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Kabel-TV vor der Tür

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Privates Fernsehprogramm, in lokale Kabelnetze eingespeist, ist keine Utopie mehr. Allerorten wird an Gesellschaftskonstruktionen gebastelt, auch in Niederösterreich.

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Privates Fernsehprogramm, in lokale Kabelnetze eingespeist, ist keine Utopie mehr. Allerorten wird an Gesellschaftskonstruktionen gebastelt, auch in Niederösterreich.

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Für 1985 ist in Österreich ein Kabel-TV-Gesetz zu erwarten. Die Öffnung der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland für privates Fernsehen hat auch in Österreich die Diskussion um die Lockerung des ORF-Monopols ausgelöst.

Innerhalb der regierenden SPÖ wurde unter dem Vorsitz von In-

nenminister Karl Blecha eine Medienkommission eingesetzt. Sie hat sich die Erarbeitung eines Entwurfes für ein Kabel-TV-Gesetz zum Ziel gesetzt. Wie Unterrichtsminister Helmuth Zilk erklärte, soll dieser Gesetzentwurf bereits im Herbst diskutiert werden.

Dieses Kabel-TV-Gesetz könnte nach deutschem Muster in Österreich mehrere Programmversuche für die Dauer von fünf Jahren zulassen. Es ist mit großer Sicherheit anzunehmen, daß nach diesen fünf Jahren wohl kaum neue Gruppen Zugang zum privaten Fernsehen finden werden.

Das heißt: Wer jetzt nicht zum Zuge kommt, dürfte, soferne er nicht finanziell wirklich potent ist, nicht mehr am großen TV-Kuchen mitnaschen können.

Vor diesem Hintergrund sind die Überlegungen zu bewerten, die derzeit auch in einigen Bundesländern konkret durchdacht werden.

In Niederösterreich zum Beispiel hat Landeshauptmann Siegfried Ludwig seinen Medienexperten Charles Bohatsch beauftragt, die Möglichkeiten und Chancen eines Nieder Österreich-Fernsehens zu erkunden.

Bohatsch steht vor der Tatsache, daß in Niederösterreich derzeit rund 30.000 Kabelanschlüsse technisch hergestellt sind. Der

Landesstruktur entsprechend gibt es aber mehr als 20 lokale Kabelnetze. Demgegenüber verfügt die Kabel-TV-Wien über fast 200.000 Kabelanschlüsse.

Bohatsch rechnet damit, daß nach der Änderung der gegenwärtigen Gesetzeslage mit Sicherheit ein Programmversuch in der Bundeshauptstadt stattfinden wird. Dieses Wiener Programm kann mühelos über die bestehenden Richtfunkverbindungen in die größeren Kabelnetze in Niederösterreich eingespeist werden.

Das will der niederösterreichische Medienexperte vermeiden. Denn als Folge ergäbe sich eine ähnliche Situation wie auf dem Sektor der Tageszeitungen: Niederösterreich wäre in der privaten Programmversorgung völlig von Wien abhängig.

Daher denkt man nun in Niederösterreich an die Schaffung einer starken Landesgesellschaft, die ein regionales und lokal angereichertes Programm produzieren soll und dieses den Kabelnet-

zen im ganzen Land anbietet. Das Land Niederösterreich soll in einer solchen Konstruktion ein starkes Anteilspaket halten. Daneben sollten Anteile der zu gründenden Gesellschaft an potente Gruppen, wie Zeitungsverlage und Interessenvertretungen aus beiden Reichshälften, abgegeben werden.

Die neuzuschaffende Nö-Ka-bel-TV muß für den Tag X im Jahre 1985 programmtüchtig gemacht werden. Sie soll finanziell und technisch so ausgestattet werden, daß sie in der Lage ist, Programmbestandteile zu produzieren.

Den Planern ist dabei völlig klar, daß ein TV-Vollprogramm, wie es der ORF produziert, nicht möglich ist. Daher müßte der Großteil des Nö-Fernsehpro-gramms mit Ausnahme eines etwa 30minütigen „Fensters" von privaten Stationen eingekauft werden.

Als Vorbild bietet sich das Raiffeisenprogramm an, das der-

zeit beim Pilotversuch in Ludwigshafen über die Bildschirme läuft. Lediglich im Bereich der aktuellen Information, also im sensiblen politischen Bereich, würden die natürlichen Interessen des Landes Niederösterreich vertreten. Dieses schon erwähnte halbstündige „Fenster" soll Beiträge bringen, die das aktuelle politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben im Land berücksichtigen. Die Produktionskosten dafür sollen durch lokale Werbung entsprechend niedrig gehalten werden.

Um die täglichen Neuigkeiten aus dem gesamten Bundesland zu erfassen, ist es nach Ansicht der Vorbereitungsgruppe gar nicht nötig, eine eigene Redaktionsstruktur zu errichten. Man könne auch mit den eingebundenen Zeitungsverlagen und ihren Außenorganisationen zusammenarbeiten.

Zudem sollte die Zusammenarbeit mit dem ORF nicht vernachlässigt werden. Durch die Beteiligung am Satelliten-Programm von ZDF, SRG und ORF ist ja der ORF selbst an der Verbreitung dieses Programms durch die Kabelstationen interessiert.

Außerdem produziert das ORF-Landesstudio täglich mehr Lokalbeiträge, als es in den beiden Sendungen „Österreich-Heute" und „Österreich-Bild" unterbringen kann. Eine Möglichkeit der Übernahme von ORF-Produktionen in das Niederösterreich-Kabel-TV wäre also durchaus denkbar.

Daß diese Überlegungen nicht nur Zukunftsmusik sind, zeigen die Erfahrungen aus der Bundesrepublik Deutschland und aus der Schweiz. Auch kennt jeder Italienurlauber derartige Lokalprogramme.

Bis zum Jahr 1990 werden in Europa etwa zehn Satelliten gestartet. Das bedeutet, daß dann ein Angebot von rund 30 Programmen zur Verfügung steht. Diese können zum Teil auch in Österreich via Kabel verteilt werden.

Das ORF-Monopol ist ins Wanken geraten. Die Verantwortlichen in den Ländern dürfen nicht darauf warten, daß ein neuer Monopolträger im Bereich des Kabelfernsehens auftritt, auf den sie überhaupt keinen Einfluß haben.

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