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Kampf gegen eine Notlosung

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Der Saisonschluß in den Bundestheatern ist zwar schon ein paar Wochen vorbei. Aber von den angekündigten Nachfolgern für Burg-Chef Gerhard Klingenberg und Staatsoperndirektor Rudolf Garnsjäger ist vorerst keiner in Sichtweite. Von konkreten Verhandlungsergebnissen könne noch keine Rede sein, wollen Ministerial-Insider wissen. Auch ein für Anfang Juli geplantes Pressetreffen, bei dem Minister Sinowatz eine Art Zwischenbilanz seiner „Direktoren-Nachfolge-Gespräche“ ziehen sollte, wurde schleunigst abgesagt. Und der Bundestheatergesetzesentwurf, der immerhin noch den Ministerrat passiert hat, wurde dem mit dem ORF-Krach überbelasteten Parlament erst vor kurzem übermittelt. „Im Spätherbst oder Frühjahr wird das Bundestheatergesetz beschlossen werden können“, kündigte der immer optimistische Doktor Sinowatz noch vor seinem spektakulären „Salzburger Kulturmarsch zu Fuß und per Rad“ an: „Wir werden dann auch die neuen Direktoren bestellen.“ Fairerweise will der Minister nicht endgültig verhandeln, solange er den Kandidaten keine gesetzlichen Grundlagen vorzeigen kann.

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Der Saisonschluß in den Bundestheatern ist zwar schon ein paar Wochen vorbei. Aber von den angekündigten Nachfolgern für Burg-Chef Gerhard Klingenberg und Staatsoperndirektor Rudolf Garnsjäger ist vorerst keiner in Sichtweite. Von konkreten Verhandlungsergebnissen könne noch keine Rede sein, wollen Ministerial-Insider wissen. Auch ein für Anfang Juli geplantes Pressetreffen, bei dem Minister Sinowatz eine Art Zwischenbilanz seiner „Direktoren-Nachfolge-Gespräche“ ziehen sollte, wurde schleunigst abgesagt. Und der Bundestheatergesetzesentwurf, der immerhin noch den Ministerrat passiert hat, wurde dem mit dem ORF-Krach überbelasteten Parlament erst vor kurzem übermittelt. „Im Spätherbst oder Frühjahr wird das Bundestheatergesetz beschlossen werden können“, kündigte der immer optimistische Doktor Sinowatz noch vor seinem spektakulären „Salzburger Kulturmarsch zu Fuß und per Rad“ an: „Wir werden dann auch die neuen Direktoren bestellen.“ Fairerweise will der Minister nicht endgültig verhandeln, solange er den Kandidaten keine gesetzlichen Grundlagen vorzeigen kann.

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Nur noch eines scheint im allmählich auch nach Taktik aussehenden Verzögerungsspiel doch schon ausgeklammert: daß Professor Gamsjägers Direktorenvertrag um ein Jahr verlängert wird ... „Darüber wird seit langem nicht mehr geredet... Auch Gamsjäger selbst will keine Verlängerung!“ bestätigte man jedenfalls am Minoritenplatz und beendete damit alle Annahmen, die monatelang Vermutung waren: So, daß Gamsjägers Verlängerung, gestützt von Bürgermeister Gratz, der als Unterrichtsminister den Ex-Musikvereinschef in die Staatsoper geholt hatte, notwendig werden könnte, um den Unterrichtsminister beim Gespräch mit den neuen Kandidaten Zeit ge-

Soll Karajan bringen: Professor Albert Moser Winnen zu lassen; und daß es überhaupt auch im Interesse des Bundeskanzlers liege, die Wachablöse in beiden Häusern, in Burg und Oper, zugleich vollziehen zu können.

Nicht zu übersehen ist allerdings, daß man nun mit dieser allgemeinen Verschleppung reichlich in Zeitnot geraten wird. Die in der BRD allerorten „freiwerdenden“ Intendanten und Direktoren wollen doch wohl bald Zu- oder Absagen, die man offenbar nicht geben kann. Aber droht nicht dann im Spätherbst erst recht eine Lösung, die nur zu leicht aus der Zeitnot geboren sein könnte, also eine „Notlösung“? Denn wie leicht in Wien fällt in solch einem Fall, in solch einem Gewurstel der letzten Minuten, die Wahl auf einen, der sich gerade als der „Bequemste“ anbietet, der dem Ministerium wie dem Generalsekretariat die geringsten Probleme schaffen wird!

