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Kampf um Wien

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Schneller, als so manchem lieb sein mag, wird sich nach dem Parteitag der Wiener Volkspartei zeigen, ob Busek hält, was Taus verspricht. Die politischen Erwartungen, die in Erhard Busek nicht nur von der Wiener Volkspartei, sondern vor allem von jener breiten Schicht der politisch abstinenten Stadtbewohner gesetzt werden, die in steigendem Maße den Urnen fernblieben, sind mehr als hoch. Der zur Zeit noch geschäftsführende Landesparteiob-mann wird also innerhalb kürzester Frist zu seiner Höchstform auflaufen müssen und im übrigen gut daran tun, sich von der eigenen Partei nicht voreilig als Wunderrabbi feiern zu lassen.

Momentan laufen die Vorbereitungen für den Landesparteitag, der statutengemäß für die Wahl des Obmannes zuständig ist, noch auf Hochtouren. Wie man hört, ist es Taus gemeinsam mit Busek einigermaßen gelungen, die nach ihrem Kraftakt innerlich aufgewühlte Wiener Volkspartei wieder zusammenzukitten. Erhard Busek muß -bei seiner Wahl zum Obmann zwar mit einer Reihe von Streichungen rechnen, doch scheint die Front der Busek-Gegner beträchtlich zusammengeschmolzen zu sein. Kreise um die beiden Abgeordneten Dr. Schwimmer und DDr. König und den Landtagsabgeordneten Prohaska dürften weniger aus Antipathie Busek, denn aus Freundschaft Bauer gegenüber, aus der Reihe der jubelnden Partei-taigsdelegierten heraustanzen. Und dann gibt es noch jene Parteifunktionäre, die sich nach wie vor durch die rasche Entscheidung des aller-obersten Parteiherren übergangen fühlen. Mitarbeiter der Wiener ÖVP erwarten aber dennoch ein Wahlergebnis von 70 bis 80 Prozent der Delegiertenstimmen für Busek.

An Busek wird es nun liegen, in seiner Parteitagsrede die neuen Akzente für die Wiener Kommunalpolitik näher zu konkretisieren. Jedenfalls wird es nicht reichen, verbale Kraftakte der Rathauspolitik des Bürgermeisters Leopold Gratz entgegenzusetzen. Busek wird vielmehr versuchen, eine Art Kontrastprogramm für Wien unter die Leute zu bringen. Unter dem von der ÖVP für die Kommunalpolitik im ganzen Bundesgebiet kreierten Slogan „Näher zum Bürger“ möchte nun auch die Wiener ÖVP von der Kittelfalte der als verkarstet bezeichneten Rathausbürokratie abrücken und den Direktkontakt mit den Wienern suchen. Solch eine Strategie wäre zu begrüßen, hat man den Wiener Schwarzen doch stets den Vorwurf gemacht, an „Rathaus-Filzokratie“ und „Pfründen“ nicht minder beteiligt zu sein als die Sozialisten.

Das Positiv-Konzept der Wiener Opposition wird auch teilweise bei den kommunalpolitischen Erfahrungen der in Graz recht erfolgreichen Rathausmannschaft geistige Anleihe nehmen. Der initiative und engagierte Bürger soll stärker in den Vordergrund gerückt, das kommunalpolitische Bewußtsein gestärkt werden. Kein Geheimnis dürfte es sein, daß Busek mit seinem Programm auch versuchen wird, in den Windschatten der von den Wiener Sozialisten geprägten, sehr zugkräftigen Formel „Ja zu Wien“ zu schlüpfen. Suggeriert doch diese Wortspielerei geradezu, es gäbe da noch andere, die „Nein zu Wien“ sagen. Wem der Schwarze Peter zugespielt werden könnte, ist nur schwer zu erraten.

Tatsache ist nun einmal, daß Gratz in Wien einen für Busek fast unein-holbaren Informations- und Be-kanntheitsvorsprung genießt. Als erste Maßnahme wurde „Buseks Wiener Presse Cafe“ installiert, das einmal wöchentlich im Cafe Landt-mann über die Bühne geht. Busek, der diese Woche gegen die auf geblähten Schulversuche und für eine Senkung der Klassenschülerhöchstzahl von 36 auf 30 auftrat, möchte seinen politischen Jouir fixe bis zur nächsten Gemeinderatswahl durchziehen und jede Woche mit anderen brandneuen Informationen aufwarten.

Unmittelbar nach dem Landesparteitag wird sich die Wiener Volkspartei unter neuer Führung auch auf Plakatwänden der Bevölkerung präsentieren. Für. diesen Zweck bietet die Wiener ÖVP einen neuen Graphiker und angeblich auch neue Werbeeinfälle auf. Beginnend mit November, startet Busek schließlich eine ausgedehnte Bezirksreise, die ihm die unmittelbaren Sorgen und Wünsche der Wiener näherbringen soll.

Der Start der neuen ÖVP-Führung in Wien muß sich auf hohe Hürden gefaßt machen. Leopold Gratz ist aus der Brückenkatastrophe gestärkt hervorgegangen, gestärkt auch durch neue, unverbrauchte Leute wie Professor Wurzer. Auch der neue Parteisekretär der Wiener Sozialisten, Rudolf Edlinger, ist nicht zu unterschätzen. Als Mann der sozialistischen Jugendbewegung gehört er eher dem linken Flügel seiner Partei an, als langjähriger Mitarbeiter seines Vorgängers Heinz Nittel ist er ein intimer Kenner der Wiener Szene. Busek und Taus wird also in Wien nichts in den Schoß fallen. Dem einen nicht die nächste Landtagswahl, dem anderen nicht die Kanzlerschaft — solanige Wien gewissermaßen der „weiße Fleck“ auf der Österreich-Karte der ÖVP bleibt.

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