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Kampf dem gefräßigen Rom

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In der 1981 erschienenen ersten Nummer des Propagandablatts „Lombardia Autonomista” proklamierte Umberto Bossi: „Lombarden! Es ist unwichtig, wie alt ihr seid, welcher Arbeit ihr nachgeht und welche politische Sympathien ihr habt: wichtig ist nur, daß ihr, daß wir, allesamt Lombarden sind! Dieses Faktum müssen wir jetzt politisch umsetzen.”

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In der 1981 erschienenen ersten Nummer des Propagandablatts „Lombardia Autonomista” proklamierte Umberto Bossi: „Lombarden! Es ist unwichtig, wie alt ihr seid, welcher Arbeit ihr nachgeht und welche politische Sympathien ihr habt: wichtig ist nur, daß ihr, daß wir, allesamt Lombarden sind! Dieses Faktum müssen wir jetzt politisch umsetzen.”

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Mit diesem Slogan begann Umberto Bossi, ein abgestürzter Medizinstudent und Lehrer seine steile politische Karriere an der Spitze der Lega Lombarda, die sich im Laufe der Jahre zur Lega Nord ausweitete. Programmatisch auf ihre Banner geschrieben hat die Lega eigenüich nur drei Schlagworte: Freiheit, Autonomie und Föderalismus. Die Abneigung gegen Rom ist somit gleichzusetzen mit dem Protest gegen Ineffizienz und Bürokratie, die wiederum als typisch südliche Charaktereigenschaften und Erbstücke der Bourbonenherrschaft Süditaliens identifiziert werden.

Der Lega Nord geht es nicht um die Dominierung des Südens, sondern darum, sich davon zu trennen. Die angestrebte Dreiteilung Italiens ist insofern ungerechterweise von den Medien als Bedrohung des südlichen Teils der Apenninenhalbinsel hochgespielt worden. Die Lega Veneta, die sich vor zwei Jahren mit Umberto Bossi zur Lega Nord zusammengeschlossen hatte, beanstandete hingegen die römische Personalpolitik, Staatsfunktionäre aus dem tiefen Süden in den hohen Norden zu versetzen. Die tiefe Kluft zwischen verschiedenen Lebensweisen und der Weltanschauung provozierte Unverständnis und Streit.

Der Aufschwung des Piemont mit den Turiner Fiat-Werken wäre ohne die Arbeiter aus dem Süden nicht denkbar gewesen. Daß der Lega Nord dennoch Rassismus und Egoismus vorgeworfen werden, liegt an ihrem Kampf gegen die staatliche Subventionspolitik für den Süden. Die Streichung dieser Milliardenbeiträge würde den Zusammenbruch des seit Kriegsende in Italien gehegten politischen Systems bedeuten, demzufolge im Süden der politische Konsens gekauft werden kann.

Die berühmt-berüchtigte „Cassa del Mezzogiorno” war tatsächlich nichts anderes, als ein staatlich legitimiertes Mittel, endlos und bodenlos Steuergelder zur Förderung des Mezzogiorno zur Verfügung zu stellen, der seit 1945 immer gleich unterentwickelt und regierungstreu geblieben ist. Die staatlichen Subventionen dienten dazu, Wählerstimmen zu garantieren und das Organisierte Verbrechen ruhig zu halten. Weil aber die Lega Nord mit ihren 80 ins römische Parlament gewählten Vertretern behauptet, daß die Lombardei italienweit die meisten Steuern zahlt, wehrt sie sich dagegen, daß dieses Geld in den unproduktiven Süden gepumpt wird.

Kultur der Eigenbrötlerei

Steuerfreiheit und Eigenverwaltung der Finanzen gehört darum zu den Hauptforderungen der Lega Nord für den Fall einer föderalistischen Dreiteilung Italiens. Weil dieses Theorem den verkrusteten römischen Zentralstaat mit all dem Anhang der korrupten Parteienherrschaft infragestellt, ist die Reaktion der von Rom gekauften und beeinflußten großen Massenmedien so unverhältnismäßig panisch. Wesentlich realistischer betrachten die direkt angesprochenen Süditaliener ihre nördlichen Landsmänner: solange die Lombarden, wie es scheint, keine Invasion Neapels und Palermos planen und sich in der gewohnt rauhen Ausdrucksweise gegen die „räuberische Hauptstadt Rom” (Roma ladrona) auslassen, herrscht im Süden Gelassenheit und mit Phlegma gepaarte Toleranz.

Andererseits hatte 1979 der Faschistenfürst Borghese mit dem später mysteriös umgekommenen Bankrotteur Michele Sindona Furore gemacht, als sie in einem Anflug von Separatismus Sizilien von Italien abtrennen wollten, um ungestört ihren Mafia-Geschäften nachgehen zu können. Die Kultur der Eigenbrötlerei, der tiefen Antipathie gegen den Staat und des militanten Regionalismus, Provinzialismus und Lokalismus ist in Italien zu stark, als daß die Lega Nord nur wegen ihrer antirömischen Haltung zum Hauptfeind der Nation erklärt werden könnte. Bekämpft wird die Lega vor allem von der politischen Klasse des Landes, denen die staatsfeindlichen Lombarden ungeheuerlich sind.

Berühmte römische Journalisten, wie Luigi Rossi oder Giulio Savelli haben sich in den Dienst der Lega gestellt, weil sie deren unbestechliches Engagement gegen die politische Korruption unterstützen. Aber auch „gemeine” Römer fühlen sich zum Lombarden-Chef magisch hingezogen. Oft passiere es ihm, so Bossi in einem Interview, daß er bei seinen Rom-Aufenthalten von Geschäftsleuten beiseite gezogen werde, die ihm ihre Sympathie ins Ohr flüstern. Die Lega gilt als Sprachrohr der Kaufleu-te, Kleinunternehmer und Handwerker. Alle haben einen Hauptfeind zu bekämpfen: den gefräßigen römischen Zentralstaat und dessen Ineffizienz und Arroganz im Umgang mit den Steuergeldern.

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