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KÄRNTEN '91: ZWISCHEN TOURISMUS UND INDUSTRIE

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Das möchte Kärnten nicht mehr erleben: wie 1990 die Minusstatistik im Sommertourismus anführen. Vor allem, wenn eine Milliarde Schilling an Devisen davon abhängt. Gebannt blickt daher Kärntens Touristikbranche auf die beginnende Saison.

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Das möchte Kärnten nicht mehr erleben: wie 1990 die Minusstatistik im Sommertourismus anführen. Vor allem, wenn eine Milliarde Schilling an Devisen davon abhängt. Gebannt blickt daher Kärntens Touristikbranche auf die beginnende Saison.

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Wie relativ das reine Nächtigungs-zählen ist, zeigt das Tourismusbarometer des Wifo-Institutes. Kärnten hat zwar zwischen 1980 und 1990 16 Prozent der Nächtigungen eingebüßt, aber bei den Ausgaben um 86 Prozent gepunktet. Die Erhöhung der Wertschöpfung sollte eigentlich das Ziel' jedes Touristikers sein. Doch zugegebenermaßen läßt es sich leichter abzählen, wie oft e”in Fremdenbett benützt wurde, als hochzurechnen, wieviel Geld ein Gast im Urlaub ausgibt. So wird auch am Ende der Saison 1991 wieder brav berichtet werden, wieviele Nächtigungen Kärnten zur Statistik beigetragen haben wird.

Der Direktor der Kärntner Bauerndörfer, Thomas Rupperti, Herr über mehr als tausend Betten in ganz Kärnten, malt schwarz: „Die Saison wird furchtbar. Wenn wir Glück haben, geht sie plus-minus 0 aus.” Er liefert auch gleich die Begründung dazu: „Alle Feiertage waren heuer im Mai, das Wetter ist eine Katastrophe und die Buchungen für den Herbst finden nicht statt.” Erst 30 bis 40 Prozent der Deutschen sollen ihren Urlaub fix gebucht haben. Vor allem aber, meint Rupperti, sei das schlechte Tourismusklima im Lande daran schuld. „Man kann doch nicht pausenlos auf einer Branche herumhak-ken. Klar, daß sich die Gäste fragen, was sie in so einem Land noch zu suchen haben.”

Rupperti fragt sich emstlich, warum ein Land, das so viele positive Voraussetzungen für einen funktionierenden Tourismus hat, ständig

Rückgänge verbuchen muß. „Es sind viele tausend Mosaiksteinchen. Das macht die Sache auch so schwierig.”

Ein Steinchen davon sei das fehlende Radwegenetz, die mangelnde Infrastruktur in den Gemeinden, fehlende Schlechtwettereinrichtungen und mancherorts ein Preis-Leistungsverhältnis, das aus dem Lot geraten ist. Auch bei den internationalen Reiseveranstaltern sei Kärnten Stiefkind.

Das Unbehagen im Land ist allgegenwärtig, nur wählt jeder ein anderes Mosaiksteinchen als Begründung für Rückgänge im Tourismus. Für den freiheitlichen Fremdenverkehrssprecher Strutz ist es Direktor Ellensohn, den er lieber heute als morgen von derBildfläche verschwinden sähe. Die gesamte Branche wartet daher gespannt auf Ende Juni, wenn sich die Eigentümervertreter der Kärntner Tourismusgesellschaft entscheiden müssen, ob der Vertrag Direktor Ellensohns verlängert, neu ausgeschrieben oder abgebrochen wird.

Für viele Kurdirektoren ist es die unprofessionelle Arbeit der Kärntner Tourismusgesellschaft, für viele Unternehmer die verunglückte Werbelinie. „Eine neue Werbelinie wäre mir lieber als der Kopf des Tourismusmanagers”, wünscht sich der Präsident der Hoteliersvereinigung, Günther Ronacher. „Die Selbstdarstellung des Tangrams ist schließlich nicht mehr nötig”, weist er auf das eckige Männchen hin, mit dem der Kärntner Tourismus zu leben gelernt hat.

