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kaltes Wasser Leibe gerückt

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stimmten Diäten wie streng vegetarischer Kost oder nur makro-biotischer Verpflegung, weil diese wegen ihrer Einseitigkeit unter Umständen zu Mangelerscheinungen führen.

Jede ernstgemeinte Bemühung in einem Kurort oder Heilbad um eine zweckmäßige Ernährung geht daher mit diätbegleitenden Maßnahmen einher wie Vorträge, Gespräche, Entschlackung und Bewegung. Dazu kommen Pak-kungen, Bäder, Massagen.

Keine Kur im traditionellen Sinn, das heißt, die Behandlung eines speziellen Leidens mit natürlichen Heilvorkommen, bieten seit einiger Zeit die sogenannten Gesundheitshotels und Bio-Zentren an. Sie setzen auf besonders intensive Betreuung, Zuwendung und Beratung bei der zukünftigen Lebensgestaltung.

Sie arbeiten auf der Basis eines reichhaltigen Gesundheits- und Schönheitsprogramms; bieten Heilgymnastik, Moorbäder, Massagen, Bäder, Wickel, Packungen sowie Vorträge über Naturküche oder Kräuterkunde an und verstehen sich als „Erholungsstätten für Gerade-noch-Gesunde“. Ein Großteil dieser Hotels ist in einem Verein zusammengefaßt, der sich selbst bestimmte Qualitätskriterien auferlegt hat und wo man als Konsument auch relativ sicher sein kann, keinen „Kurpfuschern“ auf den Leim zu gehen. Solche Kriterien sind beispielsweise: salzarme und alternative Kost, ärztliche Betreuung und Büdungsveranstaltungen.

Ob ein bestimmtes Gesundheitshotel seriös ist, erfährt man auch beim Verein „Gesünder leben“ in Klosterneuburg in Niederösterreich (Adressen siehe Kasten).

Den eigentlichen Kurorten schreibt nämlich die österreichische Gesetzgebung zahlreiche Auflagen vor. So ist beispielsweise die Anerkennung einer Heilquelle gesetzlich geregelt. Als Kurorte werden nur jene anerkannt, in denen behördlich genehmigte und wissenschaftlich anerkannte Heilvorkommen ortsgebunden genutzt werden. Vor allem die medizinischen Einrichtungen eines Kurortes werden ständig überprüft. Weiters auch klimatische Gegebenheiten wie eine besonders gute Luft oder ein mildes Klima.

Gerade mit Luftverschmutzung haben auch Österreichs Kurorte zunehmend zu kämpfen, und es

wird gar nicht verschwiegen, daß die reinen Luftkurorte zahlenmäßig immer mehr abnehmen.

Am besten man erkundigt sich beim Heilbäder- und Kurorteverband beziehungsweise dem Gesundheitsministerium (Adressen siehe Kasten), ob ein Kurort tatsächlich als solcher (noch) anerkannt ist, sofern der Hausarzt nicht ohnehin Bescheid weiß.

Eine Gruppe, die beim Stichwort „Kur“ oder „Erholung“ meist unter den Tisch fällt, sind die Kinder. Dabei haben besonders sie mitzuleiden am Lärm und Schmutz der Großstadt, an der Hektik und dem Streß der Erwachsenen.

Alljährlich warten Schulärzte mit erschreckenden Zahlen über Haltungsschäden und Folgen von Bewegungsmangel von Schulkindern auf. Auch eine weitaus höhere Anfälligkeit bei Infektionskrankheiten wie bronchiale Entzündungen wird zunehmend be-

Schaurig kalt, aber heilsam und gesund ist noch eine andere Therapie, die bereits in vielen Orten der Alpenrepublik ihre Anhänger hat.

Kneippen heißt dieses Zauberwort der natürlichen Heilkraft. Was Pfarrer Sebastian Kneipp im vorigen Jahrhundert erdachte und erprobte, nehmen heute zahlreiche Kneippanstalten für sich in Anspruch (siehe Kasten).

