7077254-1993_23_06.jpg
Digital In Arbeit

Kampf um die letzten Wälder

19451960198020002020

Auf allen Kontinenten ist das Überleben von Menschen - ob der Ureinwohner in Burmas Teak-Wäldern oder der Kinder von Tschernobyl - durch Umweltzerstörung bedroht. Ein besonders brisantes Problem, wurde doch 1993 von der UNO auch zum , Jahr der indigenen Völker" erklärt.

19451960198020002020

Auf allen Kontinenten ist das Überleben von Menschen - ob der Ureinwohner in Burmas Teak-Wäldern oder der Kinder von Tschernobyl - durch Umweltzerstörung bedroht. Ein besonders brisantes Problem, wurde doch 1993 von der UNO auch zum , Jahr der indigenen Völker" erklärt.

Werbung
Werbung
Werbung

Sarawak, Malaysia: Ureinwohner appellleren: „Kauft kein Holz aus unseren Wäldern" (Foto ubman/Greenpeace)

„In Malaysias Regenwäldem kämpfen gerade jetzt die letzten Nomaden um ihr Überleben, das vom intakten Wald abhängig ist", berichtet Anderson Mutang Urud, selbst Angehöriger des Kelabit-Stammes im malaysischen Teilstaat Sarawak. Die Ureinwohner, denen von Malaysias Regierung keine Rechte auf ihr angestammtes Land zuerkannt werden, blockieren Holzfällerstraßen und werden dafür von den Behörden schikaniert. Sie appellieren: „Kauft kein Holz aus unseren Wäldern!"-

Widerstand regt sich auch in Brasilien - gegen die Abholzung von Mahagoni, das fast ausschließlich illegal in Naturschutzgebieten und Indianerreservaten eingeschlagen wird. Hier hat sich eine breite,.Koalition gegen zerstörerischen Holzeinschlag im Amazonasgebiet" gebildet, der sich etwa 80 Gruppen angeschlossen haben.

Die Koalition setzt gemeinsame Protestaktionen, prozessiert gegen illegales Holzfällen und macht Druck auf Politiker. In Brasilien ist das ein gefährliches Unterfangen. Hier wird der Zusammenhang zwischen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung besonders drastisch demonstriert: Im Mai wurden zwei prominente Umweltschützerund Gewerkschaftsvertreter ermordet, die gegen den Raubbau an den Regenwäldem gekämpft hatten.

Doppelt soviel Wald wie im Amazonasgebiet geht jährlich in Rußland verloren - dies allein durch Holzein-

schlag, nicht eingerechnet andere Zerstörungsursachen (siehe FURCHE 7/1993). Immer mehr ausländische Firmen melden ihr Interesse an den riesigen Holzvorräten Rußlands an. Brennpunkte des Firmeninteresses sind Grenzgebiete: Kardien, der Nordwesten Rußlands, wo vorwiegend finnische Firmen aktiv sind - und der Feme Osten. Dort wächst beispielsweise der Widerstand gegen Pläne des US-Konzems Weyerhaeuser, im Naturschutzgebiet am Botscha-Fluß Holz zu schlagen. Die norwegische Firma FMT hat unweit davon gleich zwei Pläne für Kahl schlags-Untemeh-men vorgelegt.

Rund die Hälfte der Einwohner der Stadt Sovietskaya Gavan hat bereits gegen die Weyerhaeuser-Pläne unterschrieben. Gegen die Projekte ist naturgemäß auch das in dem Gebiet lebende Volk der Orotschi. Denn vor allem betroffen von den brutalen Kahlschlägen sind Rußlands 26 kleine Ureinwohner-Völker. Sie sind in ihrer

Existenz bedroht. Diese Völker leben von der Jagd, vom Fischfang und von der Rentierzucht. Die größten Gruppen zählen gerade noch 30.000 Menschen. Von den meisten gibt es nur mehr wenige hundert oder tausend.

„Wir befinden uns in der bedrohlichsten Situation unserer mehrtausendjährigen Geschichte. Aus stolzen Jägern und Fischern werden arbeitslose und oft sogar obdachlose Men-

schen, die auf der untersten Stufe der Gesellschaft stehen", klagt Wladimir Sangi, Präsident der „Vereinigung der kleinen Völker des russischen Nordens".

Die Ureinwohner haben sich 1990 zu diesem Dachverband zusammengeschlossen, um kulturelle, ökologische und wirtschaftliche Rechte zu erkämpfen. Sie fordern Selbstbestimmung und wollen, daß die Rechte der indigenen Völker in der russischen Verfassung festgeschrieben werden. Sangi: „Es müssen Gebiete festgelegt werden, in denen die kleinen Völker auf traditionelle Art arbeiten, jagen und fischen dürfen. Sie müssen vor der Willkür der örtlichen Behörden und vor skrupellosen Geschäftemachern geschützt werden."

Im westsibirischen Gebiet der Chan-ten und Mansi kam es bereits zu einer Straßenblockade gegen die dort operierenden Ölfirmen. Auf Wunsch der beiden Völker wurde ihr Gebiet daraufhin zum Reservat erklärt. Holz-, Gas- und Ölfirmen ist nun der Zugang verboten. Die Udege, Ureinwohner im Fernen Osten, wehren sich mit juristischen Mitteln gegen ein russisch-südkoreanisches Holzunternehmen; doch sie haben auch ihre Bereitschaft erklärt, ihren Wald im Notfall mit Waffengewalt zu verteidigen. Mit gesenkten Gewehren haben sie das Eindringen von Landvermessern verhindert, die die Holzkonzession abstecken wollten. „Wir können nicht viel tun, um das Angebot zu stoppen. Es liegt in der Verantwortung der Menschen in der Ersten Welt, die Nachfrage zu stoppen", so Brasiliens früherer Umweltminister Jos6 Lutzenberger. Auch Österreich ist gefordert: Wir importieren jährlich Zehntausende Kubikmeter Holz aus Rußland, Malaysia und Brasilien.

Der Autor ist Biologe und Waldexperte bei Greenpeace Österreich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung