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Digital In Arbeit

Jugendliche Arbeitslose

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Das Hauptproblem der Jugend im Jahr der Jugend bleibt die Arbeitslosigkeit, die 1985 trotz genereller Mehrbeschäftigung weiter steigen dürfte. Sorgen-kindersind 19-bis 25jährige.

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Das Hauptproblem der Jugend im Jahr der Jugend bleibt die Arbeitslosigkeit, die 1985 trotz genereller Mehrbeschäftigung weiter steigen dürfte. Sorgen-kindersind 19-bis 25jährige.

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Von den rund 42.000 arbeitslosen Jugendlichen im Jahr 1984 (1983: 38.600) entfallen bereits 30.900 auf die Gruppe der 19- bis 25jährigen, die sich zunehmend als die eigentlichen Sorgenkinder herauskristallisieren.

Die Lehrstellensuchenden sind zwar im Vorjahr noch von 4.100 auf 4.400 angestiegen, doch gehen sie durch die Bevölkerungsentwicklung in den nächsten Jahren „von selbst” zurück.

Die 15- bis 19jährigen sindmit6.700 Arbeitslosen vertreten, 6.400 war-ren es im Vorjahr. Mit einem Anstieg von 28.200 auf 30.900 halten also die 19- bis 25jährigen die einsame Spitze, sowohl was die Steigerung als auch was den Anteil betrifft.

Gerade diese Gruppe ist es jedoch auch, die den Arbeitsmarktexperten die größten Rätsel aufgibt.

Studenten sind die meisten nämlich nicht, meint der Statistiker des Sozialministeriums Ludwig Flaschberger: „Es handelt sich zum größten Teil um Arbeitslose aus Dienstleistungs- und Produktionsberufen und hier wiederum das Gast- und Schank-gewerbe, Hotellerie, Metallberufe, Elektriker und Bau.”

Der Arbeitsmarktexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, Norbert Geldner, sieht die Sache soziologisch: „Wir haben es hier auch mit globalen Veränderungen am Arbeitsmarkt zu tun. Der Eintritt ins Berufsleben vollzieht sich heute langsamer. Bevor man sich arbeitslos meldet, geht man eher halbformelle Arbeitsverhältnisse ein, hängt ein Zweitstudium an oder arbeitet auf Werkvertrag fallweise.”

Die Entscheidung für eine Familiengründung fällt später, auch die Mädchen wollen sich im Erwerbsleben etablieren —1984 waren erstmals mehr Frauen zwischen 19 und 25 arbeitslos.

Aber nicht nur die Jugendlichen lassen sich mit dem Eintritt ins Erwerbsleben teils gezwungen, teils freiwülig Zeit. Auch die Erwerbsquote der 40- bis 50jährigen Männer ist deutlich abgesunken. „Das hängt sicher mit der neuen Selbständigkeit zusammen und einige Hausmänner oder Pfuscher sind auch dabei. Genau läßt sich das nicht festlegen. Klar ist aber, daß sich das langfristig auf die Alterspyramide im Erwerbsleben auswirkt.”

Die „Def ormalisierungstenden-zen” auf dem Arbeitsmarkt behagen den Politikern wenig. Noch immer setzt Sozialminister Dallin-ger auf direkte Eingriffe und versucht die Grenzen zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen streng zu wahren.

Geld dafür ist genügend vorhanden. Das Arbeitsmarktförde-rungsbudget ist in den Krisenjahren von einigen hundert Millionen 1984 auf runde 2,4 Milliarden hinaufgeschnellt und wird 1985 auf 2,8 Milliarden Schilling erhöht.

Noch ist das „Arbeitsmarktpolitische Jugendprogramm 1985” nicht auf dem Tisch, sicher ist jedoch, daß die umstrittene „Aktion 8000”, obgleich damit bisher nur drei- statt achttausend Arbeitsplätze geschaffen wurden, fortgeführt wird.

Ob die großzügigen Einschu-lungs- und Eingliederungsbeihilfen Dauerarbeitsplätze bringen, wird von Kennern stark bezweifelt. „Es handelt sich um durch Subventionen künstlich verbilligte Arbeitskräfte”, urteilt Geldner knapp.

Selbshilfe bleibt jedenfalls das Gebot der Stunde. Resultat: Die Dunkelziffer unter den jugendlichen Arbeitslosen ist außergewöhnlich hoch. Laut Schätzungen aufgrund des Mikrozensus ist sie von 1980 auf 1984 um 30.000 gewachsen. „Wie hoch sie vorher schon war, kann man nicht sagen.” (Geldner)

Noch deutlicher läßt sich die Si- ' tuation nach einem Blick auf die

Studentenzahlen abschätzen. 1970 gab es an den österreichischen Universitäten rund 51.300 ordentliche Hörer, 1984 waren es rund 136.500.

Die Zahl der Absolventen dagegen stieg im gleichen Zeitraum nur von 5000 auf 7300.

Blickt der Sozialminister über die Dunkelziffer des Jugendarbeitsmarktes hinweg ins Ausland, kann er allerdings zufrieden sein.

In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Arbeitslosenrate der Jugendlichen bis 19 Jahre bei 6,5 Prozent, jene der 15 bis 25jährigen bei neun Prozent. In Frankreich sind sogar 18,8 Prozent der bis 19jährigen und 16,8 der bis ^jährigen arbeitslos. Österreich nimmt sich da mit seinen 5,3 Prozent 1984 und 5,5 Prozent (Prognose) 1985 recht günstig aus.

Ost-West-Gefälle

Die Grundfrage, ob mehr staatlicher Eingriff oder flexiblere Arbeitsgestaltung das Jugendarbeitslosenproblem löst, wurde vom Sozialminister bisher immer eindeutig beantwortet: mehr Staatseinfluß. Wie weit die Jugendlichen in Zukunft mitspielen, ist mehr als fraglich.

In diesem Zusammenhang muß die Tatsache zu denken geben, daß die Jugendarbeitslosigkeit im Westen des Bundesgebietes deutlich niedriger ist als im Osten, die Eingliederung der Jugendlichen ins Erwerbsleben deutlich reibungsloser vonstatten geht.

Das Arbeitsmarktförderungs-budget hingegen wird hauptsächlich zwischen Wien, Linz und Graz verwendet, „wegen der strukturschwachen (verstaatlichten, Anm. Red.) Industrien”, erklärt man im Sozialministerium.

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