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Kann Musik Weltanschauung

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Verdis „Nabucco", Wagners „Ring" wurden zu politischen Zwecken eingesetzt, mißbraucht. Denn Musik wirkt stärker auf den Menschen als das Wort oder das Bild.

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Verdis „Nabucco", Wagners „Ring" wurden zu politischen Zwecken eingesetzt, mißbraucht. Denn Musik wirkt stärker auf den Menschen als das Wort oder das Bild.

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Da ist ein festlich ge-% kleidetes Konzertpublikum, das scheinbar sorglos, abgehoben I vom Alltag, Musik einfach und nur so m genießen will. Die Politik Reden, Grußworte - ist Garnierung, Zierrat, Rahmen. Scheinbar abgehoben von der Welt will die Musik nur ganz „Musik" sein und hat vergessen, daß sie das gar nicht kann. Sie braucht die Welt, in der sie als Kunst von und für Menschen besteht ihre Zeit, ihre Ideologie bejahend oder verneinend.

Musik kann ja gar nicht ohne den Menschen sein, weder erklin-

gen noch gehört werden. Musik braucht Menschen, die ihr zuhören, die sie machen, die sie in Rewegung umsetzen. Musik wirkt stärker auf den Menschen als das Wort oder das Bild: man kann die Augen zumachen, aber nicht die Ohren.

Musikgeschichte wird zur Menschheitsgeschichte und die konfuzianische Weltanschauung Chinas wußte um diese Macht der Musik Bescheid. Die Musik, hieß es, ist die Harmonie von Himmel und Erde, sie präge die Gebräuche und verbessere die Sitten. Wer die Musiktraditionen hochhält, bewahrt die Normen der Gesellschaft, hilft letztlich dem Staat.

Zur Eröffnung des Symposiums „Musik und Weltanschauung" an der Hochschule für Musik in Wien sprach Manfred Wagner vom Begriff „Weltanschauung": Altmodisch sei er geworden, abgelöst von einfacheren, modischeren Wörtern: Szene statt Kultur, den Schein statt das Ding an sich benennen. Wer spräche heute noch von Bekenntnissen? „Hundertwasser-infiziert" sei unser Österreich, statt moderner Architektur entstünden Maler-Häuser!

Versuchte man, etwas über den Musikgeschmack der Zeit sagen zu wollen, ließe er sich mit Verniedlichung, mit Verweichlichung charakterisieren. Musik soll nicht weh tun, nicht unangenehm sein - in unserer harten

Welt möge wenigstens die Musik weich sein!

Eine Welle jener Ästhetisie-rung der Kunst passierte in der Nazi-Zeit: Die Kunst, besonders die Musik, aus ihren gesellschaftlichen Verankerungen zu lösen, um sie für eigene Zwecke gebrauchen zu können. Die Musik ließe sich dann in zwei Kategorien teilen: in eine des Protestes und eine der Huldigung.

Musiker als Politiker: selten griffen sie in das Staatsgeschehen ein, genossen aber oft eine besondere Autorität. Giuseppe Verdi wurde zum Symbol des sich einigenden Italiens, in „Nabucco" hat er in der Geschichte der Juden auch das nach Freiheit strebende Volk der Italiener vertont. Auf der Gegenseite die deutsche Konkurrenz, Richard Wagner, der für seine Musik einen deutschen Staat postulierte. Der Traum von einer kulturellen und politischen Vormacht Deutschlands reichte bis ins Dritte Reich, wo er, mörderisch geworden, zerbrach.

Die Musiker waren nicht besser als andere Menschen. Kunst und Moral hängen nicht zusammen. Es gab die, die sich mit ihrer Kunst an die Stärkeren anlehnten: Richard Strauss war einer der Rerühmtesten, die für Nazi-Deutschland komponierten. Und es gab die, die mit ihrer Musik protestieren. Satirisch, auf den Rrettern des Kabaretts, mit dem Anspruch einer für alle singbaren, nachvollziehbaren Kunst. Hanns

Eisler, der Österreicher im Dienste der untergegangenen DDR, wünschte die Massen in seinen Liedern zu solidarisieren. Die Frage „Wem nützt meine Musik" stand für ihn an erster Stelle.

Die, die ihren Protest nicht öffentlich zeigen dürfen, senden ihre Werke in die Emigration oder gehen selbst weg. Ernst Rre-nek erkannte früh die Zeichen der Zeit und tauschte Heimatlosigkeit ein für die Rewahrung seiner musikalischen Ideen. !;Seine prophetischen Opern „Kehraus um St. Stephan" und der „Diktator" erfüllten sich bis ins Detail. Krenek, in sicherer Erwartung der Katastrophe, erschütterte das nicht.

Zum Komponieren haben auch die der Freiheit Reraubten nicht aufgehört: Viktor Ullman komno-nierte i: die erste die von aulied" fers stärl nung. A Zeiten i Schönbe zurück 2 und kon ses und

Wäre hätte ke verbiete „Kunst bleme geben, intellektuell wie emotional", sagte Manfred Wagner. „Kunst erklärt, was Freiheit ist."

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