6944115-1983_38_08.jpg
Digital In Arbeit

Jugendschelte, Geld und Rummel

19451960198020002020

Katholikentag und Papstbesuch sind vorüber. Viel Vorauskritik hat sich dabei selbst erledigt. Dennoch sollen Einwände nicht einfach stehengelassen werden. Wer Kritik übte, hat ein Recht auf Echo. Hubert Feichtlbauer bemüht sich im folgenden darum: subjektiv, unvollkommen, unvollständig, ohne Anspruch auf Autorität.

19451960198020002020

Katholikentag und Papstbesuch sind vorüber. Viel Vorauskritik hat sich dabei selbst erledigt. Dennoch sollen Einwände nicht einfach stehengelassen werden. Wer Kritik übte, hat ein Recht auf Echo. Hubert Feichtlbauer bemüht sich im folgenden darum: subjektiv, unvollkommen, unvollständig, ohne Anspruch auf Autorität.

Werbung
Werbung
Werbung

Was ist von den Glaubensgrundsätzen über die (Selbst-)Besinnung zu halten, wenn die Kirche … jauchzend bereit ist, aus einem Katholikentag einen Kirtag zu machen?

REINHARD TRAMONTANA in „profil“ (Nr. 37)

Was war „Kirtag“ in diesen Tagen: der Andenken-, Kitsch-, Luftballonrummel? Der war den Organisatoren genauso zuwider wie den Kritikern - aber kann man ihn verbieten? Hat jemand das Recht, zu entscheiden, wo die Grenze zum Kitsch beginnt? Oder das Recht, jemandem Kitsch, der ihn haben möchte, zu verbieten?

Oder war der „Kirtag“ das Singen und Tanzen, Theaterspielen und Bänderflattern, die Musikkapellen und der diözesane Begrüßungsschnaps? Wer das unterstellt, verkennt die menschliche Natur, die auf Fest und Feier nicht verzichten kann. Nichts hat den Katholikentag menschlicher gemacht als diese gezähmt-be- schwingte Fröhlichkeit.

Für seinen Österreich-Besuch hat sich Papst Wojtyla ein besonderes Datum ausgesucht: den 300. Jahrestag des „Sieges von

Wien“ Johannes Paul hält

„katholische Gewissenserforschung“ für einen unzulässigen Glaubenszweifel.

ADALBERT KRIMS in „Basta" (Nr. 8) Darauf läßt sich am besten in den Worten der Zeitgeschichtlerin Erika Weinzierl („präsent“ Nr. 37) erwidern: „Zum ersten Mal seit 1945 ist gerade auf dem Heldenplatz bei der Europa-Vesper vom Papst, von Kardinal König und von Kardinal Macharski von Krakau des Schicksals der Juden in der NS-Zeit, für das der Name Auschwitz steht, in erschütternder Weise gedacht worden.“ Und, so sei hinzugefügt, auch der Greuel in den Konfessionskriegen und auch der Bluttaten christlicher Abendlandsverteidiger 1683.

Weil wir etwas dagegen haben, was der Papstrummel kostet.

Begründung auf dem Wiener Juso- plakat für den Altemativabend

Für Katholikentag und Papstbesuch zusammen waren ursprünglich 61 Millionen Schilling veranschlagt, von denen 30 Millionen die Republik Österreich zu tragen versprach. Zuletzt dürfte die Gesamtsumme bei 75 Millionen gelegen sein. Der Staat hat aber rund 500 Millionen Schilling eingenommen — für Papstmünzen, Sondermarken, Sonderzüge und natürlich über Steuern: also ein gutes Geschäft. Die Kirche hatte für 45 Millionen aufzukommen, einen Teil davon aber durch Spenden, Abzeichen- und Programmheftverkauf hereingebracht.

Ob’s uns was kostet oder nicht, ist eine lächerliche Frage, verglichen mit anderen, die gleich gar nicht gestellt werden. Etwa mit der, warum nicht jeder Groschen aus dem mutmaßlichen Halbmilliardengeschäft mit dem Papst in die Dritte Welt fließt.

REINHARD TRAMONTANA in „profil“ (37/1983)

Die Frage bezüglich des Halbmilliardengeschäfts ist klarerweise an den Staat zu richten. Geschäft für die Kirche schaute keines heraus. Daß aber kirchliche Einrichtungen seit Jahren ungleich mehr als staatliche und parteipolitische für Entwicklungshilfe und -politik tun, ist eine mit Bergen von Statistiken beweisbare Binsenwahrheit. Auch gilt seit der Österreich-Synode 1974 der Beschluß, mindestens ein Prozent aller Einkünfte von kirchlichen Rechtspersonen der Weltmission und Entwicklungshilfe zu widmen. Die Einhaltung dieses Beschlusses muß ständig neu eingemahnt werden — die Nachahmung durch nichtkirchliche Stellen aber noch viel mehr! Sie fehlt bis heute.

Man kann es auch schwer begreifen, wenn er etwa in El Salvador den Mördern des Erzbischofs Romero die Hand reicht; aber zieht man diese Unbegreiflichkei- ten ab, so bleibt genug, was an diesem Papst imponierend ist.

