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Kälteschutz für Eisbären

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Wenn der Esel übermütig wird, heißt's im Sprichwort, geht er tanzen. Wenn Politiker übermütig werden, stellen sie Urlaubsund Weihnachtsgeld, oder die Abfertigung in Frage. Daß die österreichische Abfertigungsregelung nicht mehr zeitgemäß, wahrscheinlich sogar völlig überflüssig ist, sei unbestritten. Ebenso unbestritten sollte aber auch sein, daß es derzeit wichtigere Fragen anzupacken gilt.

Natürlich gibt's Arbeitnehmer, die ihren Chef solange ärgern, bis er sie hinauswirft, damit sie zu ihrer Abfertigung kommen. Und natürlich gibt's auch Arbeitgeber, die einen Dienstnehmer solange schikanieren, bis er selbst kündigt, um sich die Abfertigung zu ersparen. Die Regel im Unternehmensalltag ist das aber sicher nicht.

Und ganz sicher ist unser derzeitiges Abfertigungssystem kein Hindernis für die - ohnehin gegebene - Europareife unserer Wirtschaft, um die sich Versuchsballonfahrer Ferdinand Lacina in diesem Zusammenhang offenbar sorgt. Jene tüchtigen Arbeitnehmer, die diese Europareife mit ausmachen, lassen sich bei einem für ihren Aufstieg notwendigen Firmenwechsel vom „drohenden" Verlust ihres Abfertigungsanspruchs ganz sicher nicht bremsen. (Sie lassen sich in der Regel die alten Ansprüche vom neuen Dienstgeber anrechnen). Und jene, die dazu neigen, sich ihre Abfertigung zu „ersitzen", dürften eher wenig zur Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens beitragen. Ganz abgesehen einmal davon, daß Japan, wo die lebenslängliche Treue zu einem Unternehmen die Regel ist, bekanntlich mit Europa wirtschaftlich ganz gut mithalten kann...

Das Problem ist nicht, ein besseres, zeitgemäßeres System zu konzipieren, die Schwierigkeiten liegen wie überall, wo jahrzehntelange systemfremde Eingriffe vorliegen, beim Übergang. Wie werden den „alten" Arbeitnehmern ihre bisherigen Abfertigungsansprüche abgegolten, wer ersetzt den Unternehmern das angesammelte (Sozial-)Kapital? Will man wirklich wieder eine neue zusätzliche Bürokratie in Form von Abfertigungsfonds schaffen, die Ansprüche verwalten, die jeder Arbeitnehmer beim Firmenwechsel jeweils mitnimmt? Es geht dabei nicht um Trinkgelder: Gerhard Lehner vom Institut für Wirtschaftsforschung schätzt, daß sie zusammen etwa 40 Milliarden Schilling ausmachen. Und Staatssekretär Stummvoll taxiert die jährlichen Kosten für die Unternehmer im Falle eines Abfertigungsanspruchs auch bei Kündigung durch den Arbeitnehmer auf gut zehn Milliarden Schilling. Wer soll das finanzieren?

Womit die gutgemeinte, aber überflüssigerweise losgetretene Diskussion die politische Relevanz der Suche nach einem Kälteschutz für Eisbären Bekommt...

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