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Digital In Arbeit

Kampf den Kinderpornos

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Den Ueschäftemachern mit Kinderpornos soll durch härtere Strafbestimmungen das Handwerk gelegt werden. Politikerinnen von SPÖ, ÖVP und FPÖ wollen auch die perversen „Samm-mler" bestraft sehen. Legislative Maßnahmen sind überfällig. Aber darüber hinaus auch eine Hilfe für die gepeinigten Kinder.

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Den Ueschäftemachern mit Kinderpornos soll durch härtere Strafbestimmungen das Handwerk gelegt werden. Politikerinnen von SPÖ, ÖVP und FPÖ wollen auch die perversen „Samm-mler" bestraft sehen. Legislative Maßnahmen sind überfällig. Aber darüber hinaus auch eine Hilfe für die gepeinigten Kinder.

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Auch in Österreich hat sich ein lukrativer Markt sogenannter „Loli-ta-Videos" gebildet. Teilweise in Sex-Shops unter der Hand um 1.000 bis 2.500 Schilling erhältlich, teilweise als versteckte oder aber auch offene Kleinanzeigen, wie etwa im „Bazar", werden solche Kinderpornos angeboten. Selbst für die Journalisten Bernhard Knoll und Michael Weiner, die im Auftrag des Familienministeriums eine Untersuchung zum Thema „Kinderpornographie in Österreich" erstellt haben, sind Aussagen über die Größe des „versteckten" Markts, nur sehr eingeschränkt möglich. Man kenne lediglich die „Spitze des Eisberges". Über Dunkelziffern lassen sich nur Vermutungen anstellen. Da es die modernen Reproduktionstechniken erlauben, ein Video binnen kurzer Zeit zu duplizieren, gibt es auch keine Produktionsziffern, die man zur Orientierung heranziehen könnte. Laut Knoll und Weiner kann ein einzelner Anbieter binnen Tagen eine große Anzahl von Kopien eines Bandes herstellen und auch auf den Markt bringen,

Auf regelmäßige Inserate den Anzeigenblättchen „Bazar" und „Fundgrube", die die beiden Journalisten im Zeitraum von Mitte April bis Mitte Juni 1992 aufgegeben haben, erhielten sie über 60 Antworten. Davon wurde in zwölf Fällen Tausch, in vier Fällen Kauf von Videos angeboten. Drei Briefkontakte waren zu Tausch und Verkauf bereit. In zwei Briefen wurde gleich angegeben, daß die Videos vom Verkäufer selbst gedreht wurden.

„Dürfen nicht wegschauen!"

Henriette Nabe, die Leiterin der Jugendwohlfahrt und Kinder- und Jugendanwältin des Familienministeriums, ist fassungslos: „Der Rechtsstaat Österreich kann das nicht so einfach hinnehmen. Man müßte einen eigenen Straftatbestand schaffen und das Pornographiegesetz von 1950 ändern. Seine Effizienz ist wieder eine andere Frage. Aber das Kind ist doch keine Ware, sondern ein Mensch wie wir alle und sollte als solcher auch respektiert und behandelt werden. Wir müssen gesellschaftlichjede Maßnahme setzen, die nur möglich ist und dürfen nicht einfach wegschauen!"

Auch im Justizministerium herrscht Erschütterung und Betroffenheit. Nach einem Mitte Mai geführten Gespräch der Minister Johanna Doh-nal, Ruth Feldgrill-Zankel, Franz Löschnak und Nikolaus Michalek, wurden die vier Leitenden Oberstaatsanwälte in einer Besprechung im Justizressort speziell über das Problem Kinderpornographie informiert und beauftragt, die vorhandenen strafrechtlichen Mittel in diesen Bereich mit Nachdruck einzusetzen. Einschlägige Anzeigen liegen laut Justizministerium bereits vor. Außerdem wurde in Zusammenarbeit mit dem Familienministerium ein Textvorschlag für die Gewerbeordnungsnovelle 1992 erarbeitet. Nach dieser geplanten Gewerbeordnungsnovelle könnte dann Inhabern von Videotheken und Pornoläden bei Verstößen gegen das Pronographiegesetz die Gewerbeberechtigung entzogen werden.

Derzeit sieht die Rechtslage so aus: Nach Paragraph 1 des österreichischen Pornograjmiegesetzes und der einschlägigen Judikatur dazu sind alle Tathandlungen, die in „gewinnsüchtiger Absicht" gesetzt werden, im internationalen Vergleich unter relativ strenge Strafdrohung gestellt (bis

zu einem Jahr Freiheitsstrafe sowie Möglichkeit der kumulativen Verhängung einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen). Erfaßt ist davon auch die Darstellung sexueller Unzuchtsakte mit Unmündigen.

Da die Rechtssprechung den Begriff „der gewinnsüchtigen Absicht" sehr weit und lebensnahe auslegt, fällt auch der „Tausch" von Kinderpornos, sofern er mit einem - auch bloß mittelbaren - Vermögensvorteil verbunden ist, unter diesen Paragraph des Pomographiegesetzes. Auftraggeber und Hersteller von Kinderpornos unterliegen überdies der strafgesetzlichen Strafbestimmungen, weil sie in der Regel als Bestimmungstäter oder Beitragstäter zu den von den Filmproduzenten gesetzten Straftaten fungieren. Hersteller und Vertreiber als Auftraggeber von pornographischen Darstellungen können auch wegen sonstiger Sexualdelikte belangt werden, wenn ein Kind mit Gewalt oder durch gefährlich Drohung zu geschlechtlichen Handlungen genötigt wurde. Eltern oder Aufsichtspersonen, die ihre Autoritätsstellung dazu mißbrauchen, das ihrer Aufsicht unterstehende Kind zur Mitwirkung an pornographischen Aufnahmen zu verleiten, verantworten überdies das Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses.

