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Kann sich Osterreich Schönbrunn nicht leisten?

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„Das ist zutiefst unmoralisch!" und „Kann sich denn Österreich Schönbrunn wirklich nicht leisten?" lauteten die entsetzten bis empörten Kommentare der ausländischen Denkmalpfleger bei der vom 21. bis 24. September dauernden Konservatorentagung in Wien.

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„Das ist zutiefst unmoralisch!" und „Kann sich denn Österreich Schönbrunn wirklich nicht leisten?" lauteten die entsetzten bis empörten Kommentare der ausländischen Denkmalpfleger bei der vom 21. bis 24. September dauernden Konservatorentagung in Wien.

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Landeskonservatorin Eva-Maria Höhle führte durch die total verkommenen Gisela- und Kronprinzen- sowie die nicht ganz so schäbigen, sogenannten Bergl-Zimmer im Schloßparterre von Schönbrunn. Auf die vorbildlich von öffentlicher Hand verwalteten bayrischen Königsschlösser und auf Versailles hinweisend, konnten sie weder verstehen, daß die Republik, in deren Besitz Park und Schloß Schönbrunn 1918 übergegangen sind, diesen Räumen nie die geringste Pflege hatte angedeihen lassen, noch daß die heuer zum Zug gekommene „Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H." Besucherströme und Konzertveranstaltungen nicht drosselt, sondern im Gegenteil, sie erhöhen will.

Jährlich werden rund 1,4 Millionen Personen durch die Schauräume im ersten Stock geschleust, was einer Besichtigungsdauer von einer Minute pro Saal gleichkommt, gleichzeitig aber die Schauräume einer dauernden Klimaveränderung unterzieht. Allein am Ostersonntag des heurigen Jahres waren 10.000 Personen im Schloß, und während der Sommermonate fanden in jeder Woche zusätzlich zum Sightseeing in der großen Galerie durchschnittlich fünf Konzertveranstaltungen statt.

Weil nun die durch Vernachlässigung beziehungsweise zu extensive Nutzung entstandenen Schäden nicht bloß auf die Parterrezimmer und die Schauräume beschränkt und die in den nächsten zehn Jahren anfallende Sanierungskosten für das Schloß selbst, die Gloriette und die Römische Ruine mit 600 Millionen Schilling veranschlagt worden sind, möchte Wolfgang Kippes, einer der Geschäftsführer der „Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H." aus jedem Winkel des Schlosses Kapital schlagen. Er trägt sich auch mit dem Gedanken, die Eintrittspreise zu erhöhen und attraktivere Souvenirläden zu etablieren.

Mieten erhöhen

Nicht zuletzt will er - und darin sind sich in- und ausländische Denkmalpfleger erstmals mit dem auf fünf Jahre zum obersten Chef des architektonischen Symbols österreichischer Vergangenheit bestellten Kippes einig - die Mieten der Geschäftslokale und Wohnungen anheben. Denn, was unter Denkmalschutz steht, kann nicht unter Mieterschutz stehen oder dem Friedenszins unterliegen. Schließlich sind die Kosten für eine angemessene Betreuung eines Denkmals ungleich höher als für ein ungeschütztes Gebäude.

Besonders problematisch ist, wie aus dem Erfahrungs- und Meinungsaustausch der zum Thema „Denkmalschütz an Einzelobjekten und Ensembles im Bereich der Großstadt" referierenden Architekten, Bauingenieure und Denkmalpfleger hervorging, die Erhaltung von staatlich nicht subventionierten kleinen Palais mit einer nicht im öffentlichen Interesse stehenden Nutzung. Wurden und werden nämlich für größere Adelssitze zumeist angemessene (museale) Funktionen gefunden (was gleichbedeutend ist mit Subventionen und Einnahmen), sind die Betriebs- und Betreuungskosten von privat genutzten, unter Schutz stehenden Objekten von den „Hausherren" kaum aufzubringen.

Hans Georg Orator von der Österreichischen Realitäten AG, in deren Eigentum sich das Palais Ferstel, das Palais Harrach und Schloß Puchenau bei Linz befinden, sieht zumal eine Änderung der Steuergesetzgebung für angezeigt und fordert eine Rückführung auf die Gesetzeslage vor 1988, als 50 Prozent der Restaurierungsausgaben im ersten Jahr und die zweiten 50 Prozent in den nächsten fünf Jahren absetzbar gewesen sind.

Wie außer im Schloß Schönbrunn Denkmalpflege in Wien gehandhabt wird, war darüber hinaus bei Exkursionen in der 1913-1915 von Josef Hoffmann erbauten und jetzt dem Österreichischen Gewerkschaftsbund gehörenden Hietzinger Villa Prima-vesi sowie im Schloß Belvedere abzulesen. Bekanntlich wird ja das der Österreichischen Galerie als Museum dienende Doppelschloß eben um 185 Millionen Schilling saniert, wobei nur ein Drittel auf denkmalpflegerische Aufgaben, die restlichen zwei Drittel auf die Adaption von Schauräumen, Werkstätten, Sicherungsanlagen, Depots, Lifts, Garderoben, eine Cafeteria und einen baupolizeilich verordneten Stiegenaufgang entfallen.

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