HANS RAUSCHER im .Jturier“ (Nr. 246)

Um in ein Land überhaupt ein- reisen und reden zu können, muß der Papst die Hand der Staatspräsidenten drücken — so wie österreichische Regierungsvertreter oft genug die Hände von Massenmördern aus protokollarischen Gründen drücken mußten. Einen Unterschied gibt es noch immer: Der Papst redete in El Salvador und Guatemala und Haiti so deutlich, daß sich die dortigen Präsidenten betroffen fühlen mußten. Der Weltterrorist Gadaffi mußte sich von keiner Wiener Rede betroffen fühlen…

Das ist genau die Argumentation des Papstes: Alles, was links von Reagan angesiedelt ist, ist kommunistisch — die Basiskir- chen in Lateinamerika, die Bischöfe und Priester, die dort verfolgt, eingekerkert, gefoltert werden, die kritischen Christen …

Leserin EDELTRAUD BRANDNER In der .AZ" (Nr. 206)

Links von Reagan sind auch Österreichs Sozialisten angesiedelt. Hat der Papst sie als „Kommunisten“ abgelehnt? Der Papst bejaht die vielen Basisgemeinden etwa in Brasilien, aber auch in anderen Ländern Lateinamerikas (und anderer Kontinente), sofern sie im Einvernehmen mit den Bischöfen wirken. Für Verfolgte und Eingekerkerte hat der Papst oft genug das Wort erhoben, Kritiker weder in Österreich noch anderswo abqualifiziert.

Da Papst Wojtyla den Atheismus mit dem ,Jüeich des Bösen“ gleichsetzt, empfiehlt er in der Dritten Welt „eine Stimmenthaltungskirche, eine Nichteinmischung skirche gegenüber faschistischen Militärdiktaturen“ — so der international anerkannte westdeutsche Theologe Johann- Baptist Metz.

ADALBERT KRIMS in .Basta" (8/1983)

Wenn Metz das wirklich gesagt hat, beweist damit wieder einmal ein bedeutender Denker, wie erstaunlich falsch auch bedeutende Denker liegen können. Niemals hat der Papst eine „Nichteinmischungskirche“ gepredigt. Er predigt sehr entschieden die Verantwortung christlicher Laien, nicht nur sich, sondern auch die Gesellschaft zu ändern. Er will nur nicht, daß dies die Priester tun. Streiten kann (und soll) man darüber, ob es in Lateinamerika schon genug qualifizierte Laien gibt, um Demokratie zu entwik- keln, Gewerkschaften aufzubauen — und ob nur in Polen im Bedarfsfall auch Priester dafür ein- springen dürfen.

Es ist nicht sehr hoffnunggebend, wenn der für Jugendbelange zuständige Bischof seine Jungscharen in ähnlicher Weise (wie der ÖVP-Generalsekretär) attak- leiert.

SPO-Abg. RUPERT GMOSER im .Jturier" (Nr. 245)

Bischof Egon Kapellan hat seit mindestens einem Jahr mit Leitungsorganen der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Jugend gesprochen, dialogisiert, verhandelt. Als er dann in einer nicht unbegreiflichen Ungeduld öffentlich bemerkte, die „andere katholische Jugend“ sei „viel zahlreicher, als man oft wahrhaben will“, und die KJ werde „immer kleiner werden, wenn sie nicht die religiösen Brunnen weit öffnet“ — dann war dies keine Attacke, sondern eine im brüderlichen Ton geäußerte Kritik, für die jfene, die laufend Kritik äußern, Verständnis haben müßten. Sagt man uns nicht immer wieder, die Kirche müsse „kritikfähig“ werden?

Das schwierigste Problem stellt das dar, was mit der verbreiteten Papstbegeisterung hoch

kommt … ein Vulgär kätholizis- mus, von dem man gehofft hatte, er wäre schon überwunden. Da wird die Massenwirksamkeit des Papstes zum Wahrheitskriterium schlechthin. Da wird der Papst in den Nimbus absoluter Unantastbarkeit gehüllt…

JOHANNES DANTINE in „Neue Zeit" (Nr. 209)

Das ist wahrscheinlich wirklich die schwierigste Frage, zumal der evangelische Pfarrer und Dozent Anrecht auf eine ausführlichere Antwort als die hier mögliche hat, will er doch selbst seine Wortmeldung als „geschwisterlichen Beitrag zum gemeinsamen Suchen nach wahrhaftiger Kirche“ verstanden wissen.

Die Parole „Totus Tuus“ („Ganz der Deine“), vom Papst als Leitspruch Maria zugedacht, konnte vielleicht als an den Papst adressiert mißverstanden werden.

Tausende entzückte und verzückte Gesichter weckten Respekt, Hoffnung — und Sorge zugleich: Würden alle diese Menschen wohl zu unterscheiden wissen, wenn morgen ein anderer Charismatiker mit der falschen Botschaft vor ihnen stünde? Wer in diesen Tagen Kritisches über den Papst zu sagen wagte, verfiele dem Scherbengericht — nicht nur der Frommen, sondern vor allem jener, die sich in der Masse ver- zücken, im Umgang mit Mitmenschen aber rasch wieder in Neid, Haß und Lieblosigkeit verstrik- ken lassen. Sie heute zu schelten, wäre nicht weniger pharisäerhaft. Sie zu bitten, sich morgen an gemeinsamer demütiger Nachdenklichkeit zu beteiligen, sollte kein unchristliches Ansinnen sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung