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Kaplan predigt gegen Kardinal

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Zwischen Hierarchie und Basisgemeinden in Ungarn schwelt ein Konflikt, der kürzlich in einer Suspendierung kulminierte. Dazu zwei Dokumente im Wortlaut.

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Zwischen Hierarchie und Basisgemeinden in Ungarn schwelt ein Konflikt, der kürzlich in einer Suspendierung kulminierte. Dazu zwei Dokumente im Wortlaut.

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In der katholischen Wochenzeitung „Uj Ember" erschien ein Artikel mit dem Titel „Wir wollen nützliche Erbauer der Gemeinschaft sein" von Kardinal Lekai, zu dem man nicht mehr schweigen kann. Beinahe ein jedes Wort in diesem langen, fast ganzseitigen Artikel ist eine Lüge. Es ist traurig und erschütternd, daß der Herr Kardinal heute, da die ganze Welt von der Katastrophe des Krieges bedroht wird, gleichsam den Krieg, die Gewalt und das Töten verherrlicht, und alle scharf verurteilt, die in der Kirche Ungarns den Krieg, jegliche Gewalt und das Soldatentum selbst in Friedenszeiten ablehnen. Er behauptet, daß alle, die unter keinen Umständen zur Waffe zu greifen oder die Handhabung der Waffen zu erlernen bereit sind, sich im Widerspruch zur Heiligen Schrift und zur Lehre der Kirche befänden. Weil wie der Herr Kardinal sagt: „Man habe das Recht sich zu verteidigen und Stärke zu zeigen", auch durch die Waffe...

Ich kann es nicht verstehen, wie man aus diesem Wort Jesu „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin" den Satz ableiten kann: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann schlage zurück!"...

Und es scheint, daß der Herr Kardinal auch die offizielle Lehre der Kirche vergessen hatte! die nicht mit der Privatmeinung dieses oder jenes Bischofs identisch ist, sondern die in den Konzilsdekreten zusammengefaßt wurde. Die Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzils „Gaudium et spes" sagt im Zusammenhang mit der Gewalt: Vom Geist der Liebe und des Friedens bewegt, „können wir denen unsere Anerkennung nicht versagen, die bei der Wahrung ihrer Rechte darauf verzichten, Gewalt anzuwenden, sich vielmehr auf Verteidigungsmittel beschränken, so wie sie auch den Schwächeren zur Verfügung stehen....Insofern die Menschen Sünder sind, droht ihnen die Gefahr des Krieges...Soweit aber die Menschen sich in Liebe vereinen—überwinden sie auch die Gewaltsamkeit, bis sich einmal die Worte erfüllen: Zum Pflügen schmieden sie ihre Schwerter..." (Jes. 2,4, GS 78.)

Was aber den Militärdienst betrifft, wird dieser vom Konzil tatsächlich allen Christen erlaubt (GS 79). Aber ebenso erlaubt sie auch die Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen: „Ferner scheint es angebracht, daß Gesetze für die in humaner Weise Vorsorge treffen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern, vorausgesetzt, daß sie zu einer anderen Form des Dienstes an der menschlichen Gesellschaft bereit sind." (GS 79). Nun, dies ist die offizielle Lehre der Kirche....

Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg und dann nach diesem Krieg, vor allem aber in den siebziger Jahren entstanden in unserer Heimat sogenannte Erwek-kungs- oder Erneuerungsbewegungen. Diese Bewegungen bestehen aus Menschen, die ihr christliches Leben über das Übliche hinaus ernstnehmen möchten. Unter ihnen befinden sich Priester und Laien, alte und junge Menschen, Männer und Frauen. Sie versammeln sich, beten, lesen die Heilige Schrift, sprechen miteinander über die Lehre Jesu, und über das praktische christliche Leben. Da die einzelnen Gruppen aus wenigen Mitgliedern bestehen — sie umfassen etwa acht bis zehn, oder zehn bis fünfzehn Personen-, nennt man sie auch Basisgemeinschaften. Von Brasilien bis Westeuropa, von Ungarn bis Afrika finden wir sie überall...

Es ist verständlich, daß es dem atheistischen Staat nicht gefällt, daß es in diesen Gruppen ein lebendiges christliches Leben gibt und ich würde es verstehen, wenn er gegen diese auftreten würde, denn die Verbreitung der Religiosität entspricht nicht seinen Interessen. Aber wir müssen dagegen protestieren, daß Bischöfe und einzelne Priester zu Exekuto-ren solcher Maßnahmen werden!

Und da sie draufgekommen sind, daß man diese Gemeinschaften nicht einfach auflösen kann, versucht man sie nun gegeneinander auszuspielen, mit dem Vorwand, die eine oder die andere dieser Gemeinschaften sei nur eine getarnte Sekte. Dieses Ausspielen gegeneinander wird auch im Artikel des „Uj Ember" praktiziert. Dagegen müssen wir, protestieren...

(Aus der Predigt des Kaplans Andräs Gro-mon in der Pfarrkirche von Pomäz vom 11. Oktober 19S1.)

Im Sinne des Paragraphs 2 des Canons 2222 und des Canons 2344 des Codex Juris Canonici suspendiere ich Sie mit der Wirkung dieser meiner Zeilen für ein halbes Jahr ab heute a divinis, um weitere anstoßerregende Vorkommnisse zu vermeiden, und ich bezeichne als Ihre einstweilige Unterkunft die Wohnung Ihrer Eltern in Pilisvörösvär. Ich verfüge gleichzeitig die Untersuchung Ihrer Angelegenheit, und bis zu deren Abschluß dürfen Sie Pilisvörösvär nicht verlassen...

Ich wünsche zu bemerken, daß diese Suspension keine Strafe ist, sondern nur eine Schutzmaßnahme, das heißt: ein Akt der Vorbeugung, damit Ihnen bis zum Abschluß des' Gerichtsverfahrens keine Möglichkeit geboten wird, die Eucharistie zu feiern, Beichten zu hören, zu predigen und den Religionsunterricht zu erteilen, wodurch weitere skandalöse Vorkommnisse ausgeschlossen werden sollen.

Die in meiner Hand befindlichen und gegen Ihre Person gerichteten schriftlichen Anzeigen übergebe ich zwecks eventueller Anklageerhebung dem promotor justitiae meines Gerichtes und ich schicke sie in Abschrift auch an den Herrn Kardinal-Primas, zwecks eventueller Weiterleitung nach Rom. Ich möchte Ihnen mitteilen, daß meine Maßnahme mit sofortiger Wirkung eintritt, (d.h. Sie sind verpflichtet die Ortschaft Pomäz sofort zu verlassen) und ich teile mit väterlicher Liebe auch mit, daß Sie mit Ihrer Bitte um Vergebung, mit Ihrer Reue und mit Ihrer einsichtsvollen und bekehrungswilligen Haltung vor den Untersuchungsrichtern Ihrer eigenen Sache sehr viel helfen können.

Die Ubersetzung der Originaldokumente besorgte Pfarrer Rudolf Schermann.

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