleibt so ehrlich und kompromißlos. Laßt euch weiterhin durch große Namen nicht blenden. Unterwerft euch aber auch nicht angeblichen Medien-Notwendigkeiten und laßt euch nicht durch Erfolg oder Leistungszwang unter Druck setzen. Ihr seid genauso glaubwürdig, wenn ihr einmal erklärt, warum ihr euch auf ein „Buch des Monats" nicht einigen konntet.

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