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Kampf um Häuser und Wahlstimmen

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Vor wenigen Tagen wollte die österreichische Caritas 60 Häuser übergeben, die sie im süditalienischen Erdbebengebiet in den Gemeinden Montoro Superiore und Montoro Inferiore fertiggestellt hat. Die Überreichung der Schlüssel mußte verschoben werden. Die Gründe sind typisch für die Probleme, denen sich Helfer in Kalabrien gegenübersehen.

Ihren künftigen Bewohnern konnten die Häuser nicht übergeben werden, weil sie noch picht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind. Eine Schlüsselübergabe vor leerstehenden Häusern wiederum hätte bei allen jenen böses Blut gemacht, die oft mit drei oder vier Kindern seit Monaten in Wohnwagen campieren.

Auch aus deutschen und französischen Hilfsgeldern errichtete Häuser stehen im fertigen Zustand leer, weil die Zuleitungen fehlen. Mitteleuropas Spender und Steuerzahler, mit deren Geld die Häuser gebaut wurden, lesen in den Zeitungen als Erklärung Wörter wie „Organisationsmän- gel“ oder „Behördenchaos“.

Auch die vor Ort arbeitenden ausländischen Bauleiter und Handwerker stehen vor einer Mauer von Ausflüchten. Mit Reizwörtern wie „südländische

Schlamperei“ ist nichts erklärt: Andere Organisationsaufgaben wurden von den Behörden ohne Schwierigkeiten gelöst, Unmassen von Schutt abtransportiert, baufällige Häuser gestützt. Aber auch mit dem Schlüsselwort „Mafia“ macht man es sich zu leicht.

Sicher mischt sie allenthalben mit. Sicher holt sie sich ihr Teil. Ebenso sicher sind diese Vorgänge für Außenstehende undurchschaubar.

Hingegen fühlt sich der Österreicher geradezu heimatlich be-

rührt, wenn er Andeutungen vernimmt, daß im Zeichen herannahender Kommunalwahlen die politischen Parteien bis aufs Messer um jede Stimme ringen und dabei die Verteilung der Häuser eine wichtige Rolle spielt. Daß, vielleicht, die unfertigen Zuleitungen diesen Kampf abschirmen. Daß der Schatz aus der Fremde, die schmucken Einfamilienhäuser, obendrein in Jahrhunderten gewachsene Machtstrukturen bedroht.

Für die Verteilung der österreichischen Caritas-Häuser wurde

österreichische Caritas aber errichtet Einfamilienhäuser, die im Hinblick auf Bebensicherheit eigens konstruiert wurden. Die Erde in Kalabrien ist auch ein Jahr nach dem großen Beben alles andere als ruhig.

Architekt Walter Hildebrand hatte gemeinsam mit dem Statiker Ernst Mader schon vor längerer Zeit die vorsorgliche Produktion jener halbrunden Metallgebilde angeregt, die wesentlich mehr Wohnkomfort bieten, als man ihnen von außen ansieht, und die als Soforthilfe nach Kalabrien geschickt wurden.

Sie wurden in der Zwischenzeit winterfest gemacht und werden sicher jahrzehntelang gute Dienste leisten.

Das Geld der österreichischen Caritas-Spender und Steuerzahler (der Bund stockt bekanntlich die Spendenbeträge auf) wird also sinnvoll verwendet

ein Modus gefunden, der jeder Seite, Gemeindeverwaltung und Caritas, ein Vetorecht gegen jeden Hauswerber einräumt. So soll sichergestellt werden, daß, ob nun im Einzelfall ein „Schwarzer“ oder ein „Roter“, jedenfalls ein Bedürftiger das Haus bekommt.

Noch beruhigender für Spender ist die neue Linie der Caritas, die weitere Häuser künftig so weit wie möglich auf dem Eigengrund von Erdbebenopfern errichtet und fordert, daß der künftige Bewohner das Fundament selbst betoniert. Auch wenn ungeschickte z Arbeit korrigiert werden muß, ist klargestellt, wem das Haus gehören wird, so daß politische (und/ oder „mafiose“) Verteilungskämpfe verhindert werden. So kann weiterhin geholfen werden- denen, die es brauchen.

Übrigens: Manches Land spendete hochwertige Häuser, einiges sieht bei näherem Zusehen nach Fertighaus-Ladenhüter aus, die

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