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Jugendstil und Expression

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In der soeben abgelaufenen Ausstellung der Galerie Würthle über Josef Hoffmann und seinen Kreis, die neben schönen und interessanten Werkzeichnungen des Architekten eine Fülle von Arbeiten brachte, unter denen die von Jungnickel („Strandleben“), Kitt („Toledo“), Fai-stauer (Bildnispastell), Josef Do-browsky und Wotruba hervorzuheben waren, hingen auch drei sehr beachtliche von Erich Mallina, dessen Nachlaß nun bei Christian M. Nebe-hay in der Art Gallery in der Annagasse ausgestellt wird.

Erich Mallina, 1873 in Prerau in der Tschechoslowakei geboren und von 1919 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1930 Professor an der Kunstgewerbeschule in Wien, ist durch die äußerste Zurückhaltung, die er sich und seinem Werk auferlegte, niemals an die Öffentlichkeit getreten und daher bis jetzt unent-deckt geblieben. Die Ausstellung bei Nebehay zeigt ihn als einen der interessantesten Vertreter des österreichischen Jugendstils, der eine Vielzahl von Anregungen verarbeitete und sich einer vielfältig aufgefächerten Ausdrucksweise bediente. In den grüblerischen, teils poetischen, teils expressiven Arbeiten, deren Gehalt von der Theosophie der Blavatzky bestimmt wird, finden sich Anklänge an Gustave Moreau, Odilon Redon, Ludwig von Hofmann, Leo Putz, Alfred Kubin, den Pointiiiismus und möglicherweise auch an Frantisek Kupka. Lichtseelen schweben in ihnen der Erlösung zu, schreiten in feierlicher Prozession, reihen sich neben Engel und Dämonen. Eine recht wesentliche Neuentdeckung, die das Bild der Zeit in Österreich weiter abrundet.

Im Oberstock bei Nebehay sind außerdem auch noch Arbeiten von Carl Otto Czeschka ausgestellt, der, 1878 in Wien geboren, ebenfalls an der Kunstgewerbeschule lehrte (1902 bis 1908), bevor er nach Hamburg berufen wurde, wo er 1960 auch starb. Von ihm sieht man recht reizvolle Entwürfe für einen Kalender, Zeichnungen für das Schul- und Vorlagenwerk „Die Quelle“ sowie einen Faksimiledruck der von ihm illustrierten „Nibelungen“. Czeschka gilt als der bedeutendste Illustrator des Jugendstils in Österreich, seine akademische Virtuosität wirkt aber eher dekorativ unverbindlich und gelegentlich altfränkisch. Ergänzt wird die Ausstellung durch einige andere rare Werke aus der Jugendstilzeit, darunter zwei hübsche Tunkpapiere von Kolo Moser und ein originelles Kinderbuch von Rudolf Kaivach. *

In der Galerie Basilisk präsentiert sich Rudolf Schönwald mit „Neuer Graphik — Neuen Zeichnungen“. Neben zwei nicht ganz durchgehaltenen, nahezu lebensgroßen realistisch-expressiven Porträtzeichnungen zeigt er außer einer Serie über die Seleni-ten die Bewohner und die Vegetation des Mondes, „Autobiographische Bilderbogen“, in denen grotesker und skurriler Humor, Satire, das Trauma und die Gloriole einer vergangenen Zeit cartoonartig mit kontrastierend verwendeten zeichnerischen Mitteln (die Anleihen von Picasso bis Saul Steinberg nehmen) effektvoll in Szene gesetzt werden. Am überzeugendsten wirkt aber der Holzschnitt des „Wiener Bilderbogens“ mit seinen durch den Widerstand des Materials erzwungenen knappen Formen und Bildelementen. ★

Die Arbeiten, die Herbert Kowar in der Studentengalerie in der Mozartgasse ausstellt, liegen etwas formlos im ebenso formlosen Spannungsfeld zwischen Asger Jörn, der Cobragruppe und einem Postimpressionismus, der von sehr fern an Bonnard erinnert. Neben dem „Sonntagvormittag und den „Spielenden Kindern sind einige der Blätter von den „Eolischen Inseln — „Vulcano „Zwei Felsen „Badende — und die „Landschaft am Gardasee am ehesten gelungen.Claus Pack *

An die zwei Jahre beschäftigt sich Kurt „Koppo“ Kocherscheidt mit seinen „Visionen“ und tatsächlichen Erlebnissen im Urwald Brasiliens: Das Ergebnis ist eine Ausstellung in der Galerie „Grünangergasse 12“, eine Revue von Farbskizzen, die ihn als (etwas biederen) Nachfahren der österreichischen Expeditionszeichner der Jahrhundertwende ausweisen. Es sind leicht schraffierte, bald realistisch, bald impressionistisch locker hingeworfene Bestandsaufnahmen, zum Beispiel aus der Sierra de Santiago, vom Amazonas, von Macchu-Piccu. Aber keine Frage: seine Blätter der „Grünen Hölle“, die er vor einem Jahr zeichnete, also bevor er Brasiliens Urwälder bereiste, waren die originelleren ...

Ebenfalls mit Naturstudien, wenn auch mehr indirekter Art, befaßt sich der junge Schweizer Corsin Fontana, der „nächst Sankt Stephan“ seine Bilder und Objekte zeigt. Seine Papiere, in nassem Zustand gefaltet und bearbeitet, mit Kaliumpermanganat braungefärbt und dann rasch getrocknet, haben etwas eigenartig Ausgedörrtes. Man erinnert sich getrockneter Blätter in alten Alben, einer konservierten Flora. Allerdings kommt Fontana mit diesen Arbeiten nicht über das Stadium kultivierter Spielerei hinaus.

Rudolf Schönwald, der im „Bast-lisken“ ausstellt, ist ein bedeutender Zeichner und Humorist von Graden Ältere und neuere Blätter zeigen ihn als den geistvollen Kommentator der Wiener Kunstszene, der dem „Drit-ten Reich“ ein bitteres Ende auf dem Papier bereitet, Wiens Malerpromi nenz in langhaarige Engel verwan delt, die — vergeblich? — auf den Musenkuß warten, und auch sonst der Stadt allerhand bildlich nachsagt:zum Beispiel, daß sie am Sonntag zum schäbigen Ruhetag-Dorf wird,durch das selbst ein Stummfilmgorilla verzweifelt wandert.

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