Nun, es ist zwar Sommer, Verhandlungsflaute, die Bundestheater sind geschlossen, Minister und Kulturbeamte teils unterwegs, teils auf Urlaub ... Aber das Nachfolgekarussel dreht sich dennoch. Auch wenn im Fall beider Häuser die Liste der Kandidaten in den letzten Monaten schon beträchtlich zusammengeschrumpft ist.

Wer präsentiert sich da eigentlich noch im Gespräch?

Zum Beispiel Rolf Liebermann, Reorganisator der Pariser „Grande Opera“ mit Cäsarenallüren und „Retter aus der Gewerkschaftsdiktatur“. In einem Brief an Bundeskanzler Kreisky soll er sich vor ein paar Monaten als Staatsopernchef angeboten haben. Aber bei Liebermann weiß man ja, was ein solches „Interesse“ im allgemeinen bedeutet: Immer wenn Liebermann sich Wien anbietet, will er damit anderswo sein Budget hinauflizitieren, seine Position stärken. So war es dereinst in Hamburg, als er Wien Avancen machte... Und daß er jetzt seit Monaten mit der Pariser Finanzverwaltung in einen Kleinkrieg verwickelt ist und bereits zu gehen drohte, ist auch kein Geheimnis mehr ...

Auch Christoph von Dohnanyi, Frankfurts erfolgreicher junger Opernchef und Anja-Silja-Begleiter, scheint im Wiener Ringelspiel schon ausgestiegen zu sein: Die Beziehungen zu seinem „künstlerischen Erfinder“ Gamsjäger haben sich offenbar sehr abgekühlt, seit Dohnanyi die „Meistersinger“-Premiere (mit Schenk und Rose) platzen ließ und ihm auch noch den „Tannhäuser“ aufkündigte, weil er — wie er offiziell begründete — die in Wien gespielte Pariser Fassung nicht studiert habe. (Intern hörte man freilich, daß Dohnanyi nicht bereit gewesen'sein soll, für die von der „Neueinstudierung“ allmählich bis zur eher peinlich versteckten Repertoireaufführung hinuntergerutschte und blamabel danebenbesetzte Wiederaufnahme seinen Namen herzugeben!) Gamsjäger soll ihm jedenfalls diese Ablehnung als Affront quittiert haben. Und auch die Gunst des Ensembles hat sich — wie man hört — vom zuerst hochgelobten Dohnanyi nunmehr in Richtung Betriebsrat, also zu Eberhard Wächter hin, verschoben, der als Opernchef natürlich mit der Unterstützung seines Freundes Otto Schenk und nahestehender Journalisten zu rechnen hätte. Schenk selbst hat sich allerdings gegen sämtliche Direktorenkombinations'spielchen im Zusammenhang mit seinem Namen heftig gewehrt: „Un-gefoltert bekommt mich keiner auf einen Intendantenstuhl... Die Theater können sich bei mir jede Anfrage ersparen“.

„Ein Interesse an der Staatsoperndirektion ...“, wehren sich aber auch Kandidaten, die als „im Rennen zu sein“ gelten: „Wo denken Sie hin ... Wer will denn schon?“ (Als ob's unehrenhaft wäre, Direktor der Wiener Staatsoper zu werden!) August Everding zum Beispiel, Liebermann-Intimus, dessen Nachfolger als Intendant an Hamburgs Staatsoper und Mitvater der Opernachse Paris-Hamburg, bestreitet heftigst, auch nur das geringste Interesse an Wien zu haben. Nur steht er seit seiner Salzburger Zusammenarbeit mit Herbert von Karajan (Carl-Orff-Urauffüh-rung von „De temporum fine comoe-dia“, 1973) auf der Liste derer, die dem Maestro ergeben sind und daher Bundeskanzler Kreisky geeignet erscheinen, mit Karajan den Glanz der Wiener Staatsoper neu aufzupolieren.

Noch enger an Karajan gebunden, ihm verbunden, ist freilich Professor Albert Moser, Ex-Volksopernchef und nun im Musikverein Generalsekretär. Er kennt Karajan seit seinen Generalsekretärstagen in der Staatsoper; der Draht nach Salzburg und Berlin funktioniert tadellos, ja, Moser-Freunde wollen wissen, daß er mit dem Maestro oder dessen Büro „fast täglich telephoniert“ (wofür Karajan bei Dr. Kreisky sich denn auch konsequent für Moser einsetzen soll).

