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Kandidatur mit dem Hut in der Hand

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In Niederösterreich kommt es zum direkten Duell. Herausforderer Alois Mock ist Spitzenkandidat der ÖVP, Franz Vranitzky, der Titelverteidiger, führt die Kandidatenliste der SPÖ an. Beide peilen für sich und ihre Partei die relative Mehrheit an, beide wollen gewinnen.

Wer will nicht gewinnen? Das ist ein durchaus menschlicher Antrieb im Wettbewerb, schon bei Kindern ausgeprägt. Da läßt man sogar augenzwinkernd die Kleinen gewinnen, sonst schmeißen sie, den Tränen nahe, alles hin.

Nur die Kinder? Franz Vranitzky läßt unwidersprochen verbreiten, daß er nur der Erste sein möchte. Und lukrative Angebote aus der Wirtschaft winken bereits für den Fall des Falles. Wer also möchte, daß Vranitzky der Politik erhalten bleibt, muß die SPÖ zur stärksten politischen Kraft im Lande machen.

Das ist, so im Raum, mehr als Bevormundung, nämlich: politische Nötigung.

Wenn der Kanzler keine Bevormundung der Wähler will, darf er politische Nötigung erst recht nicht zulassen.

Ob Kanzler, Vizekanzler oder nichts dergleichen: Das wird sich als Folge aus der Wahlentscheidung vom 23/November ergeben. Doch vor der Lust auf ein Amt kommt die Last des Mandats.

Franz Vranitzky bewirbt sich jetzt wie Alois Mock zuerst um einen Sitz im Nationalrat. Das allein rechtfertigt die Kandidatur. Um Kanzler zu werden, ist das keine Vorbedingung.

Wird Franz Vranitzky — und daran ist nicht zu zweifeln — als niederösterreichischer Abgeordneter in den Nationalrat gewählt, so übernimmt er damit gegenüber seinen Wählern eine Verantwortung, der er sich zu stellen hat. Bedingungslos.

Die schönen Träume von einem Persönlichkeitswahlrecht, zu dem sich auch der gegenwärtige Bundeskanzler bekennt, platzen wie Seifenblasen, wenn Persönlichkeiten schon mit dem Hut in der Hand um ein Mandat antreten, den sie draufzuhauen bereit sind, wenn ihre Partei das Wahlziel verfehlt.

Natürlich führt kein Weg an der Tatsache vorbei, daß die Nationalratswahlen eine Akzentverschiebung hin zu Kanzlerwahlen erfahren haben. Aber auch damit haben wir unsere Erfahrung: Wen haben wir zuletzt gewählt?

Nicht wenige 1983 noch Bruno Kreisky. Und Fred Sinowatz ist es geworden, bis er aus dem Hut, den er genommen hat, Vranitzky hervorzauberte. Wird auch er nach einer Wahlniederlage drauf pfeifen?

Vielleicht hat seine Partei politische Nötigung notwendig, er nicht. Zieren gereicht ihm nicht zur Zier.

Ehrlichkeit wollen die Wähler nicht nur auf Plakaten. Sie muß Vranitzky über die Lippen kommen: Ich bleibe - auch als Madatar'

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