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Kabinett der Gegensätze

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Sieben Wochen rangen Israels Arbeiterpartei und der Li-kud-Block um eine große Koalition. Allen Unkenrufen zum Trotz ist sie jetzt doch noch zustande gekommen.

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Sieben Wochen rangen Israels Arbeiterpartei und der Li-kud-Block um eine große Koalition. Allen Unkenrufen zum Trotz ist sie jetzt doch noch zustande gekommen.

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Am Freitag, 14. September, sprach Israels Parlament, die Knesset, dem neuen 25köpfigen Koalitionskabinett der nationalen Einheit mit 89 von 120 Stimmen das Vertrauen aus. Die ersten 25 Monate wird Shimon Peres, der Chef der Arbeiterpartei „Maarach", das Premierministeramt innehaben, während Yitzhak Schamir, Führer des Likud-

Blocks, Vizepremier und Außenminister ist. Für die weiteren 25 Monate sollen die Rollen getauscht werden.

Schon zwei Tage nach der Bestätigung durch das Parlament führte der neue Finanzminister Yitzhak Modai (Likud) eine Schekel-Abwertung um neun Prozent gegenüber dem US-Dollar durch. Schon zuvor aber hatten die Israelis auf dem schwarzen Markt über 65 Millionen Dollar gekauft, um einer Entwertung vorzubeugen.

Ministerpräsident Shimon Peres, Wirtschaftsplanungsminister Gad Yaacobi (Arbeiterpartei) und der Finanzminister beschlossen als erste Maßnahmen neben einer Abwertung eine weitere Erhöhung der Brennstoff-Preise.

Die Sanierung der Wirtschaft steht somit ganz klar an erster Stelle des Programms des neuen Koalitionskabinetts. Dazu hat es auch bereits mit den Arbeitnehmer-Vertretungen Kontakt aufgenommen, um ein Sozialabkommen zwischen Gewerkschaften und der neuen Regierung zu erreichen. Die Regierung soll die Preise für eine gewisse Zeit einfrieren, die Gewerkschaft gleichzeitig dazu bereit sein, die Löhne auf dem jetzigen Stand zu belassen.

Die Regierung will ferner ihr Budget um eine Milliarde Dollar kürzen, obwohl die Wirtschaftsexperten eine doppelt so hohe Summe für nötig halten, um der Uberziehung des Budgets ein Ende bereiten zu können.

Bei diesem Vorhaben freilich wird sich Finanzminister Modai wahrscheinlich noch die Zähne ausbeißen. Denn wenn auch alle Minister vor der Regierungsbildung einer Budgetkürzung zugestimmt hatten, will trotzdem jeder von ihnen, daß beim Amtskollegen und nicht in seinem eigenen Ressort der Rotstift angesetzt wird.

Vom Erfolg der ersten Wirtschaftsmaßnahmen hängt jedenfalls die Zukunft des neuen Kabinetts ganz entscheidend ab. Denn dies ist eine Regierung, die eigentlich alle Gegensätze des Judenstaates in sich vereinigt.

Vizepremier und Außenminister Schamir dazu: „In der Tat werden wir zusammenarbeiten. Doch die ideologische Diskussion zwischen dem Likud und Maarach wird in aller Schärfe weitergeführt. Keine der beiden Parteien hat auf ihre Ideologie verzichtet."

Ideologische Gegner bleiben für Schamir aber nicht nur die Koalitionspartner von der Arbeiterpartei, Widersacher hat er auch genug in seiner eigenen Partei. Die Profiliertesten von ihnen sind Ariel Scharon (im neuen Kabinett Industrie- und Handelsminister) sowie David Levy (Stellvertretender Ministerpräsident und Wohnbauminister).

Diese beiden hatten die Bildung einer Regierung mit der Arbeiterpartei vor Wochen schon einmal verhindert (siehe FURCHE Nr. 36/84), als sie den zwischen Peres und Schamir in langwierigen Vieraugengesprächen ausgehandelten Koalitionspakt schlichtweg ablehnten. Doch Schamir gab letztlich dem Druck von Scharon und Levy nicht nach. Kein Wunder: Er hätte sonst von der politischen Bühne abtreten müssen.

Doch Scharon machte noch einen Versuch, um Schamir ein Bein zu stellen. Schamir war bereit, der Religiösnationalen Partei das Religionsministerium zu überlassen, das Scharon aber schon seinerseits hinter dem Rük-ken des Parteichefs der Schas-Partei versprochen hatte. Wieder meuterte Scharon. Und noch letzte Woche sah es so aus, als ob die Große Koalition ein weiteres Mal ins Wasser fallen würde.

Schließlich einigte man sich doch noch: Die Religiösnationalen und die Schas-Partei erhalten je einen Minister ohne Portefeuille. Ministerpräsident Peres, der vorerst auch das Religions- wie das Innenministerium in seinen Händen hat, soll innerhalb eines Monats beschließen, wie er die beiden Parteien mit diesen beiden Ministerien beschäftigen kann.

Ob ein solch großes Kabinett mit solch großen Gegensätzen überhaupt regieren kann, bleibt abzuwarten. Denn es ist nur schwer zu glauben, daß die Erbfeinde von gestern urplötzlich intime Freunde werden können. Die wichtigste Aufgabe für die neue Regierung, an der sich ihr Schicksal entscheiden wird, ist neben Sanierung der Wirtschaft der Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon.

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