Tatsächlich wäre es nicht gerade klug, würde nach nur zwei Jahren nach einem neuen Kärnten-Signet gesucht. Zu viele hatte es in den letzten Jahren schon. Touristikfachleute sind der Meinung, daß das Tangram klein und herzig im Hintergrund nicht viel anrichten kann - vorausgesetzt Kärntens Vorzüge werden bildlich dargestellt.

Auf die bildliche Darstellung Kärntens kann der Kurort Velden ein Loblied singen - überhaupt, wenn es eine zehnteilige Fernsehserie im RTL-Plus ist. Seit der Filmproduzent Carl Spiehs das „Schloß am WÖrtehrsee” als Hauptdarsteller entdeckt hat, kam nicht nur Roy Black wieder zu Ruhm, sondern auch der lange Zeit „hinab-schwimmende” Wörthersee. Mit 500.000 Schilling Filmbeitrag aus dem mageren Budget des Wörtherseege-bietsverbandes bekommt Velden, ja ganz Kärnten ein Vielfaches zurück: 900 Millionen Kontakte nach Ablauf der zehn Folgen im Herbst - darüber kann Kurdirektor Glawischnig von Velden nur jubeln. Wen stört es da noch, daß die Serie im eigenen Land

als „hahnebüchener Blödsinn” abgetan wird. Glawischnig über die Werbewirkung des Films: „Wo sonst bekommt man fast kostenlos so wertvolle Sendestunden? Wir sehen es an Anfragen und Buchungen, daß uns die Serie was nützt.” Ein cleverer Kärntner Reisebürounternehmer münzt den Serienrummel: er karrt scharenweise Urlauber nach Velden zum „Schloßschauen”. Daß das 400 Jahre alte Gebäude im Vorjahr um 170 Millionen von Gunther Sachs gekauft worden ist, macht den Lokalaugenschein noch spannender.

Doch nicht nur Banales versucht Kärnten an den Gast zu bringen. Erstmals werden heuer auch die vielen kulturellen Schätze in die Auslage gestellt. Anläßlich des Kärntner Kulturfrühlings wurde vom Land eine informative Broschüre aufgelegt, die staunenden Touristen von den außergewöhnlichen Kulturgütern erzählen soll. Neben den Evergreens, wie der Carinthische Sommer, die Orgelwochen von Millstatt und dem Musikforum Viktring, brillieren heuer zwei Großausstellungen. Die Landesausstellung „Schatzh us Kärntens” im Benediktinerstift St. Paul und eine Alpen-Adria-Ausstellung anläßlich der 800-Jahr-Feier „Kultur besser vermarkten” (siehe Seite 20). Das ist auch einer von vielen Vorschlägen, die Tourismusberater Manfred Kohl in seinem Tourismuskonzept 2000 dem Land verordnet. In dem außergewöhnlichen Konzept (siehe Seite 18) sind zahlreiche Ansätze für eine positive Tourismusentwicklung enthalten. Erfreuliches Faktum: alle Politiker und die meisten Touristiker beklatschen es. Woher sie allerdings das Geld nehmen werden, um so gescheite Vorschläge wie Erlebnisbäder, Radwegenetze und Kinderwelten zu verwirklichen, weiß keiner.

Um eine treffsichere Voraussage auf die Sommersaison machen zu können, müßte man heuer mit Hellseherqualitäten ausgestattet sein. Gewitzt durch das Vorjahr- ein Rekordsommer wurde vorausgesagte, ein Debakel kam heraus - halten sich die Experten mit Prognosen zurück. Tatsache ist, daß das Wetter so schlecht war, wie selten und die wenigen Touristen, die da sind, frieren. Tatsache ist, daß viele kleine Privatunternehmer ihre Häuser im Gegensatz zu vergangenen Jahren voll gebucht haben und Tatsache ist auch, daß die Deutschen heuer um acht Prozent mehr an Reisebudget eingeplant haben. Österreich ist nach wie vor ihr beliebtestes Urlaubsland.

Es könnte es doch wieder aufwärts gehen! Allen Unkenrufen zum Trotz!

Die Autorin ist Redakteurin der Kleinen Zeitung Kärnten.

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