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Kampf um den Steuerschilling

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Unter angriffslustigem Donnergrollen aus der Wetterküche des Finanzministers rückt nun die erste, noch vor dem Sommer geplante Gesprächsrunde über die Neuauflage des Finanzausgleichsgesetzes näher. Hannes Androsch muß befürchten, daß seine fieberhaften Versuche, das Bundesbudget nur einigermaßen zu sanieren, bei auch nur teilweiser Erfüllung der Länder- und Gemeindewünsche wieder völlig durchkreuzt werden, weshalb er jüngst damit drohte, notfalls das für 1. Jänner 1979 fällige Finanzausgleichsgesetz auch im „Alleingang” über die Bühne zu bringen.

Der Finanzausgleich, jenes hoch- komplizierte Instrumentarium, das im Sinne der Verfassungsbestimmungen über Föderalismus und Gemeindeautonomie dafür zu sorgen hat, daß die verschiedenen Steuereinkünfte nach einem einigermaßen gerechten Schlüssel auf die einzelnen Gebietskörperschaften verteilt werden, ist in den letzten Monaten in der Konferenz der Landeshauptleute sowie von Städ- te- und Gemeindebund bereits vorberaten worden, wobei sich naturgemäß gegenüber der Position des Bundes recht erhebliche Auffassungsunterschiede herauskristallisiert haben.

Androsch hat sich seit einiger Zeit auf die recht einfache Aussage zurückgezogen, der Bund werde vorläufig den Ländern nicht mehr Mittel zuteilen, als sie ohnehin schon bekommen. Diese Absage an die Länderwünsche pflegt Androsch stets auch mit einer Kritik an der Ausgabenpraxis der Länder zu verknüpfen, wonach die Länder ohnehin nicht ganz in der Lage oder willens seien, die ihnen zugeteilten Mittel zweckentsprechend einzusetzen.

Im Rahmen des österreichischen Städtetages Ende Mai hat der Finanzminister neuerlich den Ländern die kalte Schulter gezeigt, ja er ging sogar daran, mit Gemeinden und Städten eine gegen die Länder gerichtete Interessenskoalition zu schmieden, indem er keinen Zweifel ließ, daß er versuchen werde, die Länder verstärkt zur Kasse zu bitten, da sich das Bundesbudget noch in einer Konsolidierungsphase befinde. Androsch beruft sich dabei auf eine Untersuchung einer Expertengruppe unter Federführung des Finanzwissenschaftlers und

SPÖ-Prografnmbastlers Egon Matz- ner, der in einer rechnerischen Bestandsaufnahme fps^gestellt haben will, daß die Länder insgesamt günstiger als beabsichtigt aus der Aufteilung der gemeinsamen Steuern ausgestiegen seien.

Ganz im Gegensatz zu den Matz- ner-Erhebungen verweisen die Bundesländer auf zwei zu ihren Ungunsten verlaufenen Tendenzen: Die nicht vorhersehbare Steuerentwicklung habe gerade in den letzten beiden Jahren zu einer Schwerpunktverschiebung der Steuereinkünfte von den Ländern in Richtung Bund geführt; diese Tendenz sei aber durch Einführung neuer, das Bundesgebiet einseitig begünstigender Steuern noch verstärkt worden. Die Länder fordern daher die Wiederherstellung des im Finanzausgleichsgesetz 1972 paktierten Spannungsverhältnisses zwischen den Steuereinkünften der einzelnen Gebietskö rperschaften.

Die mühsam in Gang gekommenen Gespräche über die Spitalsfinanzierung sind natürlich auch im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich zu sehen: Das Krankenanstaltengesetz bezeichnet nämlich die Erhaltung der Spitäler als Landesaufgabe. Die bisherige Situation hat nun soweit geführt, daß für die Länder bald der Zeitpunkt gekommen sein wird, wo alle Landesbudgetmittel in der Spitalsfinanzierung aufgehen werden, sofern keine neue Lösung gefunden werden kann. Bei allem Optimismus erwarten sich die Länder dufCh die Neuregelung kaum eineJVusweitung des eigenen finanziellen Bewegungsraumes, sondern höchstens eine Einbindung des Bundes und der Kassen in die Verantwortlichkeit für die hohen Defizite.

