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Kärnten als Modell

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Eigentlich ist alles klar: Franz Vranitzky und Josef Riegler bekennen sich zur Großen Koalition und grundsätzlich auch zur Fortsetzung des Regierungsbündnisses auch nach den Nationalratswahlen 1990. Kanzler und Vizekanzler schließen übereinstimmend eine Kleine Koalition mit den Freiheitlichen auf Bundesebene für ihre Parteien zwar nicht prinzipiell aus, beide sehen aber in FPÖ-Obmann Jörg Haider ein „Hindernis“ beim Partnerwechsel.

Als gesamtösterreichischen „Probegalopp“ betrachtet nicht einmal Haider selbst die Kärntner Einigung zwischen den Freiheitlichen und der Volkspartei. Auch er rechnet nüchtern mit einer Fortsetzung der SPÖ-ÖVP-Koalition in der nächsten Legislaturperiode, nicht aber damit, wie er zuletzt in einem „Standard“-Interview betonte, daß es zu einem fliegenden Wechsel kommen könnte. „Aber es kann dann die übernächste Wahl unter dem Titel .Entweder Rot/Grün oder Schwarz/Blau’ geschlagen werden“ (Haider).

Bis sich freilich solche Alternativen abzeichnen, werden ganz andere Entwicklungen Platz greifen, für die Kärnten ein Modell ist, das Vorgänger hat und Nachahmung finden wird. Aktuell gegenwärtig in Vorarlberg, wo der sozialistische Spitzenkandidat für die Arbeiterkammerwahlen mit freiheitlicher Unterstützung den ÖAAB-Kammerpräsidenten im Ländle aus dem Sattel heben möchte.

Wenn es darauf ankommt, koaliert jeder mit jedem - und nicht erst seit heute. Bruno Kreiskys Minderheitsregierung „gelang“ durch eine stille Koalition mit der FPÖ. Die SPÖ wertete 1983 die Freiheitlichen zur Regierungspartei auf Bundesebene auf. In den siebziger Jahren hoben ÖVP und FPÖ gemeinsam die jahrzehntelange Herrschaft der SPÖ in Graz und Klagenfurt aus den Angeln, umgekehrt verbündeten sich in Bregenz SPÖ und FPÖ gegen die Volkspartei. Und was jetzt in Kärnten passiert, kann morgen in jedem anderen Bundesland, in dem die Nummer zwei und drei im Parteienspektrum die Chance sehen, die Führungsrolle des Lan- deshauptmann-„Titelverteidi- gers“ bei Verlust der absoluten Mehrheit zu brechen, über die Bühne gehen. Was heute der SPÖ im Magen liegt, könnte morgen schon für die ÖVP schwer verdaulich werden.

Eine Vielfalt von unterschiedlichen Koalitionskombinationen auf Bundes- und Länderebene ebenso wie im kommunalen oder Interessenvertretungsbereich, in westlichen Demokratien gang und gäbe, etabliert sich Schritt um Schritt auch in Österreich. Das ist - losgelöst von der Person Haiders - eine Entwicklung, die für Spannung sorgt.

So wenig die Sinowatz-Steger- Koalition ein „Probegalopp“ war, so wenig ist es das Kärntner Hai- der-Zernatto-Bündnis.

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