Aber längst stolzieren Abgehärtete nicht mehr nur im Stor-chengang durch eiskaltes Gewässer wie zu des Pfarrers Zeiten. Güsse, Arm- und Fußbäder werden auch nicht mehr im Holzbottich, sondern im Inneren der Kneippanstalt mit chromblitzenden Geräten überstanden. Aus seiner einstigen Kalt-Wasserbe-handlung hat sich längst ein außerordentlich variables Behandlungssystem mit unterschiedlichen Temperaturen entwickelt. Kneippen ist heute auch keine Außenseitermethode mehr, sondern fußt auf wissenschaftlicher Beobachtung und Behandlung und ist heute ein wirksames Instrument gegen so manche Zivilisationskrankheit, Kreislaufschwäche, Streß, Migräne und allgemeine schwächere körperliche Verfassung.

Die Grundelemente sind noch die von dem Allgäuer Priester-

klagt. Auch für Kinder gilt daher „Vorbeugen ist besser als heilen, und etliche Kuranstalten machen schon ganz spezielle Kindertherapien.

Gerade bei Kindern sollte man nicht warten, bis sie ernsthaft krank sind.

arzt geschaffenen Güsse, wo ein exakt temperiertes Wasser auf bestimmte Körperregionen rieselt.

Sogenannte „Raucherbeine“, also die verengten Beinarterien von starken Rauchern, werden auf diese Weise behandelt. Kalt-, Warm- oder Wechselgüsse bewirken hier ein gutes Gefäßtraining.

Im Gegensatz zu Kuren wird bei der Kneipptherapie normales Leitungswasser verwendet und mit Zusätzen aus der Natur — wie etwa Kräutern oder ätherischen ölen — versehen. Heublumen oder Wacholder wird eine antirheumatische Wirkung nachgesagt, Melisse und Baldrian sollen den Körper beruhigen.

Ebenfalls als Markenzeichen der Kneipp'schen Wasseranwendung gilt das Wassertreten, wo in besagtem Storchengang rund 40 Schritte im kalten Wasser gemacht werden. Schweißtreibende Wickel, Kompressen und Auflagen, verschiedene Güsse — vom Rücken- bis zum Blitzguß - mit einer Druckdüse runden die Therapie ab. Gymnastische Übungen zu früher Morgenstunde (Kaffee ist verpönt!), Radfahren, Laufen oder Schwimmen, Nacktwandern

durch den Kräutergarten schärfen den Kneippianern wieder die Sinne für die Natur.

Wofür immer man sich letztlich entscheidet, ob Kneipptherapie, Kuraufenthalt oder Erholungsurlaub in einem Gesundheitshotel: Sich wieder einmal mit sich selbst zu beschäftigen, bringt auf jeden Fall etwas.

Kuren und richtige Erholung lassen vielleicht auch wieder manches Wichtige unwichtig erscheinen, bringen die seelische Balance wieder.

Eines ist aber auch klar: Viele Heilerfolge lassen sich nicht bloß auf die chemische Beschaffenheit von Wasser oder Moor und ihre physikalische Anwendung zurückführen — auf die Einstellung kommt es an. Auf die Erkenntnis, daß Fasten, Schwitzen und Gurgeln nicht auf Kur- oder Gesundheitszentren beschränkt bleiben darf. Man muß diese Stätten nicht unbedingt als geläuterter Mensch verlassen, aber gewisse Richtlinien und Lebensweisen müssen schon eisern durchgehalten werden.

Unseren Autos verpassen wir jedes Jahr ein „Pickerl“ und schauen, daß sie funktionstüchtig bleiben. Wie wär's mit einem „Pickerl“ für uns selbst?

Zufrieden mit der Kur?

IMAS, das Linzer Institut für Markt- und Sozialanalysen, hat Ende Dezember des Vorjahres im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung auch die Österreicher nach ihrer Zufriedenheit mit der letzten Kur befragt.

62 Prozent der 1.576 Befragten waren der Umfrage zufolge „sehr zufrieden“, 33 Prozent „zufrieden“, lediglich vier Prozent „weniger zufrieden“, und bloß ein Prozent war gar „nicht zufrieden“.

Verbracht haben ihre letzte Heilbehandlung 25 Prozent in Oberösterreich, 19 Prozent in Salzburg, 14 in Niederösterreich, neun Prozent der Befragten im Burgenland, elf in der Steiermark, drei Prozent in Tirol und ein Prozent in Kärnten.

Schaurig kalt, aber gut

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