Für Gemeindebund und Städtebund geht es beim Finanzausgleich wieder um andere Probleme: Sie sind mit den in ihre Kassen fließenden Steuerquellen, die großteüs sehr konjunkturabhängig sind, völlig unzufrieden. Voral- lem der Gemeindebund drängt deshalb seit Jahren auf eine völlige Neustrukturierung des Finanzausgleichs. Kritisiert wird vor allem, daß die Gemeinden sehr stark auf die Gewerbesteuer angewiesen sind, woraus sich großteils völlig ungerechtfertigte Steuerkraftunterschiede von Gemeinde zu Gemeinde ergeben. Dies zeigt auch die aus dem Jahr 1972 stammende Gegenüberstellung der Steuerkopfquoten der österreichischen Gemeinden: Die finanzstärkste Gemeinde war Lech am Arlberg (1218 Einwohner) mit einer Steuerkopfquote von 10.796 Schilling, weit abgeschlagenes Schlußlicht war die steirische Gemeinde Cftambach (1020 Einwohner) mit 792 Schilling Steuereinnahmen je Einwohner. Daß der Finanzbedarf der Gemeinde Lech weit mehr als zehnmal größer ist als der der Gemeinde Grambach, wird wohl nur schwer zu beweisen sein.

Die Abhängigkeit der Gemeinden von der Gewerbesteuer (andere Steuern wie Grundsteuer, Lohnsummensteuer, Getränkesteuer und Gemeindeverwaltungsabgabe, fallen nicht so stark ins Gewicht) birgt auch eine raumordnungsfeindliche Tendenz in sich. Kraß ausgedrückt könnte man sagen: Gemeinden, die durch die Anlage von Industrieobjekten an ihrer Umwelt nagen, werden durch lukrative Steuereingänge belohnt, während die Wohnsitzgemeinden in den Randzonen der Ballungsräume zwar einen großen Teil der Erholungslandschaft darstellen, dafür aber in keiner Weise aus dem Steuersäckel eine Gegenleistung erhalten.

Auch der sogenannte abgestufte Bevölkerungsschlüssel ist Gegenstand heftiger Kritik seitens der kleineren Gemeinden. Dieser Schlüssel besagt, daß die Gemeinden mit steigender. Einwohnerzahl verhältnismäßig einen größeren Anteil an den gemeinschaftlichen Steuern erhalten, als die kleineren Gemeinden. Diese Regelung stammt noch aus der Nachkriegszeit, als das berechtigte Bedürfnis bestand, zunächst in den größeren Ballungsgebieten die durch Kriegseinwirkungen zerstörte Infrastruktur wie Kanalisation oder Wasserleitungen wieder instandzusetzen.

Kleinere Gemeinden empfinden darin heute eine gewisse Diskrimie- rung ihrer Einwohner, sie verlangen eine Aufhebung dieses abgestuften Schlüssels. Hier stoßen die Gemeinden aber klarerweise auf hartnäckigen Widerstand aus den Reihen der Städte, die unter Hinweis auf ihre gigantischen Defizite keine Abstriche zu machen bereit sind.

Die Bedarfsbefriedigung der einzelnen Gebietskörperschaften ist nun sicherlich keine objektiv meßbare Größe, zumal es sich in diesem Bereich immer auch um politische Entscheidungen handelt. Dennoch sei es erlaubt, einige Maximen aufzustellen bzw. zu unterstützen: Eine schleichende Bereicherung des Bundes durch Verschiebung der Steuereinkünfte in Richtung Bund widerspricht der Aufgabenteilung zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften und leistet weiteren Zentralisierungsversuchen Vorschub. Länder, aber vor allem Gemeinden sollen nicht nur von konjunkturabhängigen Steuern leben, die bisweilen recht spärlich fließen, sondern durch stärkere Beteiligung, an konjunkturunabhängigen Steuern ihren autonomen Finanzbereich im Sinne des Subsidiaritätsprinzips wirklich autonom nützen können. Schließlich sollte im Gegensatz zur gegenwärtigen Abhängigkeit von der Gewerbesteuer versucht werden, auch eine raumordnungsgerechte Komponente in den Finanzausgleich einzubringen.

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