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Der neue Bürgermeister von Wien, Helmut Zilk, hat zuletzt neuerlich die baldige Verabschiedung eines Kabel-TV-Gesetzes urgiert, das eine eigene Programmschöpfung neben der Übermittlung ausländischer Programme regelt.

Aus christlichem Medienverständnis läßt sich ein erster Grundsatz ableiten: daß die Neuen Medien vor allem der zwischenmenschlichen Kommunikation dienen sollen. Nicht einseitige Berieselung und internationale Uniformität dürfen den Vorrang haben, sondern eine möglichst umfassende Einbeziehung des Sehers oder Hörers in die Kommunikation. Lokale und regionale Programme und Programmanteile müssen daher einen angemessenen Platz bei der Programmzuteilung erhalten.

Ein zweiter Grundsatz sollte sein, daß die Öffnung der Neuen Medien ein weiterer Schritt zur Verwirklichung des vollen Rechtes auf freie Meinungsäußerung ist. So wie bei den Zeitungen soll grundsätzlich jeder Zugang zu den elektronischen Medien haben; Schranken setzen nur die allgemeinen Gesetze und technische Begrenzungen. Auszugehen wäre daher auch davon, daß Programmgrundsätze, wie sie gelegentlich in der anlaufenden Diskussion verlangt werden, in bestehenden Gesetzen bereits grundgelegt sind. Dies gilt z. B. für die Bindung der Kabelprogramme an die Bundesverfassung, die Achtung der Würde des Menschen sowie der religiösen und sittlichen Uberzeugungen, die Sicherung des Jugendschutzes, die Vermeidung verrohender und gewaltverherrlichender Tendenzen, der Schutz vor Verunglimpfung. Wo ein bestehender gesetzlicher Schutz nicht ausreicht, müßten die einschlägigen Gesetze verdeutlicht werden.

Ein dritter Grundsatz schließ-i lieh müßte die Chancengleichheit zwischen Neuen Medien und Print-Medien sein. Elektronischen Publizisten sollen — wie schon zuvor dargelegt — nicht mehr Auflagen erteilt werden als einem Zeitungsverleger, er soll aber auch nicht bessergestellt sein. So müßten ausländische Satellitenprogramme, die in Österreich in ein Kabelnetz übernommen werden, den selben Bestimmungen des Mediengesetzes unterworf en werden wie andere ausländische Medienwerke.

Für Rundfunk gelten grundsätzlich die Bestimmungen des Rundfunkgesetzes 1974. Demnach ist Rundfunk auch in den Neuen Medien an Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, an die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und die Ausgewogenheit der Programme gebunden. Die Umsetzung kann je nach monopolistischer oder pluralistischer Situation verschieden sein.

Auf solchen Grundsätzen aufbauend, könnte ein Kabelgesetz das Recht zur Programmausstrahlung zunächst prinzipiell dem jeweiligen Kabelbetreiber erteilen. Er ist ja derjenige, der auf sein Risiko die Verkabelung durchgeführt hat, und der auch sein Geld wiedersehen will. Eine bestimmte Anzahl von Kanälen müßte er allerdings für Zwecke der Allgemeinheit bereithalten und jedenfalls auch die Programme des ORF ausstrahlen. Er garantiert auch, daß in seinen Programmen die bestehenden Gesetze eingehalten werden.

Ist Kabelbetreiber eine Gebietskörperschaft (Land, Gemeindezusammenschluß, Einzelgemeinde) oder hat er das Recht zur Programmauswahl einer Gebietskörperschaft übertragen, so wäre wohl recht und billig, daß er bei der Gestaltung der Programme die Kriterien zu erfüllen hat, die auch der ORF berücksichtigen muß: eine der jeweiligen regionalen Ebene entsprechende umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen unter dem Grundsatz der Objektivität und Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen; die Wahrnehmung des Bildungsauftrages; die Verbreitung von einwandfreier Unterhaltung und die angemessene Berücksichtigung der Kirchen-und Religionsgemeinschaften.

An diese Programmkriterien müßte wohl auch ein privater Kabelbetreiber gebunden sein, der in seiner Region e^ne Monopolstellung hat.

Zur Überwachung der Einhaltung der Kriterien könnte bei der jeweiligen Landesregierung ein „Kabelrundfunkrat" gebildet werden, in dem die politisch und gesellschaftlich relevanten Kräfte des Bundeslandes vertreten sind. Zusätzlich zu den kommerziellen Programmen wären noch zwei Kanäle vorzusehen: ein Bürgerkanal, in dem der „Kabelrundfunkrat" den Institutionen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens Sendezeiten zuteilt und dabei, im gesamten gesehen, auch die Kriterien des Rundfunkverfassungsgesetzes erfüllt. Daneben könnten in einem offenen Kanal einzelne Sendungen von Interessenten zur Ausstrahlung eingereicht werden.

Ein dorniges Problem wird sicher die Regelung der Werbung in den Neuen Medien sein. Diese sind aber wohl nur durch Werbung zu finanzieren. Werbung ist aber auch in diesen Medien zu limitieren und klar zu kennzeichnen. Bürger- und offener Kanal sind werbefrei zu halten.

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