Außerdem steht Berlins Opernchef, Professor Egon Seefehlner, im Gespräch, ein gebürtiger Wiener, der jahrelang dem Konzerthaus erfolgreich ein Profil gab, unter Karajan in der Staatsoper tätig war, mit dem Maestro gute Kontakte hat. Ein Gerücht wollte auch noch wissen, daß Schauspieler Karlheinz Böhm mit ihm „für Wien in Frage käme“. Aber dagegen schoß Kreiskys SPÖ-Wahl-werber in einem Brief heftig, womit er sich ja persönlich von dieser Möglichkeit, distanziert hat. Und schließlich steht auch Volksopern-Direktor Carl Dönch im Gespräch, ein Kenner des Metiers, der Aufgaben, des Ensembles, ein Kenner Wiens ...

Spektakulärer wirken Namensangebote im heiligen Haus der „Burg“: Vor allem kreisen alle Gespräche da immer wieder um — wie man hört — des Kanzlers Lieblingskandidat, Boy Gobert, der dem von Klingenberg geschockten Publikum nach Art seines Hamburger Thalia-Theaters Gepflegtheit, glattes Amüsement, ein kultiviertes verführerisches „Lam-mettatheater“ — wie eine deutsche Zeitung schrieb — bescheren könnte.

Starken Rückhalt im „Burg“-En-semble hat natürlich Achim Benning, der mit Burgchef Klingenberg ein gutes Verhältnis hat und als Chef den Spielplan und Ensemblebetreuung als Praktiker wohl gewährleisten könnte.

Nicht mehr im Spiel ist allerdings Werner Düggelin, der immer wieder genannt wurde, aber nun in Zürich

Des Kanzlers Lieblingskandidat: Boy Gobert unterschrieben hat und dort mit dem 1977 in Wien abgehenden Gerhard Klingenberg das Haus leiten wird.

Aber auch Kuriosa am Rande gab es:

So beeilten sich Gerüchtemacher, Peter Stein von der Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer sein Interesse an einer Direktionsnachfolge in Wien nachzusagen. Und auch eine andere Version ist in ihrer Konstellation fast zu verführerisch, als daß sie Realität werden könnte: So soll Finanzminister Androsch eine Doppeldirektion Giorgio Strehler / Ernst Haeusserman vorgeschlagen haben, die auf der realen Grundlage einer intensiven Zusammenarbeit beider im Rahmen der Salzburger Festspiele — Haeusserman im Direktorium, Strehler als Konsulent und meistbeschäftigter Regisseur — basiert.

Im „Burg“- und Opern-Direktoren-Nachfolge-Geplänkel ist freilich ein Vorschlag völlig unberücksichtigt geblieben: Da hat nämlich das „Burg“-Ensemble durch seine Ensemblevertretung vorgeschlagen, statt der prominenten Namen und möglichen Intendantenaustausch-spiele endlich einmal seriöserweise von der Arbeit zu reden, von Theaterarbeit, von Konzepten, Organisationsproblemen und wie man dem Haus ein ihm entsprechendes Profil geben könnte... Wie gesagt, eine Stimme, die keiner hören wollte: die der Minister nicht recht zur Kenntnis nahm, die man im Bundestheaterverband nicht weiter kommentierte. Und doch ist da erstmals etwas geschehen, was eigentlich weiterzudenken viel wichtiger wäre, als alle Versuche, nur einen renommierten Namen einzukaufen. Man müßte sich erst einmal grundsätzlich klar werden, für welches Konzepte man sich entscheiden soll, wie Spielpläne aussehen sollen, welche Ensemblepolitik betrieben werden soll. Das gilt für Burg und Oper. Erst wenn der Minster da seine festumrissenen Vorstellungen hat, kann er mit Kandidaten Meinungsaustausch betreiben, der fruchtbar sein wird. Und um da die richtige Entscheidung zu fällen, sollte man sich wohl keinesfalls in Zeitnot fühlen oder gar eine Notlösung ansteuern. Eine Notlösung, die wieder nur bloß ein Weiterwursteln für fünf Jahre sichert. Aber nicht mehr!

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