Da die Untersuchung des Familienministeriums Hinweise auf das Vor-

handensein eines Tauschmarktes zwischen privaten Sammlern von Kinderpornos aufweist, gehen die Überlegungen der Justiz dahin, künftig das „Anbieten" und die „Weitergabe" von Kinderpornos auch ohne gewinnsüchtige Absicht unter Strafe zu stellen, um dem Markt so einen Riegel vorzuschieben. Die Anbieter könnten praktisch nicht mehr in Erscheinung treten, ohne das Risiko einer Strafverfolgung einzugehen.

Holger Eich, Diplom-Psychologe und Geschichtswissenschaftler, ist Mitarbeiter der Wiener Sexualberatungsstelle .sowie Mitbegründer des unabhängigen Kinderschutzzentrums Wien. Er sieht die Sache etwas anders und weist darauf hin, daß zwischen Herstellung und Vertrieb von Kinderpornos einerseits und dem Konsum andererseits, unterschieden werden müsse: „Es gibt für mich keinen Zweifel, daß alles zu tun ist, um die Hersteller von Kinderpornographie zu bestrafen. Ebenso steht außer Frage, daß den skrupellosen Geschäftemachern, die aus der Perversion der Konsumenten ihren Profit ziehen, der Garaus gemacht werden muß. Was uns empört ist, daß Kinder zu Pornoproduktionen gezwungen, daß sie gefoltert, manchmal vor laufender Kamera getötet werden. Machen wir uns nichts vor. Auch Höchststrafen halten keinen dieser Menschen, die diese Taten begehen, davon ab ihre Verbrechen fortzusetzen."

Für Eich sind jene Menschen, die zu

ihrer sexuellen Befriedigung die Erniedrigung anderer in derart extremem Ausmaße bedürfen, psychisch gestört, aber keineswegs Verbrecher. Daher hält es Holger Eich für einen fatalen Irrtum, zu glauben, daß psychische Konflikte per Legislative bewältigt werden können. „Ein Mensch, der innerlich dermaßen zerrüttet ist, daß ihn nur das Leid, die Schmerzen, die unbarmherzige Marter von Kindern sexuell erregt, wird sich nicht abschrecken lassen durch eine Änderung abstrakter Gesetzestexte. Je mehr ein Vergehen geächtet und verurteilt wird, um so weniger werden jene, die betroffen sind, es wagen, darüber zu reden." Für Eich gilt das nicht nur für die Täter, sondern ebenso für die Kinder.

Kinder haben auch in Situationen, in denen sie brutal vergewaltigt werden, immer wieder das Gefühl, mitbeteiligt und mitverantwortlich zu sein. Auch wenn sie eigentlich ohnmächtig, ausgeliefert und chancenlos sind. Immer fühlen sie sich mitverantwortlich für das, was ihnen geschieht. Eichs Erfahrung: „Wir könnten den Kindern helfen, wenn wir ihnen Hilfseinrichtungen bieten an die sie sich wenden können. Wo sie Unterschlupf finden, um aus der Schlinge der sexuellen Ausbeutung herauszukommen. Ohne Angabe von Gründen. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, resultierend aus meiner Arbeit im Kinder-

schutzzentrum, daß die betroffenen Kinder nicht sofort sagen, was ihnen widerfahren ist. Einerseits aus Angst, andererseits aus Scham und Schuldgefühlen heraus. Das Vertrauen zu Erwachsenen ist zerstört worden. Die Kinder sind skeptisch und verbergen, was sie wirklich bewegt. Schließlich hat man es ihnen ja gut genug eingebleut. Außerdem haben die Kinder unvorstellbare Angst vor Heimen, Polizei und Justiz. Angesichts dieser Angst haben sie erduldet und ertragen, was Erwachsene ihnen antaten."

Eich wünscht sich daher Gesetze, die in Krisensituation auf der Seite des Kindes stehen, eine Gesetzgebung, die die Rechte des Kindes erweitert, die Möglichkeiten für Jugendliche bietet, ihren Aufenthaltsort freier zu bestimmen. Er wünscht sich eine Gesellschaft, in der ein Kind gegebenenfalls seiner familiären Hölle entfliehen kann - irgendwohin, wo es Schutz findet, abernicht in den Prater, wo schon ein Zuhälter wartet.

„In den USA hat der Kongreß 1974 beschlossen, ,Runaway Houses' zu installieren-kleine Wohngruppen für nicht mehr als 20 Kinder und Jugendliche, die dort ohne Angabe von Gründen leben können. Solche attraktiven Zufluchtsorte brauchen wir. Weiters wünscht Eich mehr Beratung für betroffene Kinder. Kriseninterventionsmöglichkeiten, die unbürokratisch arbeiten, Kinderschutzzen-tren. Das scheint mir eine sinnvolle Hilfe für Kinder zu sein."

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