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Kampf ums bessere Familien-Konzept

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Was wollen die Parteien? Womit darf der Wähler rechnen, wenn er seine Stimme für eine bestimmte Liste abgibt? Eine Kurzserie als Wahlservice für FURCHE-Leser.

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Was wollen die Parteien? Womit darf der Wähler rechnen, wenn er seine Stimme für eine bestimmte Liste abgibt? Eine Kurzserie als Wahlservice für FURCHE-Leser.

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Herbert Kohlmaier, ÖVP

Kompromiß

Die Sozialisten kämpfen vehement gegen eine stärkere steuerliche Berücksichtigung der Familie. Und tatsächlich ist dies eigentlich die letzte große gesellschaftspolitische Streitfrage, die aus den siebziger Jahren übriggeblieben ist. Deshalb will die ÖVP in der

Frage der Familienförderung endlich einen Durchbruch erzielen.

Nach dem ÖVP-Steuerreform-konzept soll daher der Alleinver-dienerabsetzbetrag stark erhöht werden: von derzeit 3.900 Schilling auf 4.000 Schilling plus 2.000 Schilling pro Kind. Wir wollen also eine nach Kinderzahl gestaffelte, erhebliche Erhöhung des Allein-erhalterabsetzbetrages.

Dennoch halte ich persönlich auch die im ÖVP-Steuerreform-konzept vorgesehenen, famüien-spezif ischen Förderungsmaßnahmen noch für unzureichend. Aber die ÖVP-Vorschläge sind ein erster Weg.

Das sogenannte Familien-Splitting zum Beispiel wäre eine ideale Form der Förderung für die Familie. Nur: diese Lösung könnte auch zu starken Belastungen der Steuerzahler führen, die nicht in Familien leben.

Deshalb sollten wir zu einer Kompromißformel kommen, nach der die stark erhöhten Freibeträge für Familienerhalter mit zunehmendem Einkommen eingeschliffen werden. Konkret: der Freibetrag pro Kind und Jahr verringert sich um jeweils den Betrag, den der Familienerhalter über ein bestimmtes Jahreseinkommen hinaus verdient. Das würde eine echte Anhebung des Existenzminimums und eine echte Hilfe für alle Familien bedeuten.

• Wenn man die Steuern insgesamt ordentlich senkt, dann gehören meiner Meinung nach alle derzeitigen steuerlichen Sonderregelungen überdacht. Das gilt für den Gewerkschaftsbeitrag wie für den Kirchenbeitrag.

Der Autor ist ÖVP-Nationalratsabgeord-neter und Bundesobmann des OAAB.

F. Meissner-Blau, Grüne

Individuell

Wir sind für die Individualbe-eteuerung, weil wir unter Familienpolitik nicht die Förderung der Hausfrauenehe verstehen. Die steuerliche Familienförderung sollte durch Direktzahlungen ersetzt werden, um auch nicht-steuerpflichtigen Familien zugute zu kommen.

• Im Sinne der Trennung von Staat und Kirche sollte der Kirchenbeitrag nicht von der Steuerlast abgezogen werden können. Die Streichung dieser Ausnahmebestimmung ermöglicht — wie die aller anderen in einer umfassen-den,-ökologisch orientierten Steuerreform — eine sozial gestaffelte Senkung der Steuersätze.

Die Autorin ist Spitzenkandidatin der Liste „Die grüne Alternative (Grüne)“.

Klara Motter, FPÖ

Splitting

Im geltenden Steuerrecht wird die familiäre Situation des Steuerpflichtigen fast nicht berücksichtigt. Dies widerspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Die Folge ist eine Umverteilung von den kinderreichen Familien zu den kinderlosen.

Die FPÖ fordert daher die Einführung eines Familiensplittings, bei welchem die Anzahl der zu versorgenden Personen im Steuertarif berücksichtigt wird. Dadurch gelangen die Familien in ei- • ne niedrigere Progressionsstufe.

Das Familiensplitting entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es geht davon aus, daß die Familie eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bildet. Damit knüpft das Familiensplitting an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsfamilie an.

Dieses von der FPÖ vorgeschlagene neue Modell der Familienförderung bedeutet auch eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter: Es ist damit Ausdruck der

Gleichwertigkeit der Arbeit im Haushalt und im Beruf.

Selbständige können sich bereits jetzt durch ihre rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ein „Privatsplitting“ organisieren, indem sie etwa die Gattin im Betrieb anstellen. Mit der Forderung nach Einführung des Fami-liensplittkigs vertritt die FPÖ daher auch die Arbeitnehmerinteressen in besonderem Ausmaß.

Die Autorin ist FPO-Abgeordnete zum Nationalrat.

Ewald Nowotny, SPÖ

Transfers

Mit dem Abgabenänderungsgesetz per 1. Jänner 1987 werden der Alleinverdienerabsetzbetrag und die Familienbeihilfe erhöht. Prinzipiell will die SPÖ bevorzugt die Familienförderung über Transferleistungen. Wir gehen dabei von der Überlegung aus, daß die , Familienförderung über Kinderfreibeträge Familien mit niedrigen Einkommen gegenüber Familien mit hohen Einkommen benachteiligt.

Was die Familienbeihilfe betrifft, so treten wir eher für eine Differenzierung nach dem Alter der Kinder und nicht nach der Zahl der Kinder ein. Meiner Meinung nach ist die steuerliche Förderung der Familie, die über den derzeitigen Status hinausgeht, kein adäquater Ansatz. Am besten hilft man den Familien über Transferzahlungen, die gewährleisten, daß in absoluten Beträgen jedes Kind die gleiche Förderung bekommt.

Innerhalb dieses Systems wollen wir deshalb eine Altersstaffelung, weil sich ja auch mit dem Alter des Kindes die finanziellen Aufwände erhöhen, während die Kosten pro Kind mit der Kinderzahl nicht wesentlich ansteigen.

Das sogenannte Familien-Splitting lehnen wir dagegen entschieden ab, weil es die extremste Form einer Ungleichbehandlung darstellt. Unter dem Vorwand der Familienförderung würde nach diesem System eine massive Umverteilung von den niederen zu den höheren Einkommen betrieben.

Alles in allem geht es uns in erster Linie um das Kind und nicht um eine bestimmte Form einer Lebensgemeinschaft als Voraussetzung für die Förderung. Die Erhöhung des Alleinverdienerab-setzbetrages ist daher auch als Al-leinerhalterabsetzbetrag konzipiert, weil ja das Kind nichts für seine Umgebung kann, in der es aufwächst.

• Nach unserem Steuerrecht werden Aufwendungen in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit als Werbungskosten akzeptiert. Der Kirchenbeitrag hat allerdings nichts mit einer beruflichen Tätigkeit zu tun, sondern mit dem privaten Leben des einzelnen. Die derzeitige Regelung für die Kirchensteuer ist historisch gewachsen, steuersystematisch besteht aber kein Grund zur Ausweitung dieser Regelung.

In einer großen Steuerreform stehen aber alle Pauschalierungen und Sonderregelungen zur Debatte.

Der Autor ist SPÖ-Nationalratsabgeord-neter.

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