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Kabel-TV in Graz

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Neue Techniken der Informationsübertragung sind längst Wirklichkeit und haben auch in Österreich neue Herausforderungen geschaffen. Euphorie ist nüchterner Betrachtung der nun absehbaren Entwicklung gewichen.

Auch in Österreich werden seit Jahren Städte und Ballungsräume verkabelt. Während Wien mit rund 100.000 tatsächlichen Anschlüssen bereits über eines der größten geschlossenen Netze der Welt verfügt, steht die Entwicklung in Graz noch am Beginn. Das Ausbauprogramm sieht zumindest 56.000 Anschlußmöglichkeiten für die Grazer Haushalte bis 1988 vor. Schon in den ersten Monaten konnte ein erfreuliches Interesse festgestellt werden.

Im Gegensatz zu ähnlichen Projekten in anderen Teilen Österreichs ist für Graz festzuhalten, daß sich die Firma Philips als technisch-kaufmännischer Teil mit einer Reihe örtlicher Programminteressenten (darunter an maßgeblicher Stelle auch das Druck- und Verlagshaus Styria) in optimaler Form zusammengefunden hat. Diese Grazer Kooperation läuft unter der Firma Telekabel Graz. Von Beginn an sind auch in Graz immer wieder die gleichen Fragen gestellt worden: Ist das Kabelfernsehen nicht bereits durch TV-Satelliten überholt? Wenn schon Kabelfernsehen, sollte dann nicht gleich anstelle des Kupfers die neue Glasfasertechnologie verwendet werden? Wer wird welche Programme in dieses Netz einspeisen?

Die Glasfaser ist auf Versuchsstrecken in Europa in Verwendung, wird aber in diesem Jahrzehnt kaum mehr zum großflächigen Einsatz kommen. Was die TV-Satelliten betrifft, hört man immer wieder die Meinung, jeder Fernsehteilnehmer könnte „sein" Satelliten-Programm mit einer eigenen Antenne am Dach empfangen. Dem ist ganz und gar nicht so. Zwar werden bereits Fernsehsignale über TV-Satelliten verteilt (etwa der britische Sky-Channel, das deutsche PKS-Programm oder das französische TV 5), sie können jedoch ausschließlich über große Parabol-Ahtennen für Kabel-TV-Anlagen empfangen werden. Der Antennenaufwand ist für den einzelnen Haushalt zu groß, er kommt in der Praxis nur für eine Vielzahl von Teilnehmern in Frage.

Der sogenannte Direkt-Satellit ist zwar technisch machbar, doch wird er vermutlich für Europa nicht so rasch realisiert werden. Zu groß sind die urheberrechtlichen Hürden und die Konkuri renzkämpfe, zumal für die Hersteller die Gefahr besteht, daß im Bereich der Satelliten-Antenne einmal mehr japanische Hersteller Europa überfluten.

Für das Grazer Kabelfernsehnetz sehen die Programm-Möglichkeiten so aus: Zur Zeit werden alle ORF-Programme, die deutschen Fernsehprogramme ARD, ZDF und Bayern 3 und ein Laibacher Fernsehprogramm eingespeist. Im Herbst wird diese Palette um das schweizerische SRG-TV und zusätzliche deutschsprachige Hörfunkprogramme erweitert.

Der nächste Schritt wird sicher die Übernahme von Satellitenprogrammen sein. So könnte auch in Graz der englischsprachige Sky Channel angeboten werden. Auch ist die Einspeisung des deutschen PKS-Kanäles denkbar. Er oder ein Satellitenprogramm ähnlicher Struktur bietet sogar die Möglichkeit der sinnvollen Verknüpfung eines über Satellit angelieferten Vollprogrammes (vor allem mit Unterhaltung und Spielfilmen) mit lokalen Programmteilen.

Es wäre aber eine fatale Fehleinschätzung eines Kabelbetreibers oder Programmveranstalters, zu glauben, daß es gelingen könnte, für eine Stadt wie Graz ein dem ORF gleichwertiges Fernsehprogramm zu liefern. Derartige Versuche würden mehrere hundert Millionen Schilling pro Jahr erfordern. Selbst ein Programm von täglich nur 30 Minuten würde nach Schätzungen des anerkannten Rundfunkexperten Helmut Lenhardt pro Jahr je nach Ausstattung zehn bis zwanzig Millionen kosten.

Viel spricht also dafür, daß lokale Programmanbieter die Möglichkeit suchen, Lokalnachrichten in sogenannte Fenster von Satellitenprogrammen einzubetten. Naturgemäß bieten sich die traditionellen Medienbetriebe, die Tageszeitungen, für solche Aufgaben an. Daneben kann auch in einem relativ kleinen Netz wie in Graz daran gedacht werden, verschiedenen Programmanbietern zu bestimmten Zeiten einen „offenen Kanal" zur Verfügung zu stellen. In Frage käme die Gemeinde genauso wie Kammern, Kirche, Hochschulen, kulturelle Institutionen, Sportvereinigungen.

Immer wieder wird vom Ende des ORF-Monopols gesprochen. Nach einer realistischen Einschätzung zeichnet sich ab, daß der ORF auf längere Sicht als einzige nationale Sendeanstalt bestehen bleibt, daß aber im lokalen und regionalen Bereich auch lokale Programmveranstalter, darunter eben die Zeitungen, ihre Informationen anbieten werden. So ist es denkbar und wünschenswert, daß sich in Zukunft die gesamte Medienpalette vom ORF über die Print-Medien bis zu den neuen elektronischen Medien in der Region oder lokal als Spektrum darstellt.

Im Vordergrund hat dabei immer der Mensch zu stehen, als Quelle und Zielpunkt aller Informationen und Nachrichten. Wie jeder ein Recht auf Meinungsäußerung hat, hat er auch ein Recht auf Information. Die Pastoralinstruktion „Communio et Progres-sio" postuliert, daß „der Gesellschaft grundsätzlich der Zugang zu den Quellen und Kanälen der Information offenstehen und die Freiheit der Meinungsäußerung gewährt sein muß." Dies und nicht politische Monopolkämpfe und ORF-Krämpfe stellt für alle in den Medien Verantwortung tragenden Christen eine reale und geistig lohnende Herausforderung dar.

Der Autor ist Generaldirektor des Druck-und Verlagshauses Styria in Graz.

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