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Jugend und Katholikentag

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Auf die Frage „Wie geht's?" bekommt man derzeit in der Spiegelgasse 3, dem Zentrum der Katholikentagsvorbereitungen in der Wiener Innenstadt, fast immer die gleiche Antwort: „Schlecht." Wer mit dem zweiten Septemberwochenende direkt zu tun hat, wirkt gestreßt.

Dabei ist der Rahmen für dieses Großereignis längst fixiert, der Ablauf inklusive Texte und Lieder minutiös geplant. Das blaue, um 25 Schilling erhältliche Katholikentagsprogramm gibt darüber genau Auskunft. Fraglich ist nur noch, wie viele und welche prominente Gäste kommen werden. Wiens Erzbischof Kardinal Franz König rechnet auch mit vielen Besuchern aus dem Osten, „aber leider nicht aus der CSSR".

Neben der Eröffnung auf dem Stephansplatz und der Europavesper auf dem Heldenplatz werden die Papstmesse im Donaupark (voraussichtlich 300.000 Besucher, 8.500 Mitarbeiter als Ordner, Kommunionspender, Ministranten etc.) und die Begegnung des Papstes mit der Jugend im Wiener Stadion die Höhepunkte sein.

Elisabeth Aichberger, Bundessekretärin der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Jugend (AK J), wird den Papst im Stadion begrüßen und erwartet ein volles Prateroval (72.000 Plätze). Sie findet, daß angesichts des immer wieder auftauchenden Satzes, die Jugend sei die Hoffnung der Kirche, diese Jugend zu wenig be rücksichtigt worden sei, etwa bei der Formulierung des Katholikentagspapiers „Perspektiven unserer Hoffnung".

Die Kritik im Vorfeld des Katholikentags (vgl. FURCHE Nr. 33/1983, S. 1) gilt aber nicht nur diesem Papier. Da wollten Priesterseminaristen dem Papst einen „offenen Brief" schreiben, der auf Wunsch eines Bischofs neu formuliert werden mußte, da stießen Gefängnisseelsorger, die sich für eine Amnestie anläßlich des Katholikentages einsetzten, nicht auf das von ihnen erhoffte Verständnis. Und da wurde an jener Auswahl von „Briefen an den Papst", die der Papst im Stadion zu hören bekommen wird, noch stilistisch und inhaltlich gefeilt. Böswillige mögen es „Zensur" nennen.

Das Gesprächsklima mit Jugendbischof Egon Kapellari bezeichnet Aichberger zwar im allgemeinen als gut, aber „nicht spannüngslos". Sie verweist besonders auf ein Interview Kapellans in der „Kathpress" (18. August), in dem dieser der Katholischen Jugend zwar „respektables Engagement" für Frieden und soziale Gerechtigkeit zugesteht, aber den Versuch vermißt, „diese Frage von der Mitte und Tiefe des Evangeliums anzugehen". Statt dessen setze man sich „von außer halb des Christentums geliehene Brillen auf".

Vor allem stört Kapellari die Kooperation mit kirchenfremden Organisationen, von denen Papst und Kirche „beispiellos und zutiefst inhuman verhöhnt worden sind". Er betont, daß nicht nur die Gliederungen der Katholischen Jugend, sondern auch Kolpingju-gend, MKV, Pfadfinder, Jugend der Focolarini und der Legion Mariens die Jugend der Kirche ausmachen.

Diese und andere kleinere Gruppierungen - Cursillisten, Charismatiker, Gruppe 365 - hat auch Kardinal König jüngst als Träger der Erneuerung in der Kirche hervorgehoben.

Diese Gruppen dürften nach Meinung Aichbergers auch bei jenen rund 400 Jugendlichen überrepräsentiert sein, die auf Aufforderung Kapellaris die erwähnten „Briefe an den Papst" geschrieben haben. Übrigens sollen sämt-hche Originalbriefe dem Papst gebunden überreicht werden. Also doch keine Zensur ...

Angeblich spielt in diesen Briefen das Thema Sexualität so gut wie keine Rolle, was darauf hindeuten würde, daß sich die Jugend in diesen Fragen eine Privatmoral gezimmert hat, die sie mit dem Papst gar nicht diskutieren will.

In der Endfassung der „Perspektiven", in der ihr manche Themen und deutliche Formulierungen fehlen, sieht Aichberger „keine echten Ansatzpunkte für die zukünftige Arbeit".

Trotzdem sind sich fast alle einig, daß der Katholikentag nicht umsonst sein wird. Er hat geistig einiges in Bewegung gebracht. Und wenn Kardinal König „die Lauheit und die Gleichgültigkeit" die Hauptübel unserer Zeit nannte, so ist schon jeder in christlicher Form ausgetragene innerkirchliche Konflikt ein Fortschritt.

Und umsonst im finanziellen Sinn wird der Katholikentag auch nicht sein. Finanzreferent Johannes M. Martinek bezifferte jüngst den Budgetrahmen mit 65 Millionen Schilling, dazu kommen noch zehn Millionen für den Papstbesuch. Diese Beträge sollte man nicht vermischen.

Die Republik Österreich steuert zum Katholikentag 30 Millionen, die Bischofskonferenz 15 Millionen bei. 20 Millionen sollen aus Eigeneinnahmen kommen.

Der Staat darf sich vom Katholikentag 15 Millionen Umsatzsteuer und von der 500-Schilling-Silbermünze mit Papstporträt einen Gewinn von 360 Millionen Schilling erhoffen.

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