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Kampf um offene Grenzen

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Als der einstige Bundeskanzler Josef Klaus zum ersten Staatsbesuch nach Jugoslawien fuhr, lernte er einige Brocken Serbokroatisch - als Geste gegenüber seinen Gastgebern.

Als Kanzler Franz Vranitzky im Frühjahr 1990 ein paar Tage in Belgrad weilte, mußte er sich nach seinem Besuch vor allem in der slowenischen Presse schwere Vorwürfe gefallen lassen, weil er, nach Ansicht der Slowenen, zu sehr die staatliche Einheit Jugoslawiens betont hatte.

Das Bemühen um ein gutes Verhältnis zum offiziellen Jugoslawien hat die von Serben dominierte Armeeführung nicht gehindert, in der derzeitigen Krise die absurdesten Vorwürfe gegenüber Österreich zu erheben.

Neben der österreichischen Außenpolitik hat es aber auch immer direkte Kontakte auf den verschiedensten Ebenen zwischen den Nachbarn Steiermark und Kärnten einerseits und Slowenien andererseits gegeben. Der Verlust der Untersteiermark nach dem Ersten Weltkrieg, die Vertreibung von Slowenen in der Zeit des Dritten Reiches und die vielen Opfer unter der deutschsprachigen Bevölkerung als Folge des Zweiten Weltkrieges hatte tiefe Wunden geschlagen. Und so sah es zum Beispiel Landeshauptmann Josef Krainer, ein Mann mit „Grenzwitterung", nach dem Krieg, als eine seiner wichtigsten Aufgaben an, den Frieden an dieser Grenze zu sichern: mit einer Politik der kleinen Schritte und der Demonstration guten Willens für ein friedliches Zusammenleben. Wie schwierig das in einer völlig vergifteten Atmosphäre war, habe ich selbst als junger Journalist bei einer „Marburger Gräberfahrt" erlebt, als Steirer zum ersten Mal nach dem Krieg die Gräber ihrer Verwandten besuchen durften. Es war damals schwierig, mit Menschen jenseits der Grenze ins Gespräch zu kommen und auch Friedhofsbesucher blickten verstohlen um sich, ehe sie in deutscher Sprache auf eine Frage antworteten.

Diese mühselige Arbeit der Vertrauensbildung war es, die mitgeholfen hat, die Grenzen zwischen zwei Staaten mit verschiedenen weltanschaulichen Systemen immer weiter zu öffnen. Vor diesem Hintergrund wird es auch verständlich, warum die Slowenen so um die Kontrolle dieser offenen Grenze kämpfen.

Großmächte neigen dazu, die Ordnung für wichtiger zu halten als das Recht. In Jugoslawien fällt auseinander, was nicht zusammengehört - eine überholte Ordnung bricht zusammen. Es spricht für die österreichische Außenpolitik, daß sie diese Zeichen der Zeit erkannt hat, und daß sie mit Nachdruck, Energie und Phantasie mithilft, diese Krise innerhalb Europas mit politischen und diplomatischen Mitten zu bewältigen. Die Chancen, daß dies auch gelingt, stehen leider